piwik no script img

US-Gericht entscheidet über Gen-Patente„Kein Patent auf Salz und Mehl“

Der Oberste Gerichtshof in den USA muss darüber entscheiden, ob die Krebsgen-Patente von Myriad Genetics zur Recht vergeben worden sind.

Myriad Genetics lässt sich die Suche im Erbgut teuer bezahlen. Bild: imago/Jochen Tack

WASHINGTON afp/taz | Der Grundsatzstreit über die Zulässigkeit der Patentierung menschlichen Erbguts ist vor dem obersten Gerichtshof der USA gelandet. Das Gericht berät derzeit, ob das Privatunternehmen Myriad Genetics einen Test auf erhöhte Brust- oder Eierstockkrebsanfälligkeit exklusiv vermarkten darf, weil es die Patente auf krebsauslösende Gene besitzt.

Geklagt hatte die Bürgerrechtsbewegung American Civil Liberties Union (ACLU) mit der Unterstützung von mehr als 150.000 Genforschern, Ärzten und Laborangestellten.

Der Streit über die Patentierbarkeit von einzelnen Genen schwelt schon, seitdem damit begonnen wurde, die Erbinformationen zu sequenzieren. Inzwischen sind schon auf ein Fünftel der 24.000 menschlichen Gene Patentansprüche angemeldet worden.

Im aktuellen Fall geht es um die Gene mit den Abkürzungen BRCA1 und BRCA2, die Brust- oder Eierstockkrebs auslösen können und die Myriad Genetics 1998 patentieren ließ.

Hohe Lizenzgebühren

Für die Gentests fordert das Unternehmen Lizenzgebühren in Höhe von 3.000 bis 4.000 Dollar. Es argumentiert, es habe nur wegen der Aussicht auf gute Gewinne die hohen Kosten für die Dekodierung der Gene und die Entwicklung der Tests tragen können. Kritiker werfen Myriad Genetics hingegen vor, die Erforschung der Gene durch andere Institutionen zu blockieren und damit die Tests für eine Vielzahl von Patienten unerschwinglich zu machen.

Das Urteil des Supreme Court soll im Juni fallen. Es dürfte Auswirkungen auf zahlreiche Bereiche der Gentechnik und Medizin haben, denn auch für den Umgang mit vielen Krebsarten und anderen Krankheiten wurden Patentverfahren angemeldet.

Mehrere Richter ließen in der ersten Anhörung Anfang dieser Woche erkennen, dass sie Patente auf menschliche Gene nicht für sinnvoll halten. Richterin Elena Kagan warf die Frage auf, ob es möglich wäre, eine Pflanze im Amazonas-Becken zu patentieren, nur weil sie so schwer zu entdecken sei.

Kein Patent auf Salz und Mehl

Die Richterin Sonia Sotomayor sagte, sie könne sich ein Patentverfahren für ein bestimmtes Plätzchen-Rezept vorstellen, „nicht jedoch für Salz, Mehl und Eier“.

Vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten Dutzende Krebspatientinnen und Anwälte gegen die „Gier“ von Konzernen, „die unsere Freunde umbringen“.

Die Klägerin Lisbeth Ceriagni sagte, ihre Ärzte hätten den Brustkrebs-Test empfohlen, sie habe ihn jedoch lange Zeit nicht vornehmen lassen können, weil ihre Versicherung die Kosten nicht tragen wollte. Später fand Ceriani für ihren Test Spender. Aber sie wies darauf hin, dass nun auch ihre Tochter getestet werden müsse.

Wenn Myriad nicht das Patent für das Verfahren hätte, könnte er den Test „meinen armen Patienten aus der Bronx“ anbieten, sagte der Arzt Harry Ostrer, der ebenfalls zu den Klägern zählt.

Verstoß gegen Verfassung

Die ACLU vertritt die Ansicht, dass Patente auf menschliche Gene gegen die Verfassung der USA verstoßen, weil Gene „Produkte der Natur“ seien. Der von Myriad engagierte Anwalt Gregory Castanias hingegen sagte, Gene seien aus seiner Sicht ein „menschliches Konstrukt“.

Wenig Verständnis für das Unternehmen Myriad zeigte der Nobelpreisträger James Watson, der 1953 wesentlichen Anteil an der Entdeckung der Doppelhelix hatte.

„Wissen kann nicht patentiert werden“, sagte Watson, der sich ebenfalls in der Menge vor dem Gerichtsgebäude aufhielt. „Myriad sollte Brustkrebs-Gene nicht besitzen dürfen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • MA
    Max A.

    Als Biologiestudent bin ich der Ansicht, dass Patente auf natürliche Ressourcen ohne jedes Wenn und Aber verboten werden müssen.

     

    Schlimm genug, dass Konzerne wie Monsanto und co. hingehen und sich Reihenweise Patente auf Tomatensorten geben lassen, an deren Entwicklung sie nicht den Geringsten Anteil hatten. Jetzt sind wir also schon bei Genen? Muss ich dann demnächst Lizenzgebühren zahlen, wenn ich meine Gene an ein Kind weitergeben will? Könnte ja sein, dass jemand ein Patent drauf angemeldet hat.

     

    Auch die Argumentation, Gene seien ein "menschengemachtes Konstrukt" ist vollkommener Schwachsinn, wie einem jeder, der in der Oberstufe Biologie hatte, erklären kann.