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Kommentar öffentlich-rechtlicher RundfunkLeider nicht abwählbar

Jürn Kruse
Kommentar von Jürn Kruse

Korruption und Filz scheinen zum Alltag der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten zu gehören. Das Problem ist jedoch nicht das Versagen Einzelner, es ist das System.

D as System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss man sich wie eine Partei vorstellen, die einfach schon zu lange regiert. Mit jeder Menge Filz und Vetternwirtschaft. Hin und wieder fliegt halt mal einer oder eine auf, der die vermeintliche Allmacht zu dreist ausnutzte.

Doris Heinze, die frühere Fernsehspielchefin des Norddeutschen Rundfunks, war so jemand. Vor ihr waren in den vergangenen Jahren bereits die ehemaligen Sportchefs des Hessischen und des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), Jürgen Emig und Wilfried Mohren, verurteilt worden.

Beide bekamen von Sponsoren Geld für die Übertragung von Sportveranstaltungen. Beide steckten das Geld in die eigenen Taschen. Und auch beim vom MDR gelenkten Kinderkanal KiKa schaffte es ein Herstellungsleiter, über fingierte Rechnungen Millionen einzusacken.

JÜRN KRUSE

ist Medienredakteur der taz.

Die Sender sehen sich in all diesen Prozessen als Opfer. Dabei kommen die Kammern stets zu dem gleichen Schluss. Die Richterin im KiKa-Verfahren formulierte ihn am prägnantesten: Das Gericht würde sich wünschen, dass der MDR so intensiv kontrolliere, wie die GEZ Gebühren eintreibe.

Heinze habe Karrieren machen können, sagte eine Mitangeklagte über sie. Zerstören konnte sie Karrieren demnach auch. Beim NDR scheint das niemanden ernsthaft gestört zu haben. Kontrollmechanismen hat es entweder nicht gegeben oder sie wurden nicht angewandt.

Heinze ist nun raus, Mohren, Emig und die KiKa-Betrüger auch. Doch das System bleibt. Denn den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kann niemand abwählen.

Im Gegenteil: ARD und ZDF bekommen mit der neuen Haushaltsabgabe ab 2013 ein noch stabileres Fundament für das eigene Treiben. Dieses „einfachere und gerechtere Modell“ würde die Kontrollbedürftigkeit deutlich reduzieren, hieß es bei dessen Vorstellung.

Hoffentlich meinten die Initiatoren damit nur die GEZ-Schnüffler.

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Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
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9 Kommentare

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  • MW
    M. Wagner

    Argumente und Fragen

     

    Vorweg: ich habe seit 15 Jahren nicht mehr privat ferngesehen und nie ein Gerät besessen.

     

    1. Für Leistungen, die nicht in Anspruch genommen werden müssen, darf es keine Zwangsabgaben geben.

     

    2. Auf das Solidaritätsprinzip kann man sich in diesem Fall nicht berufen. Für Krankenkassen etc. zahlt man, weil es jeden einmal treffen kann. Beim Fernsehen kann man das ausschließen.

     

    3. „Nur 10% haben keinen Fernseher"; gilt für diese Personengruppe kein Minderheitenschutz?

     

    4. Die Qualität der ÖR kann ich nur aus den Printmedien erfahren. Demnach ist die so niveaulos wie die Argumente ihrer hoch bezahlten Protagonisten.

     

    5. Die Kontrolle der öffentlichen Institutionen, wie Politik und Wirtschaft, wird von den Printmedien (auch nicht immer gut) geleistet. Das Fernsehen ist m. W. noch nicht mit nennenswerten Erkenntnissen in Erscheinung getreten. In den allermeisten Fällen beruft man sich beim ÖR (hier Radio) auf die Politmagazine und Tageszeitungen.

     

    Zum Abschluss ein paar Fragen:

     

    Hat Herr Kirchhof für sein Gutachten Geld erhalten; von wem, aus welchem Topf?

    Ist die Gutachtertätigkeit für einen „Intessenverbund" mit der Autorität eines „hohen Amtes" vereinbar, auch wenn sie quasi privat ausgeübt wurde?

    Geht Autorität in Pension?

  • P
    pete

    @ Henric Lewkowitz

    Sehr richtig, Was soll auch dieser lächerliche Protest gegen Polizeiliche Willkür, wenn es in anderen Ländern die Todesstrafe gibt?

  • P
    Peter

    Warum sollen sich diverse ÖR "Macher" nicht auch ein Stückchen vom Korruptionskuchen abschneiden dürfen?

    Alle sind käuflich und bestechlich, warum soll es bei Öffentlch-Rechtlichen Sendern anders zugehen als in der Politik und in der Industrie? Die Hand aufzuhalten ist schließlich nicht verboten und wenn zufällig ein paar Almosen auf die Hand fallen steckt man sie ein. Ganz einfach.

    In China gibt es für schwere Korruption wirkungsvolle Strafmaße. Aber im Ernst, wollen wir unsere Öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten personell ausrotten? Wer soll dann für die Berieselung und Volksverdummung verantwortlich gemacht werden?

     

    Da es aber tatsächlich Menschen gibt die diesem ÖR-Irrsinn nachhaltig entsagen wäre es überaus wünschenswert wenn das Bundesverfassungsgericht zeitnah eine durchgreifende Lösung findet um diesen Menschen ihre persönliche Entscheidegungsfreiheit gewährt und nicht der ÖR Lobby wohlwollend unter die Arme greift.

     

    Ich hoffe, dass das Gundgesetz noch NICHT zu einer wertlosen Altppaiersammlung verkommen ist!

  • HL
    Henric Lewkowitz

    Ich verstehe diesen Kommentar nach dem Ruf nach mehr Kommerzsendern: endlich tolle RTL2 - Nachrichten, ein Prima Sat1-Frühstücksmagazin, Hintergrundinfos bei Kabel 1 ?

    Ich habe es lange dick in anderen Ländern am Fernsehproggramm leiden zu müssen; ich denke da an Italien, die USA oder Ungarn. Wann immer ich aus dem Ausland zurückkomme, geniesse ich die Öffentlich-rechtlichen von ARTE über das Erste bis zum 2.

    Ich empfehle dem Taz-Kommentator mal 4 Wochen CNN USA - dann weiss er was er hier hat.

  • A
    anke

    Was soll dieses "niemand"? Dass es tatsächlich niemanden ernsthaft stört, wenn Leute wie Doris Heinze, Jürgen Emig und Wilfried Mohren nicht nur Karriere machen, sondern auch Karrieren verhindern, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. So wenig, wie ich mir vorstellen kann, dass es im Münchner Klinikum Rechts der Isar niemanden gestört hat, dass menschliche Organe verschoben wurden.

     

    Jürn Kruse hat offenbar genau so wenig Fantasie wie ich. Es "scheint" so, schreibt er. Aber wieso? Ich meine: Jürn Kruse müsste doch die Mechanismen, die dazu führen, dass die Einen permanent im Dunkel stehen, die anderen hingegen stets im allerbesten Licht erscheinen, viel besser kennen als ich. Er arbeitet schließlich für eine große deutsche Tageszeitung, ein Blatt mit Ambitionen. Und wer, wenn nicht die Führungskräfte in großen deutschen Tageszeitungen mit Ambitionen entscheidet darüber, wer wann und wie wahrgenommen wird in diesem Land? Haben also im Fall der Fernsehspielchefin und der beiden Sportchefs nicht nur die Kontrollmechanismen des NDR versagt, sondern auch die der taz? Wenn ja, wieso? Weil die Welt groß ist und der Themen so viele, dass man sich um alles einfach nicht kümmern kann? Weil auch bei der taz die richtigen Karrieren verhindert und die falschen gefördert wurden? Weil Hierarchien, die auf Karrieren aufbauen, etwas sind, was grundsätzlich nicht viel besser funktioniert als der real existiert habende Sozialismus?

     

    Ich denke, auch hier geht es um Prioritäten: Wenn Jürgen Klopp das Rumpelstilzchen gibt oder die namentlich bekannte Büroleiterin der Böll-Stiftung aus Afghanistan abreist, ist das wichtig. So wichtig, dass das dafür zuständige Gremium bei der taz beschließt, die (womöglich fremd beschafften) Informationen dazu seitenlang aufbereiten zu lassen. Wenn hingegen ein anonymes "System" den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ad absurdum führt, ist das nicht einmal eine Recherche wert. Niemand scheint hingegangen zu sein und die Unzufriedenen gefragt, zu haben. Kein Wunder also, dass es so "scheint", als hätte niemand etwas gehabt gegen die dreiste Selbstbedienung in Sachen Geld und Macht.

     

    Bis zur Unterstellung, die Vierte Gewalt würde mittlerweile von einer Mehrheit der Menschen ohnehin für verzichtbar gehalten, ist es dann auch nicht mehr weit. Zeitungen, die in dem Zusammenhang über Sparzwänge klagen, die angeblich Sachzwänge sind, beißen bei mir allerdings auf Granit.

  • H
    Harald

    Die Politik passt die Struktur des ÖR seinen Inhalten an und vervollständigt die Gleichung der Unentrinnbarkeit, denn mit dem neuen Ermächtigungsgesetz geht's mit der GEZ erst richtig los. Alles bisherige war da nur Vorspiel.

     

    Jetzt haben sich die Parteien ein informationelles, finanzielles und exekutives Zugriffsrecht auf jeden Haushalt gesichert, was bisher in dem Rahmen noch nicht möglich war.

     

    Damit gleicht die Politik ihr vorrangiges, mediales Herrschaftsdeputat lediglich dem seit längerem schon umgesetzten, erzieherischen Programm an:

     

    Die Konditionierung der GEZüberwachten Bevölkerung zu infantilen, intimsüchtigen und abergläubigen Untertanen, die nur noch nach dem japsen, was ihnen gewährt wird.

  • W
    Waage

    ...und bei den Privaten gibt es weder falsche Abrechnungen noch Günstlingswirtschaft noch Durchstechereien - aha...

  • A
    Abwahl

    Klar kann man ARD und ZDF abwählen. Habe ich schon längst gemacht. Habe sogar die ganze Wahlurne auf den Sperrmüll geworfen. Das private Gezuppel natürlich gleich mit. War eine meiner besten Ideen.

    Wie? Ich muß den Laden trotzdem finanzieren?

    Stimmt.

    Und das würde es wirklich rechtfertigen, mit Mistgabel und Dreschflegeln loszuziehen und ein paar Grundlagen zu regeln!

    Mir kann keiner schlüssig darlegen, warum "Wetten das...?" und Ballspielübertragungen einem öffentlichen Auftrag folgten. Das war noch nie was anderes als ein riesiger Selbstbedienungsladen.

  • T
    Tomte

    Und deswegen ärgere ich mich schwarz, dass ich den ÖR Sendern ab dem nächsten Jahr mehr als €200 zahlen muss. Und ich kann nichts dagegen machen.