Umweltverbrechen in Norditalien: Kalkulierte Ölpest
Zehn Millionen Liter Öl sind in einem Nebenfluss des Po entsorgt worden. Schäden wie bei einer Tankerkatastrophe werfen das Ökosystem um Jahre zurück.
ROM taz | Ein glänzender schwarzer Film auf der Wasseroberfläche, hunderte verendende Vögel mit ölverklebtem Gefieder: Es sind Bilder, wie man sie gewöhnlich nach Großtankerkatastrophen auf den Ozeanen sieht. Diesmal aber ist der Lambro, ein Zufluss des Po in Norditalien, von einer Ölpest getroffen, die das örtliche Ökosystem womöglich auf Jahre hinaus schädigt.
Natürlich hatte sich kein Tankerunglück auf dem Flüsschen abgespielt, sondern höchstwahrscheinlich ein Umweltverbrechen in einer stillgelegten Raffinerie bei Monza, nordöstlich von Mailand. Die Lombarda Petroli dient mit ihren Tanks seit einigen Jahren nur noch als Öllager, von den 17 Beschäftigten sind 12 auf Kurzarbeit gesetzt, und ab halb vier Uhr nachts ist niemand mehr auf dem Gelände, das auf mehrere Kilometer von einem löchrigen Zaun eingehegt ist.
Etwa ab vier Uhr früh am Dienstag lief das Öl aus gleich drei Tanks, bis zu zehn Millionen Liter sollen sich in den Lambro ergossen haben. Experten erklärten, ein Unfall sei ausgeschossen: Nur Kenner seien in der Lage, die Vielzahl von Ventilen zu öffnen, um schließlich den Abfluss des Öls zu ermöglichen.
Seit Dienstagvormittag sind nun hunderte Helfer im Einsatz, um die Ölpest einzudämmen. An mehreren Stellen auf dem Lambro errichteten sie Barrieren, um das Öl aufzufangen und dann abzusaugen. Dies gelang jedoch nur teilweise, da der Lambro nach starken Regenfällen auf der Alpensüdseite viel Wasser führt und die starke Strömung es verhindert, dass die schwimmenden Barrieren ihren vollen Effekt entfalten. Da der Lambro in den Po mündet, droht nun auch eine Verseuchung des größten Stroms Italiens. Der Lambro selbst wird auf Jahre hinaus verseucht sein.
Laut der Umweltschutzorganisation WWF sind vor allem Fische sowie Stockenten und Reiher gefährdet, die zurzeit am Ufer des Po anfangen zu brüten. Selbst nach erfolgreichen Rettungsbemühungen und Aufräumarbeiten würden die Folgen anhalten, weil der Po für die Bewässerung der landwirtschaftlich genutzten Region von Bedeutung sei, so der WWF.
Der Fluss mitten in Italiens industriellem Herz war jahrzehntelang eine wahre, mit Chemikalien hoch belastete Kloake. Erst in der jüngsten Vergangenheit war es gelungen, ihn einigermaßen zu sanieren. Diese Arbeiten fangen jetzt wieder bei null an.
Über die Motive für die vorsätzliche Einleitung des Öls lässt sich bisher nur spekulieren. Das große Raffineriegelände bei Monza gilt als interessante Immobilie, deshalb wurde in italienischen Medien die Vermutung geäußert, mit der Katastrophe solle die völlige Schließung der Lombarda Petroli auf rabiate Weise beschleunigt werden.
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