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Stadtanalytiker über Berliner Stadtschloss"Schluss mit den Spiegelfechtereien"

Architekturdebatte in einer neurotischen Stadt: Ein Gespräch mit dem Stadtanalytiker Dieter Hoffmann-Axthelm über das Berliner Stadtschloss und das Humboldtforum.

"Ein Riesenbündel, das mühsam zusammengehalten wird": Die Humboldtbox am Berliner Schlossplatz. Bild: dpa
Ingo Arend
Interview von Ingo Arend

taz: Herr Hoffmann-Axthelm, das kubistische Gebilde der Humboldt-Box auf dem Schlossplatz in Berlin ist ja ein ungewohnt modernistischer Anblick auf diesem geschichtsgesättigten Rasen.

Dieter Hoffmann-Axthelm: Das ist doch ein schöner Kontrast. Es sieht aus wie ein Riesenbündel, das mühsam zusammengehalten wird. Insofern ist es ein gutes Abbild der Situation.

Was meinen Sie damit?

In dem Sinne, dass an dieser Stelle sehr disparate Dinge zusammengezwungen werden. Auf der einen Seite das Memorialprojekt Schloss, auf der anderen das Museum. Ich bin Schlossbefürworter aus psychologischen Gründen. Weil es für die Berliner wichtig ist, dass der historische Ort wieder besetzt wird, statt der heutigen Leere. Das ist kein Architekturproblem. Im Zentrum steht die Frage: Wie baut man eigentlich eine historische Reminiszenz auf? Also ein Erinnerungsobjekt, das auch durch moderne Architektur nicht zu ersetzen ist, das wir aber als ein Stück Rückbindung brauchen. Es wäre sinnvoll gewesen, das sehr langsam anzugehen, als Work in Progress.

Vergangene Woche hat der Bundestag die erhöhten Baukosten für das Schloss bewilligt. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.

Das ist noch nicht mal die Kostenrate für den Wiederaufbau der Staatsbibliothek Unter den Linden. Darüber spricht keiner.

Dieter Hoffmann-Axthelm

geboren 1940 in Berlin, gilt als einer der profiliertesten Stadttheoretiker in Deutschland. Seit 1975 gehörte der Doktor der Theologie zu den Redaktionen der Fachpublikationen Ästhetik und Kommunikation und Arch+. Neben seiner stadtbezogenen Publizistik arbeitete Hoffmann-Axthelm, Träger des Bundesverdienstkreuzes, aber auch als freier Stadtplaner in Berlin, Brandenburg und Kassel. Er ist Mitglied keiner Akademie, wissenschaftlichen Gesellschaft, Partei, Kammer, keines Verbandes und Stiftungsbeirats.

Sind 590 Millionen Euro nicht trotzdem eine Menge Geld für ein falsches Schloss? Dafür könnte man das ganze Kopfsteinpflaster in Neukölln vergolden lassen.

Das Geld wird nicht für das Schloss ausgegeben. Sondern für ein Museum. Die Summe ist der Größe des Vorhabens durchaus angemessen. Und eine Gesellschaft, die sich überhaupt nicht mehr traut, irgendeinen Großbau hinzustellen, und das Geld stattdessen für die Renovierung von Schultoiletten ausgeben will, ist vielleicht auch nicht auf dem richtigen Dampfer.

Dem Palast der Republik scheinen Sie nicht nachzutrauern?

Nein. Der Palast war keine architektonische Glanzleistung. Und städtebaulich war er ein Fehler. Das sahen schon die DDR-Planer so. Ich habe damals dafür geworben, einiges davon stehen zu lassen, sozusagen eine Verzahnung von Schloss und Palast. Schon deshalb, weil der Palast auch die Reste des gotischen Schlosses vernichtet hat und nun, nach Abriss des Palasts, neu erfunden werden musste. Die Lösung von Franco Stella aber greift daneben: eine Schaufront, wo sonst nichts ist.

Sie haben zu Beginn der neunziger Jahre für ein "Projekt Wiederaufbau" am Berliner Schloss plädiert, das Schloss und Palast in eine Art nationales Erinnerungsprojekt integriert. Herausgekommen wäre ein Haus, das diesen kollektiven Lernprozess architektonisch spiegelt. Das können Sie jetzt wohl vergessen?

Ja. Das Schloss war ja kein einheitlicher Entwurf. Sondern ein Streit zwischen verschiedenen Bauideen. Es gab einen gotischen Anteil und einen Renaissance-Korpus. Der wurde mehrfach barock überbaut. Vor Schlüter hat, wie der Bauhistoriker Goerd Peschken dargestellt hat, Nicolaus Tessin, ein anderer Barockmeister, daran gebaut. Schlüter hat dessen Umbau auseinandergenommen und neu zusammengesetzt. Um diese Uneinheitlichkeit darzustellen, braucht man Zeit. Da kann man nicht sagen: Hier haben wir die Fotodokumentation, die verwandeln wir jetzt in einen Plan der Fassaden und wickeln die dann drumherum. Da gehen die Widersprüche der Baugeschichte den Bach runter.

Was bedeutet es für die nationale Identität, dass hier das barocke Stadtschlosses nachgebaut wird?

Ich glaube, da hat man sich auf eine falsche Spur begeben. Diese Überhöhung zum Nationaldenkmal halte ich für vollkommen abwegig. Das geht an der föderalen Struktur des Bismarckreiches vorbei, wo die ganzen anderen Schlösser ja weiter regiert haben. Bis 1918. Das Berliner Schloss ist niemals ein Nationaldenkmal gewesen. In den Moment, wo sich die Nation ein Stück mehr Zentralismus verpasst hat, also 1918, ist das Schloss Museum geworden. Und es war immer ein preußisches Museum.

Dass man da jetzt noch eins draufsetzt und meint, an die Stelle des Kaiser-Wilhelm-Denkmals ein Nationaldenkmal in Form des geplanten Einheitsdenkmals setzen zu müssen, ist absurd. Das Denkmal war eine riesige Angeberei. Aber derjenige, der da auf dem Sockel stand, hat zu Lebzeiten noch verhindert, dass die Bürgerhäuser, die davor standen, abgerissen wurden. Das Vorfeld mit seiner Repräsentativität ist erst unter Willy zwo so inszeniert worden. Das war nur eine kurze Phase. Und die ist ja mit Glanz und Gloria in den Abgrund gestürzt.

Sie wollen die historischen Bürgerhäuser vor dem Schloss wieder aufbauen?

Auf jeden Fall. Weg mit dem Nationaldenkmal. Schluss mit den ganzen Spiegelfechtereien. Und da Häuser bauen. Es geht ja sowieso nur um Zeichengebung. Und dann muss man zeigen: Da hat auch normales bürgerliches Leben sein Recht. Preußen war nicht so, dass da der König war und sonst nichts. Unter den Monarchien in Europa ist es wohl die bürgernaheste gewesen.

Ist die Entscheidung für das Schloss ein Zeichen für den Retrogeist in der Republik?

Das Schloss als solches nicht. Was ich bedenklich finde, ist, dass es als Nationaldenkmal diskutiert wird. Ob wir in einer gigantischen Retrobewegung sind, weiß ich nicht. Retro sagt ja immer: Wir wissen, wohin es zurückgeht. Das wissen wir aber überhaupt nicht. Was ich beobachte, ist eine gigantische Sklerotisierung. Die Politik steht still. Und weiß nicht weiter. Es gibt einen Konservatismus der Moderne. Viele Entwicklungen würde ich unter dem Titel Verzweiflung diskutieren. Wir leben in einer Gesellschaft, die nicht weiß, wo sie hin will. Die Angst hat vor der Zukunft, bei ständigem technischen Vorwärtsstürzen.

der digitalen Revolution …

Das stört sich gegenseitig überhaupt nicht. Das Schloss selbst ist da eigentlich etwas ganz Harmloses. Davor hätte ich keine Angst. Wo bei mir die roten Lichter angehen: diese wahnsinnige Gedenkpolitik. Dass man kaum durch Berlin gehen kann, ohne über irgendwelche Gedenkhäufchen zu stolpern. Man benutzt die Vergangenheit, um Gegenwart zuzudecken.

Apropos retro: Was halten Sie von der Schlossarchitektur Franco Stellas?

Man hat den Entwurf genommen, der am pflegeleichtesten schien. Derjenige, der dem, was man an Nutzung haben will, am wenigsten entgegensteht. Der größte Nachteil am Stella-Entwurf ist für mich, dass er sich überhaupt nicht zum Umfeld verhält. Stella setzt einen Kasten in die Gegend, und das, was am alten Schloss Verbindung mit der Stadt leistete, wird gekappt. Gerade an der Spree, wo man jede Menge Auflösung zugunsten kleiner ziviler Nutzungen hätte schaffen können, gibt es nur diese große Geste, die ins Leere läuft.

Ist das geplante Humboldt-Forums in Stellas Schloss am richtigen Platz?

Wie gesagt: Ich hätte mir gewünscht, dass dieser Ort anders entwickelt wird. Aber wenn schon hauruck, dann ist von den möglichen Lösungen die Humboldt-Variante noch die beste: ein Ort, an dem sich Preußen nicht selbst bespiegelt. Sondern da zeigen wir, dass wir in der globalen Welt angekommen sind. Und dass auch andere Kulturen als die unseren ihren Stellenwert haben. Das setzt aber von der Museumsseite auch einen qualitativen Sprung voraus, hinaus über das bloß Ethnologische. Es kann die gesamte Geschichte der Kolonisierung und der Auseinandersetzung zwischen den Kulturen in der Welt zusammenfassen und daraus ein Fazit ziehen, das über den ethnologischen Ansatz weit hinausgeht.

Aber außen Preußen, innen Weltkulturen. Kann dieser Coup wirklich aufgehen?

Preußen hat seit dem Großen Kurfürsten Kontakte in alle diese Bereiche aufgenommen: China, Türkei. Der Barock ist der Zeitpunkt, wo die großen Expeditionen losgehen. Preußen war auch kein ethnischer Staat wie Schwaben oder Bayern. Preußen ist aus dem gewachsen, was an Menschen herangeholt worden ist. Von daher macht der Ansatz durchaus Sinn.

Aber kann man die ethnologischen Sammlungen in dem Bau präsentieren, ohne in einen neokolonialen Gestus zu verfallen?

Nach diesem Argument müssten Sie auch die Sammlungen in Dahlem von den Aborigines und anderen Völkern neu zusammenstellen lassen. Wenn der vom Kulturstaatsminister bestellte Beirat aus internationalen Fachleuten nicht nur ein Frühstücksdirektorium ist, sondern sich anstrengt, ein solches Konzept zu entwickeln, sehe ich da eine große Chance.

Würden Sie der bösartigen Deutung zustimmen, am Schlossplatz solle das 19. mit dem 21. Jahrhundert kurzgeschlossen werden?

Ich halte es für völlig verfehlt, das Schloss zum Objekt im Streit um Architekturstile zu machen. Das ist eine ganz kleine Fraktion, die meint, Moderne und Architektur sei eine feste Bastion, die gegen die Reaktionäre verteidigt werden muss. Viele Architekten bekommen Zweifel angesichts einer Architektur, die riesige Glaskästen in die Welt setzt, ohne sich um Fragen wie der Zugänglichkeit oder dem körperlichen Empfinden zu kümmern. Ohne mich ganz auf die eine oder andere Seite zu schlagen: Das Schloss hat für mich weder etwas mit Denkmalpflege noch mit Architektur zu tun. Das ist eine rein geschichtstheoretische Frage. Ist es sinnvoll und war es nötig, in einer so neurotischen Stadt wie Berlin an einem zentralen Punkt dieses Gebäude wieder hinzurücken.

Der Streit um das Schloss war lange ein verbissener ideologischer Grabenkampf. Ist es nicht auch ein gutes Zeichen, dass da ein bisschen die Luft raus ist?

Soweit der Grabenkrieg um die Ideologie ging - wer das Schloss will, ist ein Reaktionär, und wer progressiv gesinnt ist, muss für moderne Architektur und gegen das Schloss sein -, war und ist das Unsinn. Ich sehe dahinter das Dilemma der 68er-Linken: Man ist ökonomisch eingetütet. Und pflegt die Ideale, wo es nichts kostet. Wo man noch die Faust hochheben und progressiv sein kann. Es ist aber doch völliger Unsinn, anzunehmen, mit dem Wiederaufbau eines Schlosses würden, ob Berlin, Braunschweig oder Hannover, politische Entscheidungen getroffen. Oder mit moderner Architektur würde man der Demokratie aufhelfen.

An der breiten Bevölkerung scheint diese Diskussion vorbeizugehen?

Der ist das völlig egal. Die will doch wohl das Schloss haben. Ich gehe jede Wette ein: Wenn es steht, wird es ein Massenmagnet sondergleichen.

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18 Kommentare

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  • SG
    Stefan Görlich

    (Wo ist mein Kommentar geblieben? Ich hatte ihn irrtümlich vorhin 2mal gepostet, da ich ihn, obwohl schon eingestellt, nicht gefunden hatte; war keine Absicht)

    Auch wenn es viele hier stört: Tatsache ist, wie Hoffmann-Axthelm auch sagte: Es finanziert der Bund keinen Euro für ein Schloss. Alles, was vom Bund, und in relativ geringem Maß vom Land Berlin kommt, dient zur Errichtung eines Museumsneubaus "Humboldt-Forum". Alle Rekonstruktion, "Schloss" also, wird bis zum letzten Detail zu 100% durch Spenden finanziert.

     

    Auch eine Finanzierung der Rekonstruktionsanteile durch den Bund wäre legitim, wenn der Bundestag es beschlösse, zumal angesichts der deutlichen Mehrheit für den Wiederaufbau in der Bevölkerung durch all die Jahre (übrigens besonders in der jüngeren Generation).

     

    Das ist jedoch kein Thema. Es bleibt also dabei: Das Kostenargument gegen des "teure Schloss"ist keins. Der Bund spart sich sogar das Geld für eine teure moderne Fassade.

  • SG
    Stefan Görlich

    Auch wenn es viele hier stört: Tatsache ist, wie Hoffmann-Axthelm auch sagte: Es finanziert der Bund keinen Euro für ein Schloss. Alles, was vom Bund, und in relativ geringem Maß vom Land Berlin kommt, dient zur Errichtung eines Museumsneubaus "Humboldt-Forum". Alle Rekonstruktion, "Schloss" also, wird bis zum letzten Detail zu 100% durch Spenden finanziert.

     

    Auch eine Finanzierung der Rekonstruktionsanteile durch den Bund wäre legitim, wenn der Bundestag es beschlösse, zumal angesichts der deutlichen Mehrheit für den Wiederaufbau in der Bevölkerung durch all die Jahre (übrigens besonders in der jüngeren Generation).

     

    Das ist jedoch kein Thema. Es bleibt also dabei: Das Kostenargument gegen des "teure Schloss"ist keins. Der Bund spart sich sogar das Geld für eine teure moderne Fassade.ben

  • SG
    Stefan Görlich

    Auch wenn es viele hier stört: Tatsache ist, wie Hoffmann-Axthelm auch sagte: Es finanziert der Bund keinen Euro für ein Schloss. Alles, was vom Bund, und in relativ geringem Maß vom Land Berlin kommt, dient zur Errichtung eines Museumsneubaus "Humboldt-Forum". Alle Rekonstruktion, "Schloss" also, wird bis zum letzten Detail zu 100% durch Spenden finanziert.

     

    Auch eine Finanzierung der Rekonstruktionsanteile durch den Bund wäre legitim, wenn der Bundestag es beschlösse, zumal angesichts der deutlichen Mehrheit für den Wiederaufbau in der Bevölkerung durch all die Jahre (übrigens besonders in der jüngeren Generation).

     

    Das ist jedoch kein Thema. Es bleibt also dabei: Das Kostenargument gegen des "teure Schloss"ist keins. Der Bund spart sich sogar das Geld für eine teure moderne Fassade.

  • EA
    Enzo Aduro

    Ist jetzt das renovieren von Schultoletten schlecht? *verwirrt*

     

    Man sollte die Wiese lassen. Da wo das Schloss stand (exklusive den höfen) könnte man die wiese düngen, so das man die den Grundriss des Schlosses sieht.

     

    Die 590 Millionen reichen sicher für über 10.000 Jahre dünger :-)

     

    Und die Symbolik ist auch besser. "Schatten der vergangenheit etc..."

  • SG
    Stefan Görlich

    (Wo ist mein Kommentar geblieben? Ich hatte ihn irrtümlich vorhin 2mal gepostet, da ich ihn, obwohl schon eingestellt, nicht gefunden hatte; war keine Absicht)

    Auch wenn es viele hier stört: Tatsache ist, wie Hoffmann-Axthelm auch sagte: Es finanziert der Bund keinen Euro für ein Schloss. Alles, was vom Bund, und in relativ geringem Maß vom Land Berlin kommt, dient zur Errichtung eines Museumsneubaus "Humboldt-Forum". Alle Rekonstruktion, "Schloss" also, wird bis zum letzten Detail zu 100% durch Spenden finanziert.

     

    Auch eine Finanzierung der Rekonstruktionsanteile durch den Bund wäre legitim, wenn der Bundestag es beschlösse, zumal angesichts der deutlichen Mehrheit für den Wiederaufbau in der Bevölkerung durch all die Jahre (übrigens besonders in der jüngeren Generation).

     

    Das ist jedoch kein Thema. Es bleibt also dabei: Das Kostenargument gegen des "teure Schloss"ist keins. Der Bund spart sich sogar das Geld für eine teure moderne Fassade.

  • SG
    Stefan Görlich

    Auch wenn es viele hier stört: Tatsache ist, wie Hoffmann-Axthelm auch sagte: Es finanziert der Bund keinen Euro für ein Schloss. Alles, was vom Bund, und in relativ geringem Maß vom Land Berlin kommt, dient zur Errichtung eines Museumsneubaus "Humboldt-Forum". Alle Rekonstruktion, "Schloss" also, wird bis zum letzten Detail zu 100% durch Spenden finanziert.

     

    Auch eine Finanzierung der Rekonstruktionsanteile durch den Bund wäre legitim, wenn der Bundestag es beschlösse, zumal angesichts der deutlichen Mehrheit für den Wiederaufbau in der Bevölkerung durch all die Jahre (übrigens besonders in der jüngeren Generation).

     

    Das ist jedoch kein Thema. Es bleibt also dabei: Das Kostenargument gegen des "teure Schloss"ist keins. Der Bund spart sich sogar das Geld für eine teure moderne Fassade.ben

  • SG
    Stefan Görlich

    Auch wenn es viele hier stört: Tatsache ist, wie Hoffmann-Axthelm auch sagte: Es finanziert der Bund keinen Euro für ein Schloss. Alles, was vom Bund, und in relativ geringem Maß vom Land Berlin kommt, dient zur Errichtung eines Museumsneubaus "Humboldt-Forum". Alle Rekonstruktion, "Schloss" also, wird bis zum letzten Detail zu 100% durch Spenden finanziert.

     

    Auch eine Finanzierung der Rekonstruktionsanteile durch den Bund wäre legitim, wenn der Bundestag es beschlösse, zumal angesichts der deutlichen Mehrheit für den Wiederaufbau in der Bevölkerung durch all die Jahre (übrigens besonders in der jüngeren Generation).

     

    Das ist jedoch kein Thema. Es bleibt also dabei: Das Kostenargument gegen des "teure Schloss"ist keins. Der Bund spart sich sogar das Geld für eine teure moderne Fassade.

  • DF
    Dr. Fuhrmann

    Die Mehrheit (2/3) des Bundestages und die Überzeugungskraft der Argumente (Kultur der gesamten Welt für jedermann offen in Symbiose mit der umgebenen Stadtlandschaft) hat zur Umsetzung dieses großartigen Projekts geführt.

    Es kommt mir ein wenig naiv vor, wenn man eingeplantes Geld an anderer Stelle besser ausgeben sollte. Wo ist da der Anfang und das Ende für solche Umverteilungsideen?

    Demokratische Prozesse sollten doch hingenommen werden können. Oder ist die Freude an Kritik ein eher führende Motiv?

    Vieleicht treffen wir uns wieder, wenn das Humboldtforun-Berliner Schloß fertig ist.

    Das ist dann für (fast) alle ein freudiger Tag.

  • U
    Uli

    Für den Bau solcher staatstragender Monumente haben wir ja sowieso keine Geld. Aber das macht nichts, wir nehmen einfach nochmal Kredite auf. Aus leuter Freude über die gelungenen Bauwerke werden die kommenden Generationen ja sehr gerne die Zinsen dafür bezahlen und damit im Nebeneffekt die auf Dauer notleidenden systemrelevanten Banken unterstützen.

  • R
    Robert

    Dieses Schloß, daß sich weder Berlin noch der Bund leisten können, ist Ausdruck einer Angst, wenn nicht sogar Feigheit vor den aktuellen Herausforderungen. Wenn der Palast nun schon mal aus den üblichen machtpolitischen Gründen abgerissen wurde, dann kann an diesem Ort nichts anderes als ein Haus des 21.Jahrhunderts stehen. Dieses ist das Schloß niemals. Es ist eine Art Bankrotterklärung. Die Architekten, und nicht nur die, sollten eigentlich auf der Barrikade stehen.

     

    Andererseits wußte schon König Kurt von Sachsen:Das Volk will einen König! Einen guten natürlich! Manchmal bestreiten dies zwar einige wenige, aber wenn er dann da ist, sind sie doch auch ganz froh. Und der König braucht halt ein Schloß. Die Schweriner und die Potsdamer u.a. haben das sehr schön verstanden und gehandelt.

  • A
    aLuckyGuy

    ich halte den Wiederaufbau für keine gute Idee und das aus folgenden Grund. So weit mir bekannt ist, hatte das Berliner Stadtschloss bereits seit 1918 keine offizielle Funktion und stand bereits Jahrzehnte vor seiner Zerstörung komplett leer. Mir persönlich fällt nicht ein einziger positiver Aspekt ein, den man mit diesen Gebäude verknüpfen könnte. Weder der preußische Millitarismus noch die deutsche Monarchie die immerhin zu einen der verheerendsten und schlimmsten Weltkriege aller Zeiten geführt hat und für das meiner Meinung nach auch dieses Gebäude steht, würde einen derartig hohen Aufwand des Wiederaufbaues rechtfertigen. Ganz im Gegenteil.

     

    Ausserdem sollte man noch einmal ganz deutlich sagen, es wird eben nicht das Berliner Stadtschloss wiederaufgebaut sondern lediglich ein Betonklotz mit der äusseren Fassade. Das ist ein wichtiger Unterschied. Und das Ganze für mehr als eine halbe Milliarde Euro. Man muss sich das wirklich einmal vorstellen.

     

    Ich habe das Gefühl das man in Zeiten der Krise mal wieder ein nationalistisches Monument braucht. Man möchte zu gerne dort anknüpfen wo nun mal nichts anzuknüpfen ist. Die deutsche Monarchie ist 1918 definitiv und unumstößlich zu Grunde gegangen. Die Errichtung einer demokratischen, freiheitlichen Republik, eine Republik des Friedens und des freien und gegenseitigen Miteinanders – das Berliner Stadtschloss steht für das genau Gegenteil all dessen, was die deutschen Bürger in den letzten 92 Jahren aufgebaut haben.

  • R
    Ralph

    Wie Mara und die meißten meiner Vorredner sehe ich es auch - das Schloß als Ausdruck von Zukunftsangst und Angst vor Veränderung.

  • F
    flohserver

    Was der Bahn beim Projekt Stuttgart 21 vorgehalten wird, dass die späteren Mehrkosten zu Lasten der Allgemeinheit gehen werden, wird dem Besucher der Humbold-Box bei einer Führung als beruhigendes Argument für die Realisierbarkeit des Schlosses verkauft: Wenn einmal angefangen sein wird zu bauen, werden auch die Mehrkosten z.B. für die Kuppeln, die der Bund bis jetzt ausdrücklich nicht finanzieren will, schon vom Bund aufgebracht werden.

    Auch ein Blick von der Humbold-Box bringt die Offenbahrung:

    > http://www.flickr.com/photos/flohserver/5926858044/

  • EA
    Enzo Aduro

    Ist jetzt das renovieren von Schultoletten schlecht? *verwirrt*

     

    Man sollte die Wiese lassen. Da wo das Schloss stand (exklusive den höfen) könnte man die wiese düngen, so das man die den Grundriss des Schlosses sieht.

     

    Die 590 Millionen reichen sicher für über 10.000 Jahre dünger :-)

     

    Und die Symbolik ist auch besser. "Schatten der vergangenheit etc..."

  • H
    harry

    auch nach der Lektüre dieses Interviews scheint es mir nicht nachvollziehbar wieso auf einer Freifläche im 21. Jahrhundert ein Neubau in der technischen und ästhetischen Architektursprache unserer Zeit weniger ein magnetischer Anziehungspunkt sein sollte, als der geplante Nachbau eines Oldtimers. Wenn hier ein Museumsbau entseht (wie im Interwiew betont) und nicht ein Schlossbau dann kann es doch wirklich auch gleich ein zeitgenössischer MUSEUMSBAU sein. Vielleicht sollte man auch in die Diskussion eher junge Theoretiker einbeziehen, als Leute, wie den Interwiewten, der, 1940 geboren, mit dem Angriff auf die immer wieder hervorgezerrten Altlinken 68er doch nur seine ihm wahrscheinlich schon immer verhassten Altersgenossen attakiert. Renommierte Theoretiker sollten auch mal Raum schaffen für neue Ideen. Ich meine N E U E Ideen von neuen Leuten.

  • M
    Maggie

    Erst die Schultoiletten, dann könnt ihr euer Kunstschloß bauen. Den Alltag immer mehr verkommen lassen, für ein Prestigeobjekt weniger?

  • WH
    Werner Heiss

    Berlin braucht kein Stadtschloss sondern einen Zyklopen-Bau. Die Umsetzung von Nietzsches Erkenntnis über die zusammenhänge des menschlichen Wesens. Für Deutschland ein ideologischer Abschluss mit der Nazizeit und ein Übergang zum erfassen des menschliche Verhalten und seiner Wirkungsweise. Ein Platz an dem das gesamte Wissen der Welt zusammen getragen wird und seine Relevanz bewertet wird.

  • M
    Mara

    Warum benötigt Berlin bzw. die deutsche Nation eine Retro-Erinnerung an Symbole vor-demokratischer, kriegstreibender Strukturen? Wenn schon ein Schloss, sollte man nicht gleich Nägel mit Köpfen machen und einen neuen Kaiser ausrufen? Berlin ist voll von Erinnerungen an das Alte und das Undemokratische. Die Sehnsucht nach disem Bau und damit auch nach scheinbar gewissen Zeiten ist eine Flucht vor der Zukunft. Dieser Bau ist Ausdruck tiefer Verunsicherung durch die Gegenwart und panischer Angst vor der Zukunft. Und der Ruf erschallt: "Seht her ihr Jünger des Neuen, Bürger der vernetzten Demokratie, ihr könnt uns unsere Gewissheiten, unsere konservative Weltsicht nicht nehmen, denn wir bauen die Vergangenheit wieder auf!" Eine Gesellschaft, die kein Geld für moderne Schulen hat, aber für Retroschlösser, Rüstungsexporte u.ä. ist eine verlorene Gesellschaft. Es gilt, die Tyrannei der alten Männer zu beenden! Und dann reißen wir das Schloss eben ein zweites Mal ab.