Ost-CDU und die DDR: Christdemokraten ohne Gedächtnis
Beim Bundesparteitag redet die CDU über die Verstrickung der Ost-CDU ins SED-System. Aber nur ein bisschen: Der West-CDU ist das Thema egal, die Ost-CDU inszeniert sich als Opfer.
Deutsch im Grundgesetz: Nicht immer blieben die Delegierten des Stuttgarter CDU-Parteitags brav. Ein einziges Mal machten sie ihrem Unmut über fehlendes Profil Luft und stimmten einem Antrag zu, Deutsch als Fremdsprache im Grundgesetz zu verankern. Damit gefährdeten sie den Mitte-Kurs der Parteiführung fürs Wahljahr 2009. Generalsekretär Ronald Pofalla hatte dafür plädiert, von einem Beschluss abzusehen und den Punkt später zusammen mit anderen Verfassungsänderungen zu diskutieren. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller widersprach: Die Partei müsse sich klar dazu bekennen, "was den Staat ausmacht".
Umweltschutz: Einem Antrag aus dem baden-württembergischen Landesverband folgend, sprachen sich die Delegierten mehrheitlich gegen den Neubau von Atomkraftwerken aus. Die Parteiführung hatte in ihrem Papier "Bewahrung der Schöpfung. Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz" eine solche Festlegung vermieden. Die Forderung nach längeren Laufzeiten für bestehende Kraftwerke bleibt aber bestehen. Nicht durchsetzen konnten sich die Baden-Württemberger dagegen mit ihrem Wunsch nach einer Abgabe auf Flugtickets zugunsten des Klimaschutzes. RAB
Man kann nicht sagen, die CDU hätte am Dienstag auf ihrem Stuttgarter Parteitag nicht über ihre Vergangenheit als Blockpartei debattiert. Es ist nur so, dass die Debatte aus einem einzigen Redebeitrag bestand. Es sprach Fritz Niedergesäß, Parteivorsitzender im Berliner Stadtbezirk Treptow-Köpenick, Mitglied der ostdeutschen CDU seit 1983.
"Wir dürfen uns von diesen Halunken nicht vorführen lassen", erklärte Niedergesäß. Zu den Halunken zählte er unter anderem den sächsischen SPD-Politiker Karl Nolle, der die neue Debatte um den sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich angestoßen hatte. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob Tillich bei seiner Berufung zum Minister einen Fragebogen korrekt ausgefüllt hat. Die Dresdener Staatskanzlei will das Dokument nicht herausgeben.
Mit solchen Einzelheiten hielt sich Niedergesäß nicht auf. Bei der Ost-CDU, dozierte er, habe es sich quasi um eine Oppositionspartei gehandelt. "Die hauten so auf die SED ein, da flogen richtig die Fetzen", berichtete er. "Wir dürfen es uns nicht gefallen lassen, dass wir für die Verbrechen der SED mitverantwortlich gemacht werden." Als Beweis für die fehlende Verstrickung der CDU berlinerte er: "Von der CDU saß keena im Politbüro." Nun gut, es war ja auch das Politbüro der SED.
Die Tagung leitete niemand anderes als Tillich selbst, zum Zeichen, dass sich die CDU von der Debatte nicht beeindrucken lässt. "Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor", konnte er nach der Einlassung des Kollegen Niedergesäß beruhigt feststellen. Nach einem kurzen Geplänkel um Änderungsanträge schritt er zur Abstimmung. Gegenstimmen? Enthaltungen? Keine. "Damit ist der Antrag beschlossen."
Bemerkenswert einsilbig gaben sich die Christdemokraten beim Thema Blockflöten, anders als Steuerstreit und Wirtschaftskrise spielte die Debatte auch in den Flurgesprächen keine große Rolle. Das winzige Häuflein ostdeutscher Delegierter, das im Verhältnis zur riesigen Gesandtschaft aus NRW nicht weiter auffiel, hielt das Ganze sowieso für eine Kampagne aus dem Westen. Die Westler wiederum konnten sich unter der Babelsberger Akademie für Staat und Recht nicht wirklich etwas vorstellen, deren Besuch Tillich erst mit Verspätung einräumte.
Immerhin, ein klitzekleines Zugeständnis an die Kritiker gab es. Zwar wird die Ost-CDU in dem Antrag "Geteilt. Vereint. Gemeinsam. Perspektiven für den Osten Deutschlands" noch immer, wie geplant, überwiegend als Opfer dargestellt. "Von aufrechten Frauen und Männern gegründet, war die CDU in der sowjetischen Besatzungszone bereits kurz nach ihrer Gründung schweren Repressalien ausgesetzt", heißt es dort. "Viele aufrechte Freunde hielten die Idee der christlichen Demokratie auch in Zeiten der Diktatur wach." Dann aber folgt der Satz, den die Parteispitze sich abgerungen hat: "Gleichwohl hat die CDU in der DDR im totalitären System der SED-Diktatur mitgewirkt."
Auch die Thüringer Landtagspräsidentin Dagmar Schipanski, die das Papier erarbeitete und die fatale Debatte damit auslöste, ging auf den Streit nur am Rande ein. "Gleichgeschaltete Parteien sind aber nicht Oppositionsparteien", sagte sie - ohne zu erwähnen, dass sich die CDU gerade als solche immer gern gerierte. Doch durch die Tillich-Diskussion drängten sich in Schipanskis ganzer Rede unfreiwillige Bezüge auf. "Demenz ist eine schlimme Krankheit für einen Einzelnen. Noch schlimmer ist sie für ein ganzes Volk", begründete sie die Forderung nach mehr DDR-Geschichte an Schulen. Von der Demenz einer ganzen Partei sprach sie hingegen nicht.
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