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Kommentar KapitalfluchtDer Mars hat kein Casino

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Der Abzug von Firmenvermögen kann die Euro-Zone nicht zerstören. Dass Konzerne auf riesigen Barreserven sitzen, ist aber ein Zeichen für eine drohende Rezession.

D iese Nachricht klingt zunächst bedrohlich: Shell will seine Barbestände aus Europa abziehen. Zur Disposition stehen 15 Milliarden Dollar, die der Ölkonzern nun lieber in den USA investieren möchte. Allerdings hat Shell noch nicht endgültig entschieden, wie es sein Barvermögen über den Globus verteilt.

Trotzdem drängt sich eine Frage auf: Wenn Großkonzerne die Eurozone verlassen – ist die Gemeinschaftswährung dann am Ende? Da kann Entwarnung gegeben werden. Der Euro kann durch Fluchtbewegungen nicht zerstört werden. Selbst wenn alle Firmen aus dem Euro fliehen wollten – sie wären gefangen. Denn es würde sich die banale Frage stellen: Wo sollen sie mit ihrem Fluchtgeld hin?

Die Firmen können ihre Barschaften nicht auf dem Mars anlegen, und auf der Erde ist selbst der Dollarraum zu klein, um alle Euros zu absorbieren. Konsequenz: Falls viele Unternehmen wie Shell fliehen wollen, würde der Dollarkurs so stark steigen, dass es sich bald nicht mehr lohnte, den Euro zu verlassen. Die Flucht würde wieder enden. Genau deswegen wurde der Euro übrigens gegründet: Man wollte einen Währungsraum schaffen, der groß genug ist, um gegen Spekulationen weitgehend abgesichert zu sein.

Bild: taz
ULRIKE HERRMANN

ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

An Shells publizierten Fluchtgedanken ist daher ein anderer Aspekt interessant: Es ist bemerkenswert, dass das Unternehmen so viele Milliarden besitzt, die es auf den Finanzmärkten anlegen will. Die Firma ist keine Bank, benimmt sich aber wie eine. Dies ist kein Einzelfall. Alle Großkonzerne verfügen über enorme Barreserven.

Dies mag gesund aussehen, ist aber krank. Statt in die Produktion zu investieren, horten die Firmen ihr Geld. Das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass eine Rezession droht.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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7 Kommentare

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  • K
    Katze

    Die Großkonzerne verhalten sich so, wie Elefanten in einem Porzellanladen !

  • D
    Detlev

    Eine Rezession ist wahrscheinlich längst auch in Deutschland im Beginn. Wenn die Währung EURO so skeptische auf den Märkten betrachtet wird, ziehen Investoren direkte Investitionen erst mal zurück. Sie warten ab, was passiert und welche Konsequenzen das für sie haben könnte. Das ist normal. Das Problem liegt aber darin, dass sich bisher die Euro-Krise nicht auflösen lies, die Gefahren und Risiken sind immer noch hoch oder werden sogar größer. Das bremst nun erst recht Investitionen und damit Wachstum.

     

    Dass Konzerne jetzt solche Ankündigungen machen, ist an sich schon interessant, denn 1. geht es nicht, jedenfalls nicht für jeden Konzern, 2. es steigert den Wert des Dollars, bis es sinnlos wird, diese Währung noch weiter zu kaufen und 3. die Konzerne sind viel zu sehr in die Euro-Zone eingebunden. Wenn sie wirklich ihre Barvermögen hier abziehen, bleibt die Frage nach Wachstum, Beschäftigung und Entwicklung im Euro-Raum trotzdem und damit auch nach der eigenen Perfomance im Euro-Raum.

     

    Interessant wird die Frage, ob selbst solche Konzerne Einsicht haben, dass Europa andere Wirtschaftspolitik (und Wirtschaftspolitiker) braucht, denn das bisherige Rettung-Versuchen, ist leicht als stümperhaftes Herumstochern zu erkennen. Bislang ist die Euro-Krise absolut nicht gelöst. Es drohen sogar neue Abwertungen durch Ratingagenturen und neue Defizitverkündigungen durch bisher nicht genannte Staaten (wie zuletzt Slowenien).

  • S
    Siegfried

    Sag ich doch die ganze Zeit!! Die Geldsäcke werden den Teufel tun und ihr Kapital aus Europa abziehen.

     

    Ausgerechnet nach USA sollen die Gelder gehen? Dort ist man doch schon lange pleite. Mit dem immer noch einigermaßen soliden Europa kann der Reiche nichts falsch machen, denn auf gute Geschäfte will er ja nicht verzichten.

     

    Und noch was: Wenn die Großkonzerne ihr Geld lieber horten als in ihre Firmen zu investieren, was haben wir dann davon? Nichts!!

     

    In erster Linie liegt es doch an der Europa-Politik diesen Herrschaften endlich die Zähne zu zeigen.

     

    Leute lasst Euch nicht so verunsichern. Wird Zeit, dass wir uns den "Driver-Seat" zurück holen.

     

    Und bei der Gelegenheit kann das Volk mal der Politik die Zähne zeigen: 2013 wählen gehen und zwar nicht konservativ!!!!

  • OW
    Ohne Worte
  • H
    Helga

    "Dies mag gesund aussehen, ist aber krank. Statt in die Produktion zu investieren, horten die Firmen ihr Geld. Das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass eine Rezession droht" - das ist ja nur noch peinlich, was die grandiose Redakteuse hier absondert. Wie kann man so etwas Peinliches denn veröffentlichen? Faktenfrei, völlig dumm, sachlich grotesk falsch, einfach mal ohne Nachdenken irgendwas hinschreiben, was so gerade ins Konzept passt. Mein Gott, ist das schlecht.

  • I
    ion

    "Die Firmen können ihre Barschaften nicht auf dem Mars anlegen,";

    Wenn Sie sich da man nicht täuschen:

     

    http://www.marsterritory.com/

    http://www.marsterritory.com/mars_terr_demo.html

     

  • G
    Gallier

    Es stimmt, dass nicht mehr viel investiert wird und daher eine Rezession vor der Tür steht. Wo und weshalb auch investieren? Europa muss sich doch wegen dem Euro kaputtsparen.