piwik no script img

Neue Regal-KampagneBauer drängelt sich in den Vordergrund

Der Bauer-Verlag souffliert dem Einzelhandel, wie er sein Sortiment gestalten soll. Der Arbeitskreis mittelständischer Verlage sieht dadurch die publizistische Vielfalt gefährdet.

"Kann man etwa von 10 untersuchten Presseverkaufsstellen wirklich auf 120.000 in ganz Deutschland schließen?" Bild: screenshot sie-haben-die-macht.de

Seit Jahren versucht der Hamburger Bauer-Verlag, die den Handel beliefernden Presse-Grossisten zu umgehen. Er kündigt Verträge mit ihnen, verwendet eigene Vertriebsmethoden, bis die Grossisten klagen, und geht bei einer Niederlage fast schon aus Routine in Berufung. Neuerdings hat das Verlagshaus in dieser Fehde auch das Marketing für sich entdeckt. In der "LEH-Offensive" will der Verlag seine umsatzstarken Titel wie Bravo oder TV Movie im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) besser im Regal platzieren: mit voll sichtbarem Cover.

Im Mittelpunkt der Kampagne steht eine Ende letzter Woche gestartete Webseite mit der vielsagenden Adresse www.sie-haben-die-macht.de. Was nach einem neuen CDU-Slogan klingt, soll mit wenig Fakten und viel Eigenwerbung Lebensmitteleinzelhändler davon überzeugen, ihre Auslagen nach Bauer-Kriterien zu gestalten: "Schaffen Sie Platz für die echten Umsatzbringer in Ihrem Presseregal."

Auf der Webseite funkeln vor vergilbt grünem Hintergrund Bauer-Blätter wie die Frauenzeitschriften tina, bella und Laura den Besuchern entgegen. Neben einer Regalcheckliste - einem simplen Ja/Nein-Ankreuztest - findet sich auf der Seite auch eine vom Hamburger Verlag initiierte Studie. Die Untersuchung der Werbeagentur "Gesellschaft für visuelle Kommunikation mbH" (GVK) legt den Verkäufern nahe, die Titelblätter von "Topsellern" in den Einkaufsregalen vollständig sichtbar zu machen, weil so Umsätze gesteigert werden könnten. In der Übersicht aller "Topseller" finden sich zahlreiche Produkte des Bauer-Verlags. Durch Farblogos stechen sie aus der Liste besonders hervor.

Der Arbeitskreis mittelständischer Verlage (AMV) befürchtet bei der Bauer-Methode eine Gefährdung der publizistischen Vielfalt, da weniger verkaufsstarke Titel an den Rand gedrängt würden. Ein AMV-Sprecher sieht in der Homepage, die durch "argumentative Schlichtheit" auffalle, das i-Tüpfelchen der "Regaloffensive".

"Ich glaube nicht, dass Bauer das leisten kann", moniert auch Kai-Christian Albrecht, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten. Der Verband beschäftigt neben mehreren hundert Außendienstmitarbeiter auch 40 bis 50 Großkundenbetreuer die mit dem Einzelhandel Marketingaspekte wie die Beleuchtung an den Verkaufsstandorten besprechen. Außerdem zweifelt Albrecht an der Aussagekraft der GVK-Studie. "Kann man etwa von 10 untersuchten Presseverkaufsstellen wirklich auf 120.000 in ganz Deutschland schließen?"

Alles Bauer oder was? "Als Verlag will ich meine Titel natürlich nach vorne bringen", sagt Vertriebsleiter Heribert Bertram. Mehrere Richter hätten ihm bestätigt, dass Grossisten bei ihrer Arbeit zwar zu Neutralität verpflichtet wären, Lebensmittelhändler bei der Regalgestaltung am Verkaufsort jedoch nicht. Ratschläge, mit denen sich Umsätze steigern ließen, sind aus seiner Sicht also völlig legitim. "Einzelhändler haben darin oft weniger Know-how als Fachhändler", sagt Bertram. Wenn Kunden die Verkaufsschlager schneller fänden, bliebe auch mehr Zeit zum Stöbern und Entdecken der Produkte kleinerer Verlage, die durch die Bauer-Sortierung an den Rand gedrängt werden, so die Argumentation. Printanzeigen in Fachzeitschriften für den Lebensmittelhandel sollen die Offensive weiter vorantreiben. Bald werden sich zehn zusätzliche Außendienstmitarbeiter des Verlags darum kümmern, dass der Handel die Aktion stärker wahrnimmt.

Dass die Regalgestaltung bei Zeitschriften und Zeitungen im Vergleich zu anderen Verkaufsgütern jedoch besonders wichtig ist, darin sind sich alle einig. Presse-Grosso-Geschäftsführer Albrecht bringt es auf den Punkt: "Presseerzeugnisse sind keine Waschmittel."

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!