Vierteiler über englischen Landadel: Anstand, Würde, Güte
Intrigante Herrschaften und karrieregeiles Personal: "Downton Abbey" zeichnet grandios ein Sittenbild des englischen Landadels von 1912.
Was soll das denn? Irgendeine Adelsserie, auch noch aus dem Skandalland Großbritannien, und hier nur übers Bezahlfernsehen zu empfangen - und das so groß? Ja! Weil "Downton Abbey" einfach wunderbar ist und die Gelegenheit günstig, durch hymnisches Lob zu fragen und anzuklagen: Warum schaffen die Briten das - und im deutschen Fernsehen gibt es keine vergleichbare Eigenproduktion, die sich so klug, so witzig und so schön anzuschauen mit Geschichte, Gesellschaft und Charakter auseinandersetzt wie dieser Vierteiler, der diesen Mittwoch bei Sky Cinema startet (Doppelfolge ab 20.15 Uhr).
Allein die ersten Minuten sind ein Fest: Es ist ein ganz normaler, sehr früher Morgen auf dem britischen Landsitz Downton Abbey. Dutzende Diener wieseln durch das Haus, klopfen Vorhänge aus, entzünden Kamine, erschrecken sich an den neuen, elektrischen Lampen, bügeln die Times, damit der hohe Herr, Robert Earl of Grantham, sich die Finger nicht mit Druckerschwärze beschmutzt. An einem Brett in der Dienstbotenküche fangen die Glöckchen an zu klingeln - die Herrschaft erwacht. Es ist das Jahr 1912 und gerade sank die "Titanic". Cora, Countess of Grantham liest bei einem Tee im Bett, dass nun ihr Geld weg ist.
Die reiche Amerikanerin wurde vom Earl einst wegen ihres Vermögens geheiratet, es ging in die Besitzmasse des Landsitzes über, und weil sie nur drei Töchter zur Welt brachte und der rechtmäßige Erbe, der praktischerweise die Älteste heiraten sollte, mit der "Titanic" sank, ist das Geld, tja also - weg. Der neue Erbe, Vetter dritten Grades und bloß Mittelschicht, wird der Countess noch viel Freude machen. Mit ihrer Schwiegermutter spinnt sie Intrigen, um ihren Töchtern das Erbe zu retten.
Der Butler ist intoleranter als der Earl
Über all das wacht sorgenvoll das Personal, das mit dem karrieregeilen ersten Diener, der fürsorglichen Zofe, dem patriarchalen Butler und einem Kammerdiener mit Kriegsverletzung schon genug für zwei Serien hergibt. Die Welten oben und unten sind klar abgetrennt, aber die Charaktere wunderbar vielseitig. Der Butler ist in seinem Standesbewusstsein intoleranter als der Earl. Der Erbe will besonders liberal sein und verletzt genau damit die Ehre seines Dieners.
Das Haus ist die Welt und nostalgisch sieht man zu, wie hier in zurückgenommenen Gesten und pointierten Dialogen Wörter wie Anstand, Würde, Güte mit Bedeutung gefüllt werden. Wie Zeitgeschichte hineinfällt in diese Welt, die unerschütterlich schien in ihren Standesregeln. Gerade die Rollen der Frauen, ob Hausmädchen oder Herrschaft, sind ergreifend. Und das alles noch mit herrlicher Ausstattung.
Große Schicksale ohne Kitsch
Drehbuchautor Julian Fellowes, oscarprämiert für "Gosford Park", macht vor, wie man in aller Zurückgenommenheit, ohne Kitsch, große Schicksale erzählen kann. Die großartigen Schauspieler, etwa Hugh Bonneville ("Notting Hill") als Earl und Maggie Smith ("Harry Potter") als seine Mutter, die überdies für den trockenen Humor zuständig ist, tun das Ihre dazu.
Gute Schauspieler gäbe es hierzulande durchaus auch. Und in Großbritannien sahen im Schnitt 10 Millionen zu, eine zweite Staffel ist in Arbeit. Wenn nicht Qualität, so könnte doch immerhin Quote ein Argument für deutsche Sender sein.
"Downton Abbey", Sky Cinema, Mittwoch 20. Juli, 20.15 Uhr
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