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Dauerstreit um VorratsdatenspeicherungDie sture FDP

Die EU-Kommission fordert von Deutschland ein Datenspeichergesetz, ansonsten droht ein Bußgeld. Die Koalition kann sich weiter nicht einigen.

Wer hat wann mit wem wo telefoniert? Bild: paspar2 / photocase.com

BRÜSSEL/BERLIN taz | Die schwarz-gelbe Regierung steuert auf eine offene Konfrontation zu. Hintergrund ist der Dauerstreit über die Vorratsdatenspeicherung, der nun eine neue Eskalationsstufe erreicht hat.

Deutschland muss mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) rechnen, sollte es nicht bis April ein Gesetz auf den Weg bringen, das die Speicherung der Verbindungsdaten gewährleistet. Die EU-Kommission will dies am Donnerstag offiziell in Brüssel verkünden, im Bundesinnenministerium rechnete man damit, dass ein entsprechendes Schreiben eintreffen wird.

Darin soll der Bundesregierung eine Frist von vier Wochen gesetzt werden, um die EU-Richtlinie zur Speicherung von Kommunikationsdaten doch noch in nationales Recht umzusetzen. Sonst will die EU-Kommission sie vor den EuGH verklagen. Im schlimmsten Fall müsste Deutschland dann ein Bußgeld bezahlen.

Das Bundesverfassungsgericht hat im März 2010 die erste Fassung des deutschen Gesetzes für verfassungswidrig erklärt. FDP und CDU/CSU können sich seit Monaten nicht einigen, wie ein neues Gesetz aussehen soll.

Nun wird der Streit in der Regierungskoalition weiter verschärft. Denn während Bundeskanzlerin Angela Merkel durch ihren Sprecher noch ausrichten ließ, das CSU-geführte Innenministerium und das FDP-geführte Justizministerium würden „zeitnah“ Gespräche führen, wie „ein Fortschritt erzielt werden“ könne, preschte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vor – und kündigte an, nun ihren Vorschlag ins Kabinett einzubringen: das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren.

Leutheusser-Schnarrenbergers Kalkül

Das Problem ist nur: Das lehnt die Union seit Monaten strikt ab. CDU und CSU wollen eine anlasslose Speicherung der Telekom-Daten aller Bürger über mehrere Monate: Wer hat wann mit wem wo telefoniert oder gemailt? Bei Leutheusser-Schnarrenberger würden nur im konkreten Verdachtsfall die Telefondaten der Betroffenen gespeichert. Das Innenministerium und Vertreter der Sicherheitsbehörden halten das aber für untauglich, etwa um terroristische Netzwerke aufzuhellen.

Leutheusser-Schnarrenbergers Kalkül war ein anderes: Sie wollte warten, bis die EU-Kommission wie im Frühjahr 2011 angekündigt eine Überarbeitung der Richtlinie vorlegt, die milder ausfallen könnte als die bisherige. Das ist aber immer noch nicht geschehen, stattdessen kommt jetzt der blaue Brief aus Brüssel.

Entsprechend gereizt reagierte die Justizministerin am Mittwoch. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass die EU-Kommission die lange überfällige Überarbeitung immer wieder aufschiebt und gleichzeitig auf die Umsetzung eines Auslaufmodells pocht“, sagte sie.

Deutschland ist nicht der einzige EU-Staat, der Schwierigkeiten mit der Richtlinie hat. Die Schweden wurden von der EU-Kommission schon vor zwei Jahren aus dem gleichen Grund in Luxemburg verklagt. Auch in Stockholm gab es erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit von Vorratsdatenspeicherung und Datenschutz.

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15 Kommentare

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  • N
    Normalo

    @Paint.Black

     

    War doch mit "Igitt!" ganz gut umschrieben, oder? Da bedurfte es eigentlich keines weiteren Ergusses über die Frevel der FDP am Wohlfahrtsstaat. Die Frage, die Sie und die Autoren der Überschrift sich stellen müssen, ist halt, wie souverän und ehrlich es ist, deshalb wirklich Alles, was die FDP so tut, irgendwie - und sei es nur durch ein nicht ganz ernst gemeintes Adjektiv - in ein negatives Licht zu rücken.

     

    Ich erwarte gar nicht von Irgendwem hier, zu kapieren, dass es nichts mit Wankelmut zu tun hat, wenn eine liberale Partei sich für Freiheitsrechte, aber nicht für Leistungsansprüche ans Sozialsystem einsetzt. Freiheit bedeutet nunmal immer auch Verantwortung, und zwar als allererstes mal Selbstverantwortung.

     

    Ich erwarte auch nicht von Ihnen, dass Sie merken, dass es rein strategisch keinen Unterschied zwischen Opposition gegen Vorratsdatenspeicherung und gegen Acta gibt, weil bei den Piraten BEIDES auf der Agenda steht. Es kann also nicht am Stimmenfang liegen, dass die FDP im einen Fall dafür und im anderen Fall dagegen ist. Ich werde jetzt nicht in eine Vortrag über Sinn und Unsinn eines effektiven Urheberrechtsschutzes ausbrechen, aber klar sollte schon sein, dass so ziemlich alles hoheitliche Handeln Freiheitsrechte beeinträchtigt, diese Kategorie also ausreichend vage ist, dass immer noch Äpfel und Birnen reinpassen.

     

    Aber wie gesagt: All das sind Gedanken, die auf einer anderen Grundeinstellung beruhen. Was universal sein sollte, ist der Anstand, couragiertes Eintreten für die eigene Politik zu würdigen - und nicht solche Sticheleien noch ins Lächerliche zu ziehen. Das ist einfach zu verbohrt, um noch intelligent und kultiviert herüber zu kommen.

  • P
    Paint.Black

    @ Normalo

     

    Das liegt daran, dass die FDP keine Partei ist, die sich das adjektiv "standhaft" im positiven sinne in der Vergangenheit verdient hätte.

    Wenn ein blindes Huhn einmal ein Korn findet, ist das zwar sehr schön - aber zumeist doch eher zufällig, nein?

    Mit Hilfe der mehrheits-beschaffenden FDP wurde das Gros der Nachkriegs-Errungenschaften so gründlich verspielt, dass wir in Deutschland zwar noch keine Slums haben (die würden nämlich auch sofort vom Ordnungsamt geräumt und bieten sich aufgrund der klimatischen Verhältnisse auch nicht so an)- die Prekarität aber mittlerweile so weit in der Mittelschicht angekommen ist, dass man angesichts der kurzen Zeit, die es dazu brauchte nur in Staunen verfallen kann (wenn man denn rechnen kann, natürlich).

     

    Zudem glaube ich, dass diese Standhaftigkeit hier nur dem Fakt geschuldet ist, dass die FDP Angst hat, dass sonst einige ihrer Klientel zu den Piraten abwandern.

    Denn bei Acta sieht das Engagement der FDP ganz anders aus - obwohl durch Acta (Ipred 1, 2 etc.) Freiheitsrechte bedroht werden!

  • FS
    F. Steidle

    @EnzoAduro: Nein, es scheint mir viel mehr so, als das die TAZ ihre politische Meinung, weit Abseits von der Politischen Sache Preisgeben muss. Es geht hier nicht darum das die Vorratsdatenspeicherung schlecht ist. Sondern das die FDP wieder einmal als "doof" eingestuft werden soll. Nach den Umfrageergebnissen lässt sich der allgemeine Wähler auch wieder genial von dem Multimedialem Linksterror einlullen.

  • S
    Steuerzahler

    ich schliesse mich voll und ganz dem Kommentar von "Pharisäer" an!

     

    Liebe Frau Leutheusser-Schnarrenberger,

    bitte lassen Sie sich nicht in die Knie zwingen!

  • N
    Normalo

    @EnzoAduro

     

    Natürlich ist der Autor NICHT für die Vorratsdatenspeicherung (unterstelle ich jetzt mal). Das heißt aber noch lange nicht, dass ihm in den Sinn käme, die FDP mit einem gemeinhin positiv besetzten Adjektiv (z. B. "standhaft" oder "prinzipientreu") zu beehren. Das wäre einfach aus allgemeinpolitischen Erwägungen zu - äh,... igitt! Auch würde es möglicherweise lebensbedrohliche allergische Reaktionen bei vielen taz-Lesern hervorrufen - oder ihm würde einfach niemand glauben, dass er es nicht sarkastisch meint... ;-)

  • M
    Marcus

    Die Piraten Protestieren gegen Voratsdatenspeicherung die FDP verhindert sie. Leider eines der wenigen Beispiele in denen das Lieberale in der FDP durchscheint und nicht nur das Wirtschaftsliberale. Warum die sich Freiwillig von ihrem uhreigenen profil aus Bürgerechtspartei verabschiedet haben ist mir aber immer noch ein rätsel.

  • E
    EnzoAduro

    @Eintreiber

     

    Das ist doch alles dieses über die Bande gespiele. Wenn die Regierung geschlossen in Brüssel auf den Tisch hauen würde, wäre dieses Gesetz weg. Oder wer glaubt denn das die Komission sich wegen dieser Petitesse mit Deutschland anlegen will?

     

    Nein die CDU sagt die ganze Zeit der Kommission dass die Komission hier Druck machen soll um so hier die innenpolitischen Gegner auszutricksen.

  • L
    lowandorder

    Schnarri, halt durch!

     

    Früher dacht ich gern, schad', sie ist in der falschen Partei!

    Recht bedacht: in CDU&SPD wär sie nie soweit gekommen

    und wenn - längst weg vom Fenster!

    Die Grünen - haben nicht eine dieses Kalibers.

    Dorten innerhalb der " Kellnerposition" ? ach Gottchen, Andrea Fischer läßt grüßen!

    Und Piraten ? - da kann man nur raten.

     

    Also Schnarri, hol die fuchtig! Wir drücken dir - nicht der minus 3%Partei alle Daumen.

  • JD
    Jörg Dürre

    Ich möchte die Überschrift des Artikels lieber positiv umformulieren. Der einzig verbliebene gesellschaftliche Zweck der FDP.

     

    EU Richtlinien sind rechtlich verbindlich. Die Umsetzung wird aber ganz nach Gutdünken voran getrieben.

    Beispiel: Biokraftstoffe, wir regen uns gerade furchtbar über 100 Millionen Euro pro Monat zusätzlicher Kosten für Superbenzin auf, sorgen aber nicht für Wettbewerb.

    Die EU Richtlinie fordert lediglich einen 10% Anteil nachhaltiger Energie im Verkehr - zudem fordert die Richtlinie ausdrücklich die Anerkennung von Ökostrom auf diese Quote.

    Wo bleibt dieses Vertragsverletzungsverfahren? Deutschland hat lediglich Biokraftstoffe als Quote eingeführt und die Ökostrom Option ignoriert.

     

    Die Vorteile der EU Regelung liegen auf der Hand. Biokraftstoffe sind teuer, Ökostrom ist effizienter und billiger zur Erfüllung der Quote.

    Mehr Wettbewerb scheint leider nicht auf der Agenda der residual FDP zu stehen.

    Das die Datenspeicherung vorn auf der Agenda der EU-Kommission steht ist m.E. völlig willkürlich.

  • G
    Großartig

    Find ich Großartig. Da ist die FDP ja doch nicht ganz nutzlos. Zumal eine Vorratsdatenspeicherung bestimmt keine Berufskriminellen oder Terroristen erfassen würde. Die haben da genug Möglichkeiten drumrum. Treffen würde es wieder nur die Kleinen, die sich hin und wieder ein Lied oder einen Film runterladen. Aber das geht ja auch nicht, dass einige Bürger noch ein paar wenige Euros in der Tasche haben. Die müssen schnellstens an die Zocker und Manager weitergereicht werden.

  • M
    matt

    Wie soll Europa in 50 Jahren aussehen? Schau ich für Deutschland auf die letzten 100, gabs da einen Kaiser, die Findungsphase der Weimarer Republik, Nazis, die DDR und letztendlich mal 20 Jahre Freiheit. Jetzt fängt der Überwachungswahnsinn wieder an. 1989 ist das mit mehr Glück als Verstand gut gegangen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie meine Eltern im Visier der Maschinengewehre, demonstrieren waren - ich wusste nicht ob sie wiederkommen würden. Damals ging das gut aus, es gibt genügend Beispiele, die anders verliefen (Tiananmen Massaker im selben Jahr). Die Vision der Kanzlerin und der EU zeigt in genau diese Richtung. Muss ich mir in 50 Jahren wieder diesselben Sorgen um meine Kinder machen?

  • P
    Pharisäer

    Warum zum Teufel muss Frau Schnarrenberger in der FDP weilen...die Frau ist mit Verlaub die beste Justizministerin die ich bislang kenne. Hochachtung vor ihrer Standhaftigkeit und ihrem Einsatz für Bürgerrechte. Leider kann man sie nicht wieder immer wieder direkt in dieses Amt wählen. Sie ist ohne Frage die Idealbesetzung. Stattdessen wird sie 2013 vorausschtlich mit der FDP in der Versenkung verschwinden :/

     

    Traurig!

  • D
    Dirk

    Die FDP hat viel falsch gemacht. Hier liegt sie aber absolut richtig. Schade, dass es nicht mehr Spitzenpolitiker wie Leutheusser-Schnarrenberger gibt, die versuchen den VDS-Wahnsinn zu verhindern.

  • E
    Eintreiber

    Ein Bußgeld - na gut. Bitte unbedingt den Preis dieses Stückchens freiheit in Geld zaheln. Bin ich schwer dafür!

  • E
    EnzoAduro

    Ist doch prima das die FDP hier sturr ist. Warum klingt das im Titel anders. Ist der TAZ-Autor etwa FÜR die anlasslose Vorratsdatenspeicherung?