piwik no script img

Kleiderordnung für PolizistenSchluss mit Lonsdale

Polizeipräsident Glietsch verbietet seinen Beamten Klamotten, die in der Neonazi-Szene beliebt sein sollen. Polizeigewerkschaften und die aussortierten Modefirmen meckern, die SPD freut sich.

Alles richtig gemacht: Polizei ohne rechtsextreme Bekleidung. Bild: AP

Polizeipräsident Dieter Glietsch mistet die Kleiderschränke seiner Beamten aus: In einer internen Dienstanweisung verbietet er seinen Zivilbeamten, künftig Modemarken zu tragen, die sich in rechtsextremen Kreisen Beliebtheit erfreuen sollen. Doch die Polizeigewerkschaften und die aussortierten Firmen gehen dagegen auf die Barrikaden. "Wir fordern eine sofortige Rücknahme der Anordnung", empört sich Eberhard Schönberg, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

In der Dienstanweisung heißt es: "Für die Polizeibehörde ist es in höchstem Maße ansehensschädigend, wenn Dienstkräfte auch nur den Anschein erwecken, mit rechtsextremistischem Gedankengut zu sympathisieren." Darum werde das Tragen einschlägiger Marken im Dienst künftig untersagt. Glietsch zählt dazu zehn Label, die er mithilfe des polizeilichen Staatsschutzes identifiziert hat: Thor Steinar, Londsdale, Alpha Industries, Ben Sherman, Consdaple, Acab, Pit Bull, Outlaw, Troublemaker und Fred Perry. Bei einem Verstoß drohen Disziplinarverfahren.

GdP-Landeschef Schönberg findet das "völlig überzogen und ausgesprochen fragwürdig". Die Reaktionen darauf seien in der Belegschaft verheerend gewesen. "Wollen wir demnächst auch die Adidas-Schuhe verbieten, die Neonazis tragen?" Schönberg zweifelt auch an der rechtlichen Gültigkeit der Anweisung. "Der Personalrat wurde nicht einbezogen."

Auch der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Bodo Pfalzgraf, ist unzufrieden: "Diese Liste schießt völlig am Ziel vorbei." Verdeckte Polizeiarbeit sei ohne szenetypische Kleidung oft nicht nur unmöglich, sondern auch gefährlich. Auch seien nicht alle Marken eindeutig der rechten Szene zuzuordnen. "Viele sind im Otto-Katalog bestellbar", so Pfalzgraf. Daraus eine rechte Gesinnung abzuleiten, sei eine Beleidigung der Beamten. Er fordert Innensenator Ehrhart Körting (SPD) auf, dem "Treiben ein Ende zu setzen". Körting kommentierte die Beschwerden nicht.

Kritik kommt auch von den gebrandmarkten Firmen. Man verstehen das Anliegen der Polizei, sagt Mirfet Bennaji, Sprecherin der Punch GmbH, die in Deutschland Lonsdale vertreibt. "Aber dass wir, die wir uns seit Jahren von der rechten Szene distanzieren, auf der Liste auftauchen, ist äußerst unglücklich." Dies bedeute eine erneute Stigmatisierung von Lonsdale. "Dabei sind wir ein multinationales Konzern, haben unzählige antirassistische Aktionen durchgeführt", beteuert Bennaji. Auch Ricardo Meyer, Europa-Geschäftsführer von Ben Sherman, fühlt sich "durch die zweifelhafte Einordnung diskrediert". Er selbst habe 2005 den Vertrieb seiner Produkte auf einschlägigen Internetseiten unterbunden. "Heute verkaufen wir in angesehenen Häusern wie dem Berliner KaDeWe", so Meyer.

Unterstützung kommt derweil vom SPD-Innenexperten Tom Schreiber: "Die Initiative und das Signal sind absolut richtig." Zwar müsse bei den einzelnen Marken differenziert werden, eindeutige Label wie Thor Steinar gehörten aber in keinen Polizeidienst: "Die Kritik der Gewerkschaften ist überzogen."

Bereits im November hatte Polizeipräsident Glietsch in einem taz-Interview ein Thor Steinar-Kleidungsverbot für seine Beamten ausgesprochen. Im gleichen Monat waren gegen zwei Polizisten Disziplinarverfahren eingeleitet worden, weil sie Thor-Steinar-Kleidung trugen. Einer der beiden Beamten war damit als Zivilpolizist im Einsatz - bei einer Demonstration zum 70. Jahrestag der Reichspogromnacht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • L
    Lars

    Die können denen doch bitte nicht verbieten, Klamotten mit der Aufschrift A.C.A.B. zu tragen. Das wäre doch viel zu lustig, wenn sie das tun würden! Oder weiß der Herr Polizeipräsident etwa nicht, was sich hinter dieser Abkürzung verbirgt?

  • A
    Autonom

    Einen Polizisten der Kleidung mit dem Schriftzug "ACAB" trägt würde ich eher als belustigend denn als bedenklich einstufen - es handelt sich nämlich mitnichten um eine rechtslastige Marke, sondern um ein populäres Kürzel für "All Cops Are Bastards" - also grob übersetzt: alle Bullen sind Schweine. Eigentlich vor allem bei anti-autoritären Linken beliebt um die Ablehnung des Prinzips Staatsmacht griffig zu formulieren fand der Spruch begrenzt Einzug bei Rechtsradikalen als diese vermehrt begannen, die Autonomen-Bewegung zu kopieren. Aufgrund der Autoritätsbejahenden Ideologie dieser Gruppen ist das Kürzel "ACAB" dort aber nicht immer gern gesehen.

  • S
    stecher

    Die tapferen Kämpfer gegen Rechts verkommen immer mehr zu dem, was sie eigentlich bekämpfen wollen.

  • C
    Carsten

    Der Verbot von Marken wie Thor Steinar oder Consdaple ist richtig, weil diese zweifelsfrei allein für die rechtsextreme Zielgruppe entworfen wurden (die Firmenhistorie ist relativ aussagekräftig).

     

    Was nicht unbedingt verwundert, den Charakter des Verbotes allerdings abwertet, ist das Verbot von Marken wie Lonsdale oder Fred Perry. Erstere Marke hat mit diesem Image zu kämpfen, sich allerdings auch offen gegen Rassismus gewandt und diverse Projekte in Afrika unterstützt. Allein wegen dieser Haltung wurde letztlich Consdaple gegründet. Es ist peinlich, dass man bei diesem Verbot nicht versucht zu differenzieren, sondern alte Vorurteile festschreibt.

     

    Ein Verbot von "rechtsextremer Kleidung" wird allerdings nicht verhindern, dass es weiterhin Beamten geben wird, die rechtsextremes Gedankengut in sich tragen. Jedes Verbot erzeugt eine Nische.

  • L
    Leidkultur

    Welche Schlüpper-Marke tragen die Polizeibediensteten dennn so? Doch nicht etwas "Schießer"?

  • T
    Thorsten

    Die Anordnung ist zumindest nicht unproblematisch. Abgesehen davon, daß es den Dienstherren kaum etwas angeht, was der Beamte in seiner Freizeit trägt, sind auch einige Marken dazwischen geraten, die zumindest in ihrem Ursprung nicht Rassismus oder Rechtsradikalismus nichts zu tun haben.

    Lonsdale hat seinen Ursprung im Boxsport und konnte in den 60er Jahren unter anderem Mohammed Ali zu ihren Kunden zählen. Fred Perry war der erste Tennisspieler aus der Arbeiterklasse, der Wimbelton gewann. Daher wurde die Marke in der (damals noch unpolitischen bzw. nur auf die Arbeiterschaft ausgerichteten) Skinheadbewegung populär.

    Diese Beispiele mit Marken die (Leicht verfremdete) NS-Symbolik verwenden wie Thor Steinar oder auf bestimmte Buchstabencodes ausgerichtet sind wie CoNSDAPle in einem Atemzug zu nennen und zu verbieten ist mindestens unglücklich.

  • C
    christian

    die haben wohl einen an der waffel: ben sherman und fred perry auf dieser liste?

     

    thor steinar sollte auf jeden fall nicht von beamten getragen werden.

  • JS
    Jens Schlegel

    Polizisten tragen Kleidung der Marke Acab? Soviel Selbstironie hätte ich hier nun doch nicht erwartet, denn Acab = A.C.A.B. = "All Cops Are Bastards" (bzw. Acht Cola Acht Bier)

  • UN
    Ulla Nebulus

    Was bezweckt Her Polizeipräsident Glietsch ?

    Er will die wahre Gesinnung vieler Polizisten verschleiern und dem deutschen Bürger suggerieren bei der Polizei gebe es keine rechte Gesinnung. Schon wieder so ein populistischer Versuch Dinge schön zu reden. Das deutsche Volk soll getäuscht werden durch "verkleidete" Polizisten. Durch eine verordnete Zivilkeidung ist noch keiner ein Demokrat geworden. Diese Polizisten wären so etwas wie der Wolf im Schafspelz. Außen "Hui" und innen "Pfui" Laßt uns lieber der Realität ins Auge schauen damit jedermann weiß, auch bei der Polizei gibt es rechte Gesinnungsgenossen.

  • M
    Medusa

    Dass man die Vögel an ihren Federn erkennt,entspricht ja schon lange nicht mehr der Wahrheit.Also warum sollen Polizisten keine Lonsdale-Klamotten tragen?Wichtig ist doch die wahre Gesinnung,die man nicht durch Kleidung nach aussen bringen **muss**.

  • B
    Bernd

    Zitat: "wenn Dienstkräfte auch nur den Anschein erwecken, mit rechtsextremistischem Gedankengut zu sympathisieren.."

     

    Ja, der gute Herr Glietsch. Jetzt müssen nur noch die ganzen Thor-Steinar-Polizeiuniformen abgeschafft werden.

     

    Mal im ernst: Was Polizisten unter der Uniform anziehen... wann sieht man das? Dürfte ein bisschen schwierig werden mit dem "Anschein" ;)

     

    Herr Glietsch, fahren Sie bitte mal rechts ´ran...!

  • W
    Waldi

    ...dieser Staat wird der DDR immer Ähnlicher!

     

    Ist vielleicht die BRD untergegangen und die DDR sich ausgedehnt hat?!?

    ...und nur wenige haben's gemerkt!

  • K
    Kommentator

    Oh nein, die ersten 3 Zeilen haben mir gereicht.

    Allein aufgrund der verbotenen Marken:

     

    - Thor Steinar--> eindeutige Faschomarke

    - Londsdale --> engl. Skin-marke, die linke Projekte unterstützt

    - Alpha Industries --> Proll-Marke (oder?)

    - Ben Sherman (no idea, klingt nach gewöhnlicher Skin-Marke)

    - Consdaple --> Fascho-Marke

    - Acab --> (A)ll ©ops (A)re (B)astards...alles klar *sich an den Kopf schlag* Welcher Polizist trägt das?!?

    - Pit Bull --> Proll-Marke

    - Outlaw (kenn ich nicht)

    - Troublemaker --> Hool-Marke

    und Fred Perry --> von einem jüdischen Arbeiter in Engaland erfundene Sportmarke

     

    Liebe SPD, ihr habt NICHTS mehr mit dieser Wirklichkeit zu tun.

    Consdaple und Thor Steinar...OK.

    Aber der Rest ist merkwürdig bis SAUDOOF.

     

    mein senf für heut,

    Kommentator.

  • R
    RedHEad

    Ein Bulle mit einem A.C.A.B. T-Shirt wäre doch mal echt witzig, Troublemaker wäre mal ehrlich.

    Aber wer hat den Mist verzapft, z.B. Lonsdale oder Fred Perry in die rechte Ecke zu stellen?

    Ich würde an Stelle der Firmen klagen, Rufschädigung und so.