Von der Ernährung abgeschnitten: Grenzen der Sterbehilfe

Der Bundesgerichtshof entscheidet über einen Anwalt, der zum Durchtrennen eines Versorgungs-schlauchs im Pflegeheim riet. Grundsatzurteil wird erwartet.

Riet seiner Mandantin zur Sterbehilfe an deren Mutter: Der Münchner Anwalt Wolfgang Putz (rechts) am Mittwoch beim Bundesgerichtshof. Bild: dpa

KARSLRUHE taz | Darf das Recht zu sterben auch mit unkonventionellen Methoden durchgesetzt werden? Darüber muss jetzt der Bundesgerichtshof entscheiden. Es wird ein Grundsatzurteil zu den Grenzen der zulässigen Sterbehilfe erwartet.

Im konkreten Fall hatte sich ein Pflegeheim in Bad Hersfeld (Hessen) geweigert, die künstliche Ernährung einer alten Frau einzustellen, die schon seit fünf Jahren im Wachkoma lag. Ihrer Tochter hatte sie früher gesagt, dass sie nicht künstlich ernährt werden wolle, und auch der Hausarzt sah keinen Sinn in einer Fortführung der künstlichen Versorgung. Doch das Heim drohte der Tochter ein Hausverbot an, wenn sie die Magensonde der Mutter nicht akzeptiere. Auf Anraten des Münchner Anwalts Wolfgang Putz durchtrennte die Tochter im September 2007 den Schlauch zur Magensonde, um ihre Mutter sterben zu lassen.

Doch die Aktion wurde entdeckt, das Heim rief die Polizei und die Mutter erhielt eine neue Magensonde (sie starb später aus anderen Gründen). Ihre Tochter und Anwalt Putz wurden nun aber wegen versuchtem Totschlag angeklagt. Während die Tochter einen Freispruch erhielt, weil sie dem Rat des Anwalts vertraut hatte, wurde dieser vom Landgericht Fulda im April 2009 zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Putz und sein Verteidiger Gunter Widmaier halten diese Verurteilung für ein eklatantes Fehlurteil und gingen in Revision. Beim BGH forderten sie jetzt einen glatten Freispruch. Das Durchtrennen des Schlauchs sei rechtmäßig gewesen. "Hier wurde niemand aktiv getötet", betonte Verteidiger Widmaier, "sondern nur der Zustand wieder hergestellt, der dem natürlichen Sterben des Menschen entspricht." Verboten sei es, jemand mit einem Kissen zu ersticken oder ihm eine Giftspritze zu geben. Dies seien aktive Tötungshandlungen, so Widmaier. Dagegen sei das Durchtrennen eines Versorgungsschlauchs völlig legal, wenn es dem Willen des Patienten entspricht.

Unterstützung bekam Putz von der Bundesanwaltschaft, die ebenfalls auf Freispruch plädierte. "Eine Zwangsbehandlung ist unzulässig", erklärte Oberstaatsanwalt Lothar Maur. Die Tochter habe nicht nur das Recht gehabt, die unerwünschte Ernährung zu beenden, sondern auch die Pflicht dazu, schließlich habe sie das Vormundschaftsgericht als rechtliche Betreuerin der Mutter eingesetzt. "Es war ihre Aufgabe, den Willen der Mutter zur Geltung zu bringen". Der Staatsanwalt verwies auch auf das seit letztem Herbst geltende reformierte Betreuungsrecht. Dort sei nun eindeutig geregelt, dass ein Behandlungsabbruch, der unweigerlich zum Tod führt, auch ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts möglich sei.

Uneinig zeigte sich noch der fünfköpfige BGH-Senat unter Vorsitz von Ruth Rissing-van Saan. Die Richter diskutierten und widersprachen sich mehrfach während der Verhandlung. Der Ausgang des Verfahrens ist deshalb noch völlig offen. Das Urteil wird erst am 25. Juni verkündet.

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