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Medizinethiker zu Mensch-Tier-MischwesenDie Züchtung der Menschenwürde

Erbgut von Mensch und Tier wird immer häufiger gekreuzt. Der Wiener Medizinethiker Matthias Beck warnt vor gentechnisch erzeugten Mischwesen.

Kelly betrachtet ihre neue Nase: Um menschlicher zu wirken wurde ihr für den Film "Flucht vom Planet der Affen" (1971) ein Exemplar aus Plastik aufgesetzt. Bild: ap
Interview von Thomas Schmid

taz: Herr Beck, der Deutsche Ethikrat diskutiert zurzeit Chancen und Risiken gentechnisch erzeugter Mischwesen aus Mensch und Tier. Warum?

Matthias Beck: Weil das in der Forschung schon seit einigen Jahren gemacht wird, die Koreaner haben 2006 damit angefangen. Ganz aktuell ist das Thema, seit die Engländer dazu im vergangenen Jahr ein Gesetz verabschiedet haben, das deren Herstellung für die Forschung erlaubt.

Wie muss man sich denn solche Mischwesen vorstellen?

Matthias Beck

53, ist promovierter Arzt und promovierter Theologe. Er habilierte sich mit dem Thema "Mensch-Tier-Wesen und andere alternative Quellen für pluripotente Stammzellen". Seit 2007 ist er Professor für Moraltheologie mit Schwerpunkt Medizinethik an der Universität Wien. Beck nahm auch als Experte an einer Anhörung des Deutschen Ethikrats zur Debatte über gentechnisch erzeugte Mischwesen aus Mensch und Tier teil.

Da gibt es im Wesentlichen zwei Formen. Das Erste sind Lebewesen mit einem gemischten Erbgut in jeder einzelnen Zelle. Man spricht dann von Hybriden. Das, was die Engländer jetzt zugelassen haben, ist ein Spezialfall davon, den man "Cybrids" nennt: In eine entkernte Eizelle einer Kuh oder eines Kaninchens wird ein menschlicher Zellkern implantiert. Man erhält dann ein Lebewesen, bei dem etwa 0,1 Prozent des Erbguts von einem Tier stammen und 99,9 Prozent von einem Menschen. Das Zweite sind die sogenannten Chimären: Lebewesen, bei denen manche Zellen oder Organe von einem Tier stammen und andere von einem Menschen.

Das klingt ein wenig nach Science-Fiction. Aber beide Varianten können bereits hergestellt werden?

Im Falle von Chimären machen wir das ja schon lange: etwa bei der Transplantation einer Herzklappe, die aus einem Schwein stammt. Das sehe ich ethisch allerdings nicht als großes Problem. Schwieriger ist es, wenn man Tierzellen in einen menschlichen Embyro in einem sehr früheren Stadium transplantieren würde. Dann würde sich das nicht auf einzelne Organe beschränken: Der Embryo wäre durchsetzt mit tierischen Zellen. Im Tierversuch hat man so was schon gemacht, Schafembyronen wurden beispielsweise Menschenzellen implantiert.

Sie halten so eine Durchmischung für problematisch?

Ja. Was wäre denn etwa, wenn man einem Affenembryo im zweiten oder dritten Monat - also wenn das Hirn bereits vorhanden ist - gezielt bestimmte Hirnzellen vom Menschen einspritzen würde? In den Achtzigern hat man Wachtelzellen in Hühnerembryonen implantiert. Die geschlüpften Hühner zeigten dann Kopfnickbewegungen und Laute, wie sie für Wachteln typisch sind. Es wurden also Eigenschaften transferiert.

Die "Cybrid"-Mischwesen dürfen in England zu Forschungszwecken hergestellt werden. Spricht etwas dagegen, das auch in Deutschland zu erlauben?

Bisherige Versuche legen den Schluss nahe, dass "Cybrids" vermutlich maximal 14 Tage leben können. Es handelt sich dabei aber meiner Meinung nach um einen menschlichen Embryo, der schwer beschädigt ist und ein Ablaufdatum hat. Er ist in seiner Ausreifung behindert.

Was ist ethisch problematischer: einem Menschen tierische Eigenschaften zu verleihen oder einem Tier menschliche?

Das sind zwei verschiedene Probleme. Wir machen in unserer westlichen, christlichen Tradition ja sowohl philosophisch, theologisch als auch juristisch einen Unterschied zwischen Mensch und Tier. Wenn man Menschenzellen in Mäuse einpflanzt, halte ich das ethisch für nicht so bedeutsam. Umgekehrt einem Menschen tierische Zellen zu implantieren halte ich für deutlich problematischer.

Das schließt menschliche Embryonen mit ein?

Sobald Samen und Eizelle verschmelzen, existiert menschliches Leben. Und diesem Menschen kommt Würde zu: Ein Embryo darf nur hergestellt werden, damit daraus ein Mensch wird. Würde man etwa Embryonen aus Mensch und Affe für die Forschung erzeugen, würden diese ja grade nicht zur Ausreifung kommen. In der Philosophie spricht man dann von einer "Totalverzweckung" des Embyros.

Menschen und Affen können in der Natur keine gemeinsamen Nachkommen bekommen. Sollte man solche Grenzüberschreitungen im Labor verbieten?

Ich würde es nicht grundsätzlich ablehnen, eine Herzklappe oder vielleicht ein Gen in einen Menschen zu implantieren - nur weil es aus einem Tier kommt. Sagen wir, wir könnten Morbus Parkinson behandeln, indem wir dem Patienten ein tierisches Gen implantieren. Dann täte ich mich schwer, ethisch dagegen etwas einzuwenden. Anders sehe ich das, wenn ein eingebrachtes tierisches Gen eine Eigenschaft so verändert, dass sie dem Mensch nicht mehr entspricht.

Wo würden Sie denn da eine Trennlinie ziehen?

Der letzte ethische Grund ist für mich, ob das Einbringen eines tierischen Gens dem Menschen nutzt oder schadet.

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • DS
    Das Selbst

    Mir würden dazu ein paar nette Erscheinungne einfallen.

    Instinkte eines Kampfhundes in Menschengestalt für Krieg.

    Eines Pferdes für die Arbeit uvm.

     

    Ja die Zukunft wird immer rosiger.

  • DP
    Daniel Preissler

    @ Anne

    Wir sind Menschen, daher haben ein Recht zu entscheiden, dass Menschen für uns (nicht für die Natur, die du vielleicht Schöpfung nennen würdest) mehr wert sind als Tiere. Davon lässt sich für mich allerdings nicht ableiten, bei anderen Gruppen (sprachlich, kulturell etc.) eine ähnliche Entscheidung zu treffen. Das ist für mich etwas anderes.

    Ich halte deine Schlussfolgerung allerdings für richtig (dass diese Art der Forschung in Teilen falsch und im Rest hochproblematisch ist). Allerdings muss ich fragen, in welcher anderen menschlichen Gesellschaft diese Forschung wahrscheinlicher wäre als in der "christlich-westlichen". Die einzige, auf die das mMn zutreffen würde, wäre die "christlich-östliche" gewesen, und die gibt es ja so nicht mehr (der Gedanke, man könnte den perfekten Menschen für das perfekte System schaffen, ist dem Kommunismus näher).

    Ich denke, "Evangelistus" hat Recht: "Menschlich ist jedenfalls, zu machen, was machbar ist.

    Zum Guten, wie zum Bösen."

  • E
    Evangelistus

    @ Anne R.:

    Ja, wir sind Gott.

     

    Und wir haben den Fluch der Erkenntnis über Gut und Böse auf uns geladen, wenn man so will.

     

    Menschlich ist jedenfalls, zu machen, was machbar ist.

    Zum Guten, wie zum Bösen.

     

    Auch wenn dabei Chimären entstehen, die man sich früher nur in wildesten Alpträumen vorstellen konnte.

  • E
    Euthanasist

    Die Macht des Stärkeren.

  • AR
    Anne R.

    Wer gibt uns das Recht zu entscheiden, ob ein Tier weniger wert ist als ein Mensch? Sind wir Gott? Wie kann man auch nur darüber nachdenken, gentechnisch in das Schicksal von Lebewesen einzugreifen, noch dazu in einer christlich-westlichen Gesellschaft? Und diese veränderten Wesen dann auch noch zu "Forschungszwecken" (ein schöner Euphemismus für anhaltende Qualen und einen frühen Tod im Tierversuchslabor)verwenden wollen? So etwas ist hochgradig anmaßend und schlicht und ergreifend falsch.