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Kommentar Urteil zu 1-Euro-JobsBessere Arbeit ist möglich

Kommentar von Richard Rother

Die Gerichtsentscheidung ändert nichts an der Fehlkonstruktion der 1-Euro-Jobs. Denn den Betroffenen sollte ein Lohn und keine "Mehraufwandsentschädigung" zustehen.

G enugtuung für 1-Euro-Jobber: Das Bundessozialgericht hat dem Missbrauch der 1-Euro-Jobs einen Riegel vorgeschoben. Wenn die Hartz-IV-Behörden rechtswidrige 1-Euro-Jobs vermitteln, können die betroffenen Hartz-IV-Empfänger mehr Geld für ihre Arbeit verlangen, und zwar von der Behörde. Rechtswidrig sind solche Jobs, wenn sie normale Beschäftigungsverhältnisse verdrängen.

Diese durchaus verbreitete Praxis wird nach dem Urteil erschwert - das ist ein Fortschritt. Dabei darf es aber nicht stehen bleiben. Nun sollte - politisch - ein Umdenken einsetzen: Statt 1-Euro-Jobs brauchen Langzeitarbeitslose Arbeitsstellen mit Perspektive, auch öffentlich geförderte.

Denn die Gerichtsentscheidung ändert nichts an der Fehlkonstruktion der 1-Euro-Jobs, die die rot-grüne Bundesregierung mit schwarz-gelber Unterstützung einführte. 1-Euro-Jobs sind keine "Arbeit", sondern nur "Arbeitsgelegenheit". Den Betroffenen steht kein Lohn zu, sondern nur eine "Mehraufwandsentschädigung". Für viele ist das demütigend.

RICHARD ROTHER ist Redakteur im taz-Ressort Ökologie & Wirtschaft.

Abhilfe könnte ein öffentlicher Beschäftigungssektor schaffen. Es gibt ja sinnvolle Tätigkeiten in den Kommunen und sozialen Einrichtungen, für die kein Geld da ist: etwa als Hausmeister in Sportvereinen, als flexibler Babysitter bei eingeschränkten Kita- und Hortzeiten, als Suppenküchenhelfer oder Seniorenbetreuer.

Der rot-rote Senat in Berlin hat Tausende solcher Stellen geschaffen - sozialversicherungspflichtig und nach Tarif bezahlt, wobei ein Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde gilt. Das ist für den Staat kaum teurer, als Lebenshaltungskosten und Taschengeld für 1-Euro-Jobber zu übernehmen. Für die Betroffenen aber bedeutet solche Arbeit nicht nur mehr Geld, sondern mehr Würde.

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Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.
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2 Kommentare

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  • MN
    Mein Name ist Legion

    Ja klar, kein Geld da. Wenn die Kommunalparlamente ihre Gebühren und Steuern so bemessen, daß sie nur als Futterbasis für ihre Sitzungsgelder, Beamten und öD-ler, ein paar Krippenplätze und das Schwimmbad reichen.

     

    Auf der andern Seite hat es aber auch richtiges Gedrängel und Gejieper nach diesen Micky-Maus-Beschäftigungen gegeben. Eine tolle win-win-Situation.

     

    Mit irgend einer andern fiesen Tour wird die geballte Arbeitslosenzweitverwertungs'industrie' trotzdem weiter an Staatsknete kommen.

     

    Schluß wäre damit nur, wenn der Gesetzgeber die damit verbundene Arbeitsmarkt-Statistikfälschung unterbände (was er nicht tun wird; er hat sie ja so beschlossen) und eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufmachte. Ich schätze, daß gut die Hälfte des Sozialetats nur für die behördliche Repressionsmaschinerie und den Verwertersumpf draufgeht. Hätten die alle selber nur H.IV, wär's billiger.

  • A
    afra

    Endlich kommt Bewegung in diesen Sumpf von Fördermittelmißbrauch durch die Jobcenter. Der Bundesrechnungshof hatte schon festgestellt, dass mindesten 50% der 1-Euro-Jobber keine zusätzliche Tätigkeit ausüben und so Arbeitsplätze blockieren bzw. Neueinstellungen verhindern.Millionen von Steuermitteln fließen jährlich in Form von Eingliederungsmitteln vom Bund an die Länder.Allein der kleine Lankreis Oder-Spree setzte dieses Jahr 4,2 MIllionen Euro zur Beschäftigung von 1-Euro-Jobbern ein. Es wäre nur gerecht, wenn die Länder mit ihren Jobcentern die mißbräuchlich eingesetzen Fördergelder für nicht zusätzliche Tätigkeiten an den Bund zurück zahlen müßten. So könnte der Bund von den abermillionen Euro vielleicht eine richtige Arbeitsförderung für die wirklich willigen Arbeitslosen durchführen.