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Journalistin im WahlkampfCDU im Büro, AfD zuhaus

Die Lebensgefährtin des Brandenburger AfD-Chefs ist Redakteurin der „Märkischen Allgemeinen“. Nebenher erledigt sie Büroarbeiten für die Partei.

Ein Arbeitsgespräch? Bild: Imago/Jens Jeske

Diese Medien, so hört man es aus den Reihen der AfD gerne klagen, verstehen immer alles falsch. Sie haben ihre eigene Wirklichkeit und kungeln mit den verhassten Altparteien. Diese Medien, diese Journalisten – sie missdeuten die aufstrebenden Rechtskonservativen. Praktisch ist es da, wenn man als AfD-Politiker nicht nur eine Journalistin zur Lebensgefährtin hat, sondern diese auch gleich noch Büroarbeiten für die Partei erledigt. Brandenburgs AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland hat diesen Vorteil.

Der frühere Chef der hessischen Staatskanzlei führte die Euro-Ausländerangst-Protestpartei am Sonntag aus dem Stand mit 12,2 Prozent der Wählerstimmen in den Landtag. Mitgeholfen hat dabei seine Lebensgefährtin Carola Hein – parallel zu ihrer Tätigkeit als Lokalredakteurin bei der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ) in Potsdam. Diese Zeitung gab Alexander Gauland, früher CDU-Mitglied, 14 Jahre lang heraus.

Auf diese Verquickung angesprochen, reagiert MAZ-Chefredakteur Thoralf Cleven gereizt. „Was Frau Hein in ihrer Freizeit macht, kann ich ihr genauso wenig vorschreiben wie allen anderen Redakteuren. Hier gibt es keine Sippenhaft“, sagt Cleven. Und er hat im Prinzip recht.

Aber eben nur im Prinzip. Denn Carola Hein berichtete als Journalistin auch politisch über die AfD-Konkurrenz: Knapp zwei Wochen vor der Brandenburger Landtagswahl porträtierte sie die CDU-Kandidatin Saskia Ludwig für ihre Zeitung. Und fuhr dann abends nach Hause in die Berliner Vorstadt von Potsdam, um dort AfD-E-Mails für ihren Lebensgefährten Alexander Gauland zu tippen.

Chefredakteur Thoralf Cleven sagt über die Arbeit der Redakteurin: „Frau Hein muss sich für diesen konkreten Beitrag keinen Vorwurf gefallen lassen. Er ist professionell journalistisch geschrieben.“ Doch darum geht es gar nicht. Mindestens problematisch ist, dass die MAZ von Heins privater Verbindung zur AfD weiß, aber sie nicht konsequent aus der politischen Berichterstattung heraushält.

Der Artikel über die CDU-Kandidatin entstand aus einem personellen Engpass heraus. Die zuständige Kollegin fiel aus, nur Carola Hein konnte in der Lokalredaktion übernehmen. Allerdings war vorhersehbar, dass es einmal so kommen wird. Und es könnte erneut passieren.

Freistellung gescheitert

Hein soll sogar versucht haben, diese Situation zu vermeiden. Einzig: Die Zeitung wollte sie während des Wahlkampfs nicht gehen lassen. „Sie hatte für die Zeit des Wahlkampfs um eine mehrmonatige unbezahlte Freistellung gebeten, hat sie aber nicht bekommen“, sagte Alexander Gauland der taz. Die Journalistin selbst antwortete auf Nachfragen hingegen nicht.

Seine Lebensgefährtin sei kein Parteimitglied und die Büroarbeit werde nicht bezahlt, betont Gauland. „Sie kann ihre Arbeit und die Hilfe für mich völlig trennen.“ Doch tagtäglich bearbeitet die Journalistin alle Mails des AfD-Spitzenkandidaten Gauland, weil der sich mit seinen 73 Jahren nicht mehr so recht an das Internet und die E-Mail-Korrespondenz herantraut.

Und auch medienrechtlich ist Heins Engagement für die AfD eine Gratwanderung. Eine Sippenhaft für Hein, bestätigt der Presserat, dürfe es natürlich nicht geben. „Wenn sie aber zugleich über politische Themen berichtet, gerät das in Konflikt mit Ziffer 6 des Pressekodexes“, sagt Referentin Edda Eick. Ziffer 6 nämlich schreibt die Trennung von politischen Funktionen und journalistischen Tätigkeiten vor. Der Fall Carola Hein sei laut Eick „diskussionswürdig“. Auch die Redaktion habe sich falsch verhalten: „Die Zeitung hätte sie aus der politischen Berichterstattung herausnehmen müssen.“

Und das bleibt weiter aktuell. Denn nicht nur Alexander Gauland sitzt jetzt für die AfD im Landtag. Auch Stefan Hein, der Sohn von Carola Hein, ist einer der elf Abgeordneten im Potsdamer Stadtschloss.

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8 Kommentare

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  • Die Überschrift ist zumindest unglücklich, hoffentlich nicht Absicht. Wie im Artikel steht, ist Frau Hein überhaupt kein Vorwurf zu machen. Sie hat alles versucht, den Interessenkonflikt zu vermeiden. Alles freilich, bis auf eine Kündigung. Nur wird das ja wohl niemand von ihr verlangen können. Meines Wissens ist private Beziehungen zwischen Politikern und Journalisten auch gar nicht so selten. Man hat schließlich viel miteinander zu tun. Auch ein Herr Lindner, Vorsitzender einer Kleinpartei, soll mit einer Politik-Journalistin der "Zeit" verheiratet sein. Offensichtlich bringt das politisch aber zumindest nichts. Also nicht zu hoch hängen. ;)

  • Bei der taz hat natürlich noch nie jemand über Politik berichtet oder kommentiert, der selbst politisch engagiert ist, oder einen Lebensgefährten hat, der politisch engagiert ist ?

  • Der Artikel erinnert mich an die Berufsverbote in den 70er-Jahren.

    • @AhaEffekt:

      Berufsverbote - gehts ein bisschen kleiner? Der Artikel kritisiert doch im Wesentlichen die Zeitung und nicht Carola Hein. Die hat sich, soweit es dem Artikel zu entnehmen ist, ja auch völlig korrekt verhalten. Aber wenn eine Chefredaktion das Problem, offenbar im Gegensatz zu Frau Hein, nicht sieht, dann muss man sie kritisieren.

  • Schulterzuck .... Pressefreiheit a la AfD. Gibt es irgend jemand, der etwas anderes erwartet hatte?

    • @Kaboom:

      Susanne Gaschke, ehemalige Oberbürgermeisterin von Kiel. Bis 2012 war sie Redakteurin "Der Zeit" und leitete sie den Bereich "Junge Leser", zu ihren Schwerpunkten gehörte Jugend-, Sozial-, Bildungs- und Frauenpolitik. Frau Gascke war seit 1988 Mitglied der SPD und ist mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Bartels verheiratet.(Quelle: Wikipedia)

      Pressefreiheit a la SPD?

    • D
      D.J.
      @Kaboom:

      Und wenn ein FR-Redakteur etwas mit einer Genossin hat oder eine taz-Redakteurin etwas mit einem Grünen hat oder ein Freitag-Redakteur etwas mit einem Linken, ist das dann "Pressefreiheit à la SPD und Grüne und Linke"? Meine Güte, selbst Sie machen mich zuweilen noch wundern.

    • @Kaboom:

      In einer Zeitung die der Spitzenkandidat selbst einst verlegte.