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Blutige Proteste in PeruMilitär schießt Indigena zusammen

Dutzende Menschen kommen ums Leben, als das peruanische Militär in der rohstoffreichen Amazonasregion mit Gewalt gegen indigene Demonstraten vorgeht.

Schwer bewaffnet gehen die Uniformierten in Bagua Grande gegen Indigene vor. Bild: ap

BUENOS AIRES taz | In Peru sind am Wochenende bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen indigenen Demonstranten und der Polizei mindestens 30 Menschen ums Leben. Am Freitag hatten indigene Demonstranten eine Ölstation der staatlichen Petroperú in der Amazonasprovinz Bagua besetzt und 38 Polizisten festgesetzt. Beim anschließenden Einsatz der peruanischen Streitkräfte wurden mehrere Polizisten und Demonstranten getötet.

Die blutigen Auseinandersetzungen hatten schon am frühen Freitagmorgen begonnen, als peruanische Spezialeinheiten in der Nähe des Ortes Bagua im Nordosten des Landes mit der Räumung einer Straßenblockade indigener Demonstranten anfingen. Ministerpräsident Yehude Simon bestätigte neun tote und 155 verletzte Zivilisten, von denen 48 auf Grund ihrer Schusswunden behandelt wurden. 22 Polizisten sind tot und 24 verletzt, so die vorläufige Bilanz der Regierung. In den Berichten der lokalen Medien schwankt die Zahl der getöteten Indígenas zwischen zehn und 40.

Soldaten treten einen am Boden liegenden Demonstranten. Bild: ap

"Unser Land ist das Opfer einer subversiven Aggression", so interpretierte der peruanische Staatspräsident Alan García die blutigen Auseinandersetzungen. Inzwischen hat die Regierung eine Ausgangssperre von drei Uhr nachmittags bis sechs Uhr morgens über die Amazonasprovinzen Bagua und Utcubamba verhängt. Die Vorsitzende des UN-Menschenrechtsrats über die Rechte der indigenen Völker, Victoria Tauli-Corpuz, forderte die peruanische Regierung auf, "alle Gewaltakte gegen die indigenen Gemeinschaften und Organisationen sofort zu beenden".

Nach den Aussagen von führenden Vertretern von Indígenaverbänden gingen die Spezialeinheiten bei der Räumungsaktion am Freitag äußerst brutal und unter Einsatz von Schusswaffen gegen die friedlich demonstrierenden Indígenas vor, die zudem von einem Hubschrauber aus beschossen wurden. "Mit einem solchen Eingreifen hatten wir nicht gerechnet. Die Regierung benutzt Kriegswaffen, als wären wir Verbrecher. Wir nennen das Völkermord", so Alberto Pizango, der Vorsitzende der indigenen Dachorganisation Aidesep (Interethnischen Vereinigung für die Entwicklung des Regenwaldes). Pizango wird von der Regierung gesucht und hält sich seit Freitag versteckt.

Der Vorwurf der Regierung, die indigenen Demonstranten selbst hätten Schusswaffen eingesetzt, was die durch Kugeln getöteten Polizisten schließlich bewiesen, wurde von den Indígenavertretern zurückgewiesen. Niemand verfüge über Schusswaffen. Die Polizisten seien durch Querschläger und das unkoordinierte und brutale Vorgehen der eigenen Kollegen getötet worden, so deren Antwort.

Die indigenen Gemeinschaften protestieren bereits seit Anfang April gegen die Umsetzung eines Freihandelsabkommen mit den USA. Sie wehren sich gegen die darin gemachten Zugeständnisse an transnationale Unternehmen bei der Ausbeutung der Bodenschätze in ihren Lebensräumen. Diese hatte die Regierung mit neuen Gesetzen zur Nutzung des Waldes und der Wasserreservoirs vom Parlament absegnen lassen. Die Proteste in der peruanischen Amazonasregion halten derweil an. Bei der Ortschaft Yurimaguas blockieren die indigene Demonstranten weiterhin die Landstraße.

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9 Kommentare

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  • A
    agorasupporter

    und die Bundesregierung schweigt. Stellt sie zur Rede und stimmt ab unter:

    http://www.direktzu.de/kanzlerin/messages/21438

  • B
    bichette

    blindwütiger kapitalismus - so kann man die extrem schlechte soziale situation in dieser gegend beschreiben. firmen aus den usa und europa treten als ausbeuter an, um den dortigen menschen das letzte recht noch zu nehmen: die demonstration gegen die übelsten methoden eines ellenbogen-kapitalismus.

  • TU
    Thomas Ullrich

    Vielen Dank für diese interessante Berichterstattung! Und für die Möglichkeit dazu Kommentare zu schreiben. Auch mich hat der Bericht schockiert und er zeigt wieder einmal wie sehr die indigenas immer wieder in ihren Belangen mißachtet, durch Gewalt bedroht und politisch unterdrückt werden. In diesem Fall gar massakriert werden... ich hätte das in der heutigen Zeit nicht mehr für möglich gehalten.. es wird Zeit, dass in Peru auch ein Indigener die Regierung stellt!! (Wie in Bolivien).

  • TB
    T B

    Ich bin zutiefst getroffen, ich war selbst gerade ein halbes Jahr in Peru und über Weihnachten in Bagua Grande.

    Weiß Jemand, wie man die índigenas aus dem Amazonasgebiet von Deutschland aus unterstützen kann? Sind konkret auf diesen Vorfall gemünzte Soli-Aktionen geplant?

    Danke, tom

  • D
    D.R.

    Nach Angaben der Meche Cabanillas (Innemninisterin) waren es 12 Tote Polizisten bei den Gefechten +9+x (x=bisher vermisste) Polizisten bei der Racheaktion der Indígenas bei der Besetzung der Estación 6 des Oleoducto Nor Peruano. Unter den Indígenas waren übrigens zahlreiche, die Militärdienst geleistet hatten und Ahnung von der Bedienung von AKM hatten. Beim Überfall auf die Estación 6 hatten sie mind. 30 AKM mitgehen lassen, beim Überfall auf die Polizeistation am vergangen Freitag ebenfalls eine noch nicht bestätigte Anzahl Maschinengewehren. Zudem gab es nur wenige Tage vor den Zusammenstössen einen Massenausbruch aus dem San Humberto-Gefängnis von B. Grande, wo auch eine Hand voll Maschinengewehre verschwunden sind. Ich selbst weiss, dass die Polizei begonnen hat, Tränengasgranaten aus dem Hubschrauber abzuwerfen, obwohl die Indígena friedlich protestierten (ich war vor Ort). Aber einige Indígena hatten nicht nur Waffen, sondern auch die Ausbildung, diese einzusetzen. Dass so viele Polizisten durch Querschläger von Schüssen der Polizei starben, halte ich für unmöglich. Gleichzeitig sind die Speere, mit denen sie bewaffnet waren (bzw. sind) durchaus tödlich.

     

    Was in der deutschsprachigen Berichterstattung eher untergeht ist, dass das Problem "Minería" bzw. "Erdöl" hier nicht das Kernproblem war. Das Problem war, dass die peruanische Regierung (die ja Gesetze machen durfte, um das peruanische Recht TLC Peru-USA-Konform zu gestallten,

    1. Auch Gesetze erlassen hat, die nicht direkt was mit dem TLC zu tun hatten

    2. Nach der peruanischen Verfassung (bzw. internationalem Recht gleichen Ranges) die Indígena hätte konsultieren müssen, um in bestimmten Bereichen Gesetze zu erlassen, was aber unterblieben ist.

     

    Ein weiteres Problem war wohl auch die Tatsache, dass hauptsächlich junge Polizisten mit kaum Erfahrung geschickt wurden, um die Fernando-Belaunde-Terry-Strasse zu räumen, für die eine richtige Einschätzung der Lage nicht möglich war. Die (nicht gerade als regierungskritisch bekannte) Tageszeitung "La Primera" druckte heute zahlreiche Interviews mit Angehörigen der gefallenen Polizisten, in denen sie von "Kanonenfutter" sprechen.

    Gleichzeitig sieht man in Peru dieser Tage eine extreme Polarisierung der Medien. In der Hauptstadt Lima kommt das Wort "Indígena" nur noch in Verbindung mit "Barbarie", "Asesino" (Mörder) etc. vor, Fotos der gefallenen Polizisten sind omnipräsent. In Amazonas und Cajamarca dagegen findet man überall Fotos der gefallenen Indígena.

    Abschliessend noch ein kleiner Hinweis: Mitarbeiter des Elektrizitätsunternehmens "Electronorte" bestätigten, dass am vergangenen Freitag an einigen Orten der Region Amazonas (Bagua Grande, Bagua Chica, Chachapoyas) auf direkten Befehl der Regierung der Strom abgestellt wurde, um lokale Berichterstattung zu verhindern. Leider mit Erfolg. Seit Freitag Nachmittag herrscht in der gesamten Region Amazonas Ausgangssperre (inkl. Schiessbefehl), allerdings wird diese "nur" in Bagua und Utcubamba auch durchgesetzt. Zudem gilt die Ausgangssperre seit heute "nur" noch von 18-06 Uhr. Überall in Bagua patroulliert Militär.

  • M
    mitlaeufer1it

    Objektiwität wahr und ist nimals eure stärke gewesen .Was ist mit Morales?und Chaves?in bwelche ecke missbrauchen sie die natur risource ?wenn nicht die Amazonas gebite wie heissen sie denn ,und ist das trotzdem keine natur schaendung ?sind keinen Indigene mehr im Venezuela und Bolivien?

  • KI
    karl ilnyzckyj

    Schade, dass sicht Jürgen Vogt nicht getraut, die "transnationalen Konzerne" beim Namen zu nennen.

  • M
    m.b.

    Ja, da stimme ich nur zu. Es hat eben nur noch kaum jemand verstanden, dass wir mit der Zerstörung von Urwald, dem Raubbau an der Natur, dem hohen Energieverbrauch einer Erdbevölkerungsminderheit (ca 20- 30%), davon ausgehen können, für unsere Kinder keine freie Welt hinterlassen zu können. Das wissen auch die Indigenas, vielleicht mehr, als jeder Studierte Intellektuelle Westler. Garnicht zu reden , davon, dass wir in eine immer größere Armutslage und dadurch Konfliktlage geraten werden, die die momentanen Kriegswahrscheinlchkeiten erheblich steigern werden. die weltweite Aufrüstung ist gigantisch, im vergleich zu vorhergehenden Jahrzehten. Die Schere zwischen Arm und Reich nimmt erheblich zu, die Krise hat bisher kein Umdenken, geschweigedenn eine veränderete, neue Weltsicht hervorgebracht. Ich frage mich langsam, wo die ganzen Intellektuellen, die kritischen Wissenschaftler bleiben, die uns helfen könnten umzudenken? Oder wird es das in unsere Geschichte nicht mehr geben?

    Wer mal Abstand nimmt und sich alles beschaut, der kann so nur auf das Ergebnis kommen, dass freie Marktwirtschaft und Umweltschutz/ Humanität, nicht vereinbar sind.

    Das sind Dinge, die mir zu solchen Ereignissen nur einfallen... meine Unterstützung haben die Indigenas!

  • N
    nr104

    Zutiefst beunruhigend ist die politische Botschaft, die von den Vorfällen ausgeht; dass Alan Garcia korrupt und kriminell ist, und auch, dass die APRA ihre Eigeninteressen normalerweise vorrangig berücksichtigt, ist nicht neu.

    Neu und erschreckend ist hingegen die Dimension die, die Missachtung von Menschenrecht und der Grundprinzipien aller Rechtsstaatlichkeit hier genommen hat, denn es handelt sich offensichtlich um ein – von der Regierung toleriertes, vielleicht auch gewolltes - Polizeimassaker an allenfalls mit Holzlanzen und Speeren bewaffneten Personen, die sich in gewaltfreiem Protest befanden. Die Behauptung Indios hätten mit Schusswaffen das Feuer auf Polizisten eröffnet, ist meiner Meinung nach abwegig.

     

    Soweit ich weiß, hat es vergleichbare Vorfälle in Peru seit der Ära Fujimori nicht mehr gegeben. Auch die parteieinheitliche Linie der Regierungspartei APRA, mit der Versucht wird die Indigenen als Auslöser der Gewalt und als Terroristen zu diffamieren hat wenig mit demokratischen Grundprinzipien gemein; es wird von Regierungsseite unter Nutzung staatlicher Medien versucht eine ethnische Minderheit zu kriminalisieren, um ihnen ihre Rechte und Gebietsansprüche streitig zu machen.

     

    Tatsache ist, dass aus Profitgier (peruanische Regierungsdekrete und Freihandelsabkommen mit den USA lassen Grüßen) im Mittun, oder unter den Augen der Regierung, die Ressourcen des Regenwaldes ausgeschlachtet werden sollen - auf Kosten der ohnehin ärmsten Bevölkerungsgruppen Perus.