: „Fäkalien sind eben nicht attraktiv“
VERDAUEN Während weltweit mehr Menschen Zugang zu Trinkwasser haben, fehlen Toiletten. Ariane Krause von Ingenieure ohne Grenzen erklärt, was das in Tansania bedeutet: Krankheiten und Gestank
■ 30, ist studierte Wirtschaftsingenieurin und engagiert sich seit 2009 bei Ingenieure ohne Grenzen in Berlin. Seit Januar baut sie in Tansania eine Trockentoilette auf.
taz: Frau Krause, Sie bauen ein Sanitärprojekt in Kagera in Tansania auf. Was haben die Menschen dort vom Weltwasserforum, das diese Woche in Marseille stattfindet?
Ariane Krause: Zumindest, was den Sanitärbereich angeht, sind wir trotz aller Konferenzen weit davon entfernt, dass alle Menschen Zugang zu angemessener Versorgung haben. Das liegt auch an mangelhafter Entwicklungsarbeit. In Äthiopien wurden etwa von deutschen Ingenieuren Luxustoiletten, die Kot und Urin trennen, mit Materialien aus Deutschland gebaut. Aber die Äthiopier wurden nicht miteinbezogen, sodass die Toiletten nach Abzug der Ingenieure nicht mehr benutzt wurden.
Im Sanitärbereich haben viele Entwicklungsländer heute mehr Probleme als bei der Wasserversorgung. Was heißt das für die Menschen?
Vom Gestank mal abgesehen, hat die sanitäre Situation in der Region Kagera auch direkt Einfluss auf Grund- und Oberflächenwasser. Die meisten Leute haben eine Latrinentoilette ohne Fundament, das die Exkremente sicher birgt. Schaut man auf den Kagera-Fluss, sieht man nur noch ein Drittel der Wasserfläche, der Rest ist wegen Fäkalien komplett mit Algen bedeckt. Indem die Menschen das Wasser trinken, nehmen sie die Krankheitserreger auf. Dasselbe passiert, wenn Fliegen von den Latrinen aus in die Wassertanks der Menschen gelangen.
Solche Probleme betreffen in Tansania laut UN knapp 92 Prozent der Bevölkerung. Was muss passieren?
Ein großes Hemmnis ist tatsächlich die Armut. Die Bauern hier haben ein durchschnittliches Jahreseinkommen von unter 400 US-Dollar. Davon müssen sie ihre Familien ernähren und bestenfalls Schulgeld zahlen. Selbst wenn eine Toilette günstig ist, verzichten die Menschen am ehesten darauf. Deshalb muss eine sanitäre Versorgung her, die auch wirtschaftlich Sinn macht für die Bevölkerung.
Wie setzen Sie das um?
Die meisten Leute leben hier von der Landwirtschaft. Für sie unser Konzept interessant, an die Toiletten einen Ofen anzuschließen und die Fäkalien zu ökologischem Dünger zu verarbeiten. Durch Erntegewinne können sich die Bauern vielleicht selbst nachhaltige Toiletten leisten. Langfristig könnten die Farmer die Fäkalien im Dorf zentral an einer Stelle sammeln, kompostieren und sie später als Dünger wieder ausgeben– das Modell Wertstoffhof.
Wie erreichen Sie die Leute?
Indem wir an ihr vorhandenes Wissen und ihre Arbeitsmaterialien anknüpfen. Wir arbeiten in Kagera mit dem ökologischen Bauernverband Mavuno Project zusammen, dort wissen sie sehr viel über nachhaltiges Bodenmanagement. Wir bauen jetzt als Pilotprojekt eine Toilette, einen Ofen und eine Kompostanlage. Wir bilden dabei zwei Arbeitskräfte aus, die ab Mai die Wartung übernehmen und andere ausbilden werden.
Können sich die Tansanier also allein helfen?
Ja. Ich habe von ihnen viel über Nährstoff- und Kohlenstoffkreisläufe gelernt. Studien-Absolventen des technischen Umweltschutzes setzen auch schon seit Jahren selbst Konzepte für Trenntoiletten um. An tansanischen Universitäten forschen Professoren zum Thema. Aber bis es eine flächendeckende sanitäre Versorgung gibt, braucht es sicher noch 30 Jahre und viel Öffentlichkeitsarbeit. Der Umgang mit Fäkalien ist eben nicht attraktiv. INTERVIEW: KAREN GRASS