Museumsdirektor kritisiert Medien: "Zu fixiert auf Ai Weiwei"
Ai Weiwei ist nicht der Liebling der Massen, sondern leider nur der Liebling der Medien, kritisiert Martin Roth von den Kunstsammlungen Dresden.
DRESDEN taz |In Dresden, so besagen Leserbriefe zum taz-Bericht über die Ausstellung "Die Kunst der Aufklärung" in Peking, wird zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer sauber nach Ost und West, "Alt-Ossis oder Neu-Wessis", sortiert. Dort möchte man gern genau wissen, welcher der beiden Gruppen die in Peking beobachteten Kunstfreunde angehören. Als ob das am Befund ihres skandalösen Verhaltens irgendetwas ändern würde.
Schließlich gibt es Provinzler in Ost und West, auf dem platten Land und in Weltstädten. Niemand ist im gegebenen Fall so sehr Provinzler wie es die Einwohner von New York oder Paris sind - einfach weil es für sie undenkbar ist, dass die Maßstäbe in Kunst und Kultur und urbanem Lebensstil auch ganz andere sein könnten.
Aber bitte: In Dresden ist der Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen, Martin Roth, ein schwäbischer Porschefahrer. Als einer der verantwortlichen Museumstiger - wie die Direktoren in Peking gern tituliert wurden, obwohl sie doch nur wie Museums-Tigerenten daherwatschelten - hat er sich nun in der Zeit zu Kulturaustausch und zur Festnahme des Künstlers Ai Weiwei geäußert: "Der ist ja bei den Medien vor allem nicht zuletzt deshalb so beliebt, weil er ständig draufhaut. Furchtbar natürlich, dass er verhaftet wurde. Aber warum sind alle so auf ihn fixiert? Es gibt hunderte Künstler wie ihn, über die spricht aber keiner, weil sie keine Popstars sind."
Nun ist es außerordentlich erfreulich, zu hören, dass Martin Roth jetzt auch für die hundert anderen Künstler die notwendige internationale Öffentlichkeit herstellen möchte, die ebenso wie Ai Weiwei von der chinesischen Obrigkeit kujoniert werden, wenn nicht ihre Ateliers gleich zerstört und ihre Mitarbeiter festgenommen werden! Etwa für die Pekinger Künstler Huang Xiang, Zhui Hun, Cheng Li und Guo Gai, die Mitte März festgenommen wurden und im Taihu-Gefängnis im Distrikt Tongzhou festgehalten werden.
Ist es so? Will sich Dresden, und wollen sich dort gerade die "Alt-Ossis", die ja nun ihre eigenen bösen Erfahrungen mit staatlicher Repression gemacht haben und mit dem Argument, man solle doch nicht so viel Bohei darum veranstalten, wirklich so viel "Neu-Wessi"-Provinzlertum leisten?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen