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Ecuadorianischer Ökonom Alberto Acosta"Der grüne Kapitalismus ist eine Falle"

Öko-Kapitalismus kann nur der Übergang zu einer Gesellschaft mit Freiheit, Gleichheit, Umweltschutz sein, sagt Acosta. Den Schrecken des Klimawandels setzt er "das gute Leben" entgegen.

Sattes Grün, herbstlich verdorrt: So einfach ist es eben nicht mit dem "grünen Kapitalismus". Bild: Chris Willis | CC-BY
Interview von Gerhard Dilger

taz: Herr Acosta, nach wie vor setzt die herrschende Politik Entwicklung mit Wachstum gleich. In Südamerika haben linke Regierungen durch Lohnerhöhungen und Sozialprogramme Millionen zum sozialen Aufstieg verholfen. Wie sollen da Mehrheiten für eine ökologische Wende her?

Alberto Acosta: Unser Lebensstil ist nicht haltbar, das wird immer mehr Menschen klar. Süßwasserquellen gehen verloren, die Artenvielfalt auf den Feldern und in den Wäldern geht zurück, ebenso der Lebensraum für indigene Gemeinschaften. Aber sicher, die Sichtweise, die Natur müsse gezähmt, ausgebeutet und vermarktet werden, herrscht immer noch in vielen Teilen unserer Gesellschaften vor, auch auf Regierungsebene.

Warum setzt Lateinamerika weiterhin so vehement auf Rohstoffexporte?

Es ist die Fortschreibung unserer Geschichte, auch nach der Unabhängigkeit von Spanien und Portugal vor 200 Jahren. Man hängt weiterhin dem naiven Glauben an, der Extraktivismus werde sich schon in Entwicklung verwandeln. Dabei wissen wir doch, dass wir zwar Boomphasen erlebt haben, aber die ersehnte Entwicklung letztlich ausgeblieben ist.

Sie propagieren den Übergang zu einem postfossilen Wirtschaftssystem. Wie soll denn dabei die Armut abgebaut werden?

Den Königsweg gibt es nicht. Die Grundbedürfnisse müssen immer garantiert werden, also nicht nur in Zeiten finanzieller Überschüsse. Neben einer Steuerreform sind dafür weitere Umverteilungsprozesse erforderlich, vor allem beim Landbesitz und der Kontrolle über das Wasser.

Bild: Gerhard Dilger
Im Interview: ALBERTO ACOSTA

ALBERTO ACOSTA, 63, ist Ökonomieprofessor an der lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften Flacso in Quito. Nach der Linkswende in Ecuador 2007 war er zunächst Energie- und Bergbauminister, dann leitete er den Verfassungskonvent.

Wie hilfreich sind für Sie Konzepte wie "nachhaltige Entwicklung" oder "Green New Deal"?

Das westliche Entwicklungsparadigma ist höchst gefährlich: Es garantiert den allgemeinen Wohlstand nicht, bringt das ökologische Gleichgewicht aus dem Lot und stellt dadurch das Überleben der Menschheit in Frage. Der "grüne Kapitalismus" ist eine Falle, denn er stellt die kapitalistische Logik nicht in Frage. In den letzten Jahrzehnten hat auch der Umweltmerkantilismus die Lage nicht verbessert, er ist nur Schminke.

Nun gibt es aber nicht einmal in Südamerika eine gesellschaftliche Mehrheit für eine "sozialistische" Wirtschaftsordnung. Wäre aus dieser Perspektive ein "grüner" Kapitalismus nicht schon ein großer Fortschritt?

Bestenfalls als Übergangsphase zu einem nicht-kapitalistischen Paradigma, das sich an Gleichheit, Freiheit und natürlich an Umweltverträglichkeit ausrichtet. Wir müssen weg vom Anthropozentrismus, hin zu einem "Soziobiozentrismus".

Im Attac-Umfeld wird diese Debatte, die vor allem in Ecuador und Bolivien unter dem Stichwort "Gutes Leben" geführt wird, aufmerksam verfolgt. Was bringt dieses Konzept, auf das ja auch die ecuadorianische Verfassung ausgerichtet ist, für Europa?

Das "Gute Leben" ist eine weitere Plattform, um über dringend notwendige Antworten auf die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels nachzudenken.

Was kann denn die europäische Linke vom südamerikanischen "Linksruck" lernen?

Vor allem, wie wichtig es ist, eigene Lösungen zu suchen. Doch sie sollte sich nicht mit den Anführern der progressiven Regierungen solidarisieren, sondern mit den Prozessen und seinen sozialen Akteuren. Die oft blinde Unterstützung von Präsidenten trägt dazu bei, individuelle, autoritäre Führerfiguren zu stärken. Und die drohen jene revolutionären Prozesse zu ersticken, die ja gerade viel Demokratie brauchen.

Was ist den zunehmend autoritären Tendenzen in Venezuela, Ecuador und Bolivien entgegenzusetzen?

Diese Prozesse können nicht über einen Kamm geschert werden. Um ihren Anfangsimpetus zurückzugewinnen, müssen jene Linkskräfte innerhalb oder außerhalb der Regierungen gestärkt werden, die fähig sind, den wirklichen Wandel voranzutreiben. In Ecuador könnte eine feste und kohärente linke Opposition zur Rückkehr zu den Wurzeln beitragen, denn Präsident Rafael Correa bewegt sich immer weiter nach rechts, auch wenn er noch links blinkt.

Nächste Woche werden Vertreter der ecuadorianischen Regierung in Berlin für die Yasuní-ITT-Initiative werben, durch die die Erdölförderung im östlichen Teil des Landes verhindert werden soll. Was ist der Stand der Dinge in Ecuador?

Der Präsident hat seine Volksbefragung am 7. Mai zwar knapp gewonnen, politisch aber verloren. Das gibt den Verteidigern der Initiative Auftrieb, denn sollte Correa vom Parlament kein grünes Licht für die Erdölförderung bekommen, wird er kaum eine weitere Volksbefragung riskieren.

2008 sorgte Alberto Acosta dafür, dass die Rechte der Natur in der neuen Verfassung Ecuadors verankert wurden – eine Weltpremiere. Am Freitag hält der linke Ökonom eine Auftaktrede zum dreitägigen attac-Kongress, der in Berlin stattfinden wird.

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5 Kommentare

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  • MB
    Mathias Bartelt

    Sehr geehrter Herr Dilger,

     

    Sie stellen die Frage:

    "Was ist den zunehmend autoritären Tendenzen in Venezuela, Ecuador und Bolivien entgegenzusetzen?"

     

    Ich möchte hier mit dem Befragten gehen, daß die südamerikanischen Staaten nicht über einen Kamm geschert werden können. Insbesondere nicht, was Bolivien betrifft.

     

    Woher nehmen Sie die Behauptung "zunehmend autoritärer Tendenzen" in Bolivien? Ist dies die Auffassung in der "taz"? Ist dies Ihre eigene Auffassung? Können Sie sie belegen? Haben Sie sich mit der neuen bolivianischen Verfassung beschäftigt? Wissen Sie, wie demnächst dort das Verfassungsgericht gewählt wird und wie dort mehr echte, direkte Mitbestimmung der Menschen gewährleistet wird, als es bisher der Fall war? Oder beziehen Sie sich in Ihrer Behauptung darauf, daß die südamerikanischen Verfassungen bisher(!) des Öfteren eine stärkere Stellung des Präsidenten vorsahen und teilweise noch immer vorsehen?

     

    Ich sehe jeden Falls Ihre Behauptung im Fall Boliviens nicht gegeben. Auch Ihre Behauptung hinsichtlich gesellschaftlicher Mehrheiten in Südamerika für bestimmte Wirtschaftsmodelle sehe ich so nicht belegt. Je nach dem auch, was Sie unter "Sozialismus" - mithin unter Vermischung von Verfassungsform und Wirtschaftsform - verstehen. So fern Sie "Sozialismus" mit "Autoritarismus" gleich setzen sollten, wäre dies zumindest eine Erklärung Ihrer Behauptung. Dies beruhte denn zugleich allein auf Ihrer eigenen Anschauung und Vermischung. Nicht auf tatsächlichen Gegebenheiten in Südamerika.

     

     

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Mathias Bartelt

  • F
    Frank

    Namibia hat Umweltschutz schon sei 1990 in der Verfassung, also neu ist das nicht und nötig schon lange.

  • H
    hto

    Öko-Kapitalismus, ist so blödsinnig wie das "gesunde" Konkurrenzdenken im "freiheitlichen" Wettbewerb - der Klimawandel, der schon von Humboldt vor 200 Jahren als unausweichlich erkannt wurde, wird nur aus Dummheit / gutbürgerlich-gebildeter Suppenkaspermentalität auf stets systemrationaler Sündenbocksuche zur Klimakatastrophe!

     

    Evolutionär befinden wir uns nun TECHNOKRATISCH-kreislaufend im geistigen Stillstand seit der "Vertreibung aus dem Paradies" (unser erster / bisher einziger geistige Evolutionssprung) - "Wer soll das bezahlen?" und "Arbeit macht frei" zum "grünen Quadrat", Faschismus bleibt Faschismus!?

  • U
    uijuijui

    jui, KAPITALSTOCK und KREATIV sind Akronyme? ODER WARUM BRÜLLST DU DIE SO RAAAAUUUUS ?

     

    PS: Kapitalstöcke sind wenigstens aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt.

  • RK
    Rüdiger Kalupner

    "Bestenfalls als Übergangsphase zu einem nicht-kapitalistischen Paradigma, das sich an Gleichheit, Freiheit und natürlich an Umweltverträglichkeit ausrichtet. Wir müssen weg vom Anthropozentrismus, hin zu einem "Soziobiozentrismus". "

     

    Das 'kapitalistische Paradigma' ist ein 'Kapitalstock-Maximierungs-Paradigma', dessen Ziel es ist, a l l e Konkurrenten des Faktors KAPTIALSTOCK durch den Faktor KAPITALSTOCK zu ersetzen, d.h. Arbeit, Energie, Ressourcen-Einsatz durch High-Tech-Kapitalstock zu ersetzen. Das maximiert das Schuldenvorlumen und die Kapitaleinkommen durch hohe Zinsen - ohne Ende, Ein 'nichtkapitalistisches Paradigma' wäre eines, das den KAPITALSTOCK-Aufbau minimiert und die Nachfrage nach Arbeit homöostatisch hin auf Vollbeschäftigung steuern kann. Das Steuerungssystemwissen ist vorhanden. Zum Ziel führt der ökoloische Umfinanzierungsansatz. Die zu Ende gedachte ökologisch-soziale Umfinanzierung der staatlichen und sozialen Leistungen durch Maschinen-/Kapitalstock-Steuern u n d die Verteilung des Produktivitäts-Fortschritts durch einen KREATIV-Lohn für Jedermann, der energie- u n d sachkapitalsteuer-finanziertes Zweiteinkommen für Jedermann ist, ist der Kern dieses revolutionären Ansatzes.

     

    Dieser Umfinanzierungsansatz realisiert das zu Ende gedachte 'Ökologische Nachhaltigkeits-Paradigma'. Zu Ende denken kann nur heißen, auf der Grundlage eines Evolutionsprozess-Modells denken und nach dessen Maximaloption fragen. Was dabei herauskommt ist ein KREATIVER Evolutionismus, weil er die Wegeordnung des KREATIVEN Akzelerationspfades im Evolutionsmodell beschreibt.

     

    An die Stelle der KAPITALSTOCK-Maximierung wird Maximierung der menschlichen Fähigkeit als Wachstums- und Fortschritts-Basis installiert. Not, durch Energie- und Sachkapitalsteuern simuliert hergestellt, macht bekanntlich KREATIV und prämiert die Selbstleistung der Menschen gegenüber der Fremdleistungsangeboten der Wirtschaft/Kapitalseite.

     

    So einfach ist die evolutionsprozess-eigene Umsteuerungs-Lösung aus dem Ancien Régim der KAPITALSTOCK-Maximierer. Doch diese Genialität-in-der-Systemkrise erkennt man erst auf der Grundlage eines (kybernetisch formulierten) Evolutionsprozess-Modells. Wer unter KREATIV-Lohn sucht wird finden.