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Debatte Finanzkrise PortugalPortugal darf nicht fallen

Kommentar von Gonzalo Boye

Die Staatsverschuldung reißt immer mehr Länder in den Abgrund. Deshalb gehören die großen Ratingagenturen jetzt vor ein Gericht gestellt.

J e stärker sich die Finanzkrise zuspitzt und Länder wie Spanien, Griechenland oder Portugal in Bedrängnis kommen, umso deutlicher wird, dass die Verantwortlichen ebendieser Krise an ihr verdienen wie sonst niemand. Keiner traut sich, dem Einhalt zu gebieten. Es gibt keinerlei Kontrollen oder gar Sanktionen gegen die Urheber der Krise.

Gleichzeitig leiden die einfachen Leute sowie kleine und mittelständische Unternehmen unter immer härteren Sparprogrammen. Deshalb haben wir - verschiedene spanische Juristen, Verbraucherschutzorganisationen mit Unterstützung einiger Parteien - beschlossen, die Ratingagenturen vor Gericht zu bringen.

Es geht uns darum, einen Putschversuch - einen "Marktstreich" - abzuwehren. Wenn das nicht gelingt, droht die Krise die zerbrechlichen demokratischen Grundlagen unserer Gesellschaften zu zerstören.

Um zu verstehen, wie die großen Ratingagenturen (Fitch, Standard & Poors und Moodys) funktionieren und wie sie die Preise auf den Finanzmärkten beeinflussen, indem sie ihre Informationen missbrauchen und dabei sich selbst und andere bereichern, lohnt es sich, zwei Momentaufnahmen der Krise etwas genauer anzuschauen.

Gonzalo Boye

1965 in Chile geboren, ist Anwalt in Madrid. Zusammen mit seinen Kollegen Jaume Asens und Gerardo Pisarello reichte er vor Spaniens oberstem Strafgericht Klage gegen die Ratingagenturen Moodys, Fitch und Standard & Poors ein.

Spekulationsblase in den USA

Gehen wir zuerst einmal zurück ins Jahr 2001. Es war die Zeit des Baubooms in Ländern wie den USA, Großbritannien oder Spanien. Die Aufgabe der Ratingagenturen bestand darin, gegen entsprechende Bezahlung allerlei Finanzprodukte aufzuwerten. Viele dieser Anlagemöglichkeiten waren völlig unsichere Risikohypotheken - sogenannte Subprime-Kredite - und allerlei hochspekulative Produkte. In dieser Zeit verdoppelten Agenturen wie Moodys ihre Einnahmen. Ihr Börsenwert verdreifachte sich im Zeitraum von 2002 bis 2006 sogar. Die Folge war eine Spekulationsblase in der Immobilienbranche. Als diese schließlich platzte, saßen tausende Familien mit einem Schlag auf der Straße.

In den USA wurden deshalb Ermittlungen in mehreren Bundesstaaten aufgenommen; auch der Senat und die Börsenaufsicht leiteten Untersuchungen ein. Den Ratingagenturen wird vorgeworfen, mit nicht nachvollziehbaren Kriterien gearbeitet zu haben. Das Ergebnis waren falsche Informationen, die veröffentlicht wurden, um die eigenen Kunden, die von ebendiesen Agenturen beraten worden waren, zu übervorteilen. Doch dank ihrer wirtschaftlichen und politischen Macht und ihrem Einfluss auf die Medien gelang es den Agenturen, diese Untersuchungen bisher ins Leere laufen zu lassen.

In Europa kam es nicht einmal so weit - schlimmer noch: Im Fall Spaniens übernahm der Staat die Schulden der Banken und Sparkassen. Im Gegenzug gingen die Geldinstitute keinerlei Verpflichtungen ein und wurden nicht für die schwere Krise auf dem Wohnungsmarkt zur Verantwortung gezogen, für die sie mitverantwortlich sind. Doch damit nicht genug. Um die Privatwirtschaft zu retten und gleichzeitig liquide zu bleiben, sahen sich viele Regierungen von Ländern an der Peripherie Europas - darunter Spanien - gezwungen, zusätzliche Staatsanleihen zu verkaufen. Genau in diesem Moment treten die Ratingagenturen erneut auf den Plan.

Wie die Agenturen arbeiten

Bestand ihr Geschäft vor der Krise darin, dubiose Anlageprodukte überzubewerten, widmeten sie sich ab 2010 der ständigen Abwertung der Kreditwürdigkeit von Regierungen und öffentlichen Einrichtungen. Diese sahen sich dadurch gezwungen, den Kreditgebern immer mehr Zugeständnisse zu machen. Der Optimismus der Agenturen in den Jahren des Booms ermöglichte den Kreditgebern gewaltige Gewinne auf Kosten sozialer Rechte wie dem Recht auf Wohnung. Der derzeitige Pessimismus führt zum Kahlschlag aller verbleibenden sozialen Errungenschaften.

Die großen Agenturen messen die Kreditwürdigkeit eines Landes fast ausschließlich daran, welche Vorteile es den Kreditgebern einräumen kann und will und bis zu welchem Punkt die Regierung bereit ist, Sozialausgaben zusammenzukürzen. Je bereitwilliger eine Regierung etwa die Renten einfriert oder den Arbeitsmarkt "flexibilisiert", umso glaubwürdiger ist sie in den Augen der Ratingagenturen.

Die Benotungen der Agenturen sind alles andere als objektiv. Konservative Regierung werden anders bewertet als eine Regierung, die Skrupel hat, wenn es um Sozialabbau geht. Die Kreditwürdigkeit von Ländern wie Griechenland, Spanien oder zuletzt Portugal wurde ebenso unnachgiebig herabgestuft wie die von Ländern in Lateinamerika oder Asien. Gleichzeitig werden die USA oder Frankreich viel großzügiger behandelt. Dies ist kein Zufall. Agenturen wie Moodys, Fitch oder Standard & Poors gehören dort zum politischen und wirtschaftlichen Machtgefüge und üben einen starken Einfluss aus. Sie werden nur schwerlich etwas tun, was genau diese Länder in Bedrängnis bringt.

Worum es uns dabei geht

Das Drama dieser Tage ist, dass die Regierungen, die den Angriffen der Spekulanten am meisten ausgesetzt sind, keinerlei Autorität besitzen, um diese Attacken zu bekämpfen. Zu lange haben sie mit den Verantwortlichen dieser Politik harmonisch zusammengelebt. Aus diesem Grund haben wir uns als Bürgerinitiative zusammengetan, um die Ratingagenturen vor Gericht zu bringen. Wir wollen verhindern, dass eine Oligarchie, die bereit ist, für ihre eigenen politischen und wirtschaftlichen Vorteile die Rechte eines Großteils der Bevölkerung zu opfern, straffrei ausgeht.

Zu ihrer Verteidigung behaupten die Agenturen jetzt, ihre Bewertungen seien nur eine subjektive Meinung und kein verbindliches wirtschaftliches Gutachten. Die Richter werden diese Frage nun klären müssen.

"Das hier ist Klassenkampf, und meine Klasse, die der Reichen, gewinnt", gibt der Multimillionär Warren Buffet, ein Hauptanteilseigner von Moodys, ohne Umschweife zu. Vermutlich hat er recht. Doch wir werden alles tun, um es ihm so schwer wie möglich zu machen, indem wir dafür sorgen, dass er zumindest dieses Mal für seine kriminellen Machenschaften öffentlich Rede und Antwort stehen muss.

Übersetzung: Reiner Wandler

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6 Kommentare

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  • H
    Holländer

    "Zu ihrer Verteidigung behaupten die (Rating-)Agenturen jetzt, ihre Bewertungen seien nur eine subjektive Meinung und kein verbindliches wirtschaftliches Gutachten."

     

    Das ist eine Lüge. Banken müssen Wertpapiere verkaufen wenn die von den Agenturen abgestuft werden, weil die Bewertung der Agenturen als Maß für das Risiko gilt und Banken nicht zu viele Risiken eingehen dürfen.

     

    Dies ist reiner Planwirtschaft. Nicht eine (bestenfalls) unbeteiligte Agentur sollte das Risiko bestimmen sondern die Unternehmer, die das Risiko eingehen, selbst. Das Risiko sollte man ziemlich gut an dem Zinsaufschlag ablesen können.

  • Z
    Zaza

    Der Artikel ist -mit Verlaub- von Sachkunde freie reine Polemik.

     

    Was wäre denn die Alternative? Dass auch Staaten kurz vor dem Bankrott Bestnoten bekämen? AAA für Griechenland? Dann kann mans auch sein lassen.

  • S
    sbunt

    jeder deutsche hat einen anteil von 25.000€ an der staatsverschuldung

    jeder amerikaner schuldet 250.000$

    jeder spanier schuldet unglaubliche 500.000€

    wo zum teufel ist all dieses geld....????

  • L
    Libertiner

    Das Volk macht diesen Mist ja mit! Es wählt ja stets die gleichen Pappnasen, die gegen diese Verbrecher nicht ankommen(oder ankommen wollen). Es sind angeblich die Terroristen, die die Demokratien gefährden.Aber gegen die Rating -Agenturen sind Terroristen Waisenkinder. Diese "Rattenagenturen" zerstören sogar Nationen,

    indem sie das soziale Klima schädigen um Beute zu machen. In welche Welt hat uns diese Kapitalisten Hörigkeit denn gebracht?

  • RM
    Redrum M

    Das Problem von Portugal - und allen anderen Finanzblasenopfern - mal ganz anders erklärt. Mit faulen Orangen und so - sehr amüsant: www.vimeo.com/22218240

  • M
    Maddin

    So sehr der Mann auch recht hat, so sehr auch seine "Vergangenheit" fragwürdig scheint, so sehr würde es mich freuen, wenn es mehr Informationen zu dieser Bürgerinitiative gäbe (Name, Internetauftritt, sonstwas).

     

    Wäre nett, wenn es dazu nicht einen kleinen Hinweis gibt.

     

    Grüßes