Pressefreiheit Indonesien: Bombiger Ausverkauf
Nach Enthüllungen über Korruption bei der Polizei verschwindet die Gesamtauflage des indonesischen Nachrichtenmagazins "Tempo" - und die Redaktion wird mit Molotowcocktails bombardiert.
Die Journalisten von Tempo, Indonesiens einflussreichstem Nachrichtenmagazin, lassen sich nicht so schnell einschüchtern. Nachdem Unbekannte am Dienstag zwei Molotowcocktails in den Hof des Verlagsgebäudes warfen, lief der Redaktionsalltag wie gewohnt. "Wir haben keine Angst", sagte die Redakteurin Purwani Diyah Prabandari der taz. "Das Feuer wurde schnell gelöscht, und es gab keine Verletzten. Außerdem sind wir es gewohnt, uns Feinde zu machen."
Erst in der Vorwoche hatte Tempo seinen Ruf als "Speerspitze der Demokratie" bekräftigt. Mit einer Investigativgeschichte über Korruption in höchsten Polizeikreisen hatte das Magazin eine publizistische Bombe platzen lassen. Sechs führende Polizisten fanden ihre Namen in der Coverstory: "Die fetten Konten der Polizeigeneräle". (siehe Foto)
Dass das Interesse der Leser an der Story groß sein würde, war gewiss. Doch nach Erscheinen des Magazins geschah etwas Erstaunliches: Das Heft war binnen wenigen Stunden vergriffen - landesweit. Vertriebsfirmen berichteten, dass ihre gesamte Tempo-Lieferung, gedacht zur Weitergabe an Kioske und Austräger, von zum Teil uniformierten Einzelpersonen gekauft wurde, die bis zu 30 Prozent über dem Verkaufspreis zahlten. In Bandung, so Tempo in seiner aktuellen Ausgabe, hätten Polizisten einen Zeitungsvertrieb aufgefordert, die Adressen aller Kioske preiszugeben, die er beliefere. Auf Bali habe ein Kiosk Drohanrufe erhalten.
Kein Wunder, dass sich die Leser an die dunklen Jahre der Diktatur in Indonesien erinnern. Damals konnten Ordnungshüter nach Gutdünken Medienberichte verhindern. Auch Tempo hat Erfahrungen mit der Zensur unter Diktator Suharto gemacht: 1994 verboten, operierte es bis zu Suhartos Sturz 1998 per Internet aus dem Untergrund.
Selbst wenn der jüngste Massenkauf durch Neugier einzelner Polizisten zu erklären wäre, die ersten offiziellen Reaktionen zeugten nicht von einem demokratischen Medienverständnis: Das Cover beschmutze den Namen der Polizei, beschwerte sich der Nationale Polizeichef, General Bambang Hendarso Danuri. Gleichzeitig drohte die Behörde dem Magazin mit einer Verleumdungsklage: In einem "Ermahnungsschreiben", das Tempo zwei Tage nach Erscheinen des umstrittenen Titels vom Polizeihauptquartier in Jakarta erhielt, hieß es: "Wir sprechen eine ernsthafte Ermahnung an die Redaktion aus und werden rechtliche Schritte einleiten." Die Polizei versuche, vom eigentlichen Problem abzulenken, sagt Ignatius Haryanto, Direktor des Instituts für Presse- und Entwicklungsstudien in Jakarta, zur taz. "Tempo hat nur seinen Job gemacht und die Öffentlichkeit informiert. Nun erwarten wir von der Polizei, dass sie gegen die Täter in den eigenen Reihen ermittelt." Das wäre dringend geboten, stellt sich in der Praxis aber als schwierig dar. Gerade stufte die Hongkonger Political & Economic Risk Consultancy Indonesien als korruptestes Land im asiatisch-pazifischen Raum ein. Und Indonesiens Polizei ist laut Transparency International die korrupteste Instanz im Staat.
Bei Tempo zeigt man sich gelassen: "Wir haben professionell recherchiert und uns an geltendes Recht gehalten", sagt Tempo-Chefredakteur Wahyu Muryadi zur taz. Der Druck, dem sich die Polizei nun ausgesetzt sieht, wächst: Andere Medien zogen mit Berichten über korrupte Polizisten nach, eine Facebook-Unterstützergruppe für Tempo zählt bereits tausende Mitglieder, Intellektuelle und NGO-Vertreter signalisierten öffentlich Solidarität. Eine Lektion in Sachen Pressefreiheit scheinen die Ordnungshüter gelernt zu haben. Anstatt vor Gericht treffen sich Polizei und Tempo am Donnerstag vor dem Presserat, um ihre Standpunkte darzulegen.
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