Wahl in Ungarn: Faschisten auf dem Vormarsch
Die rechtspopulistische Fidesz gilt in Ungarn als sicherer Wahlsieger, Viktor Orbán als der neue Regierungschef. Die faschistische Jobbik könnte zweitstärkste Kraft werden
In den Straßen von Budapest ist von Wahlkampf nicht viel zu bemerken. Von einigen Litfaßsäulen und Plakatwänden lächeln Kandidaten des Wahlkreises. Die Porträts der Protagonisten, die um das Ministerpräsidentenamt rangeln, fehlen im Stadtbild fast völlig. Auf dem Land ist noch weniger davon zu bemerken, dass nach dem kommenden Sonntag in Ungarn politisch nichts mehr so sein wird wie vorher. Dass die seit acht Jahren regierenden Sozialisten (MSZP) vom Wahlvolk abgestraft werden, gilt als ebenso unumstößliche Tatsache wie der Erdrutschsieg der rechtspopulistischen "Jungdemokraten" Fidesz. Der nächste Regierungschef wird Viktor Orbán heißen. Es ist jener Mann, der schon von 1998 bis 2002 regierte.
Orbán selbst scheint starke Auftritte zu vermeiden, weil er seinen Sieg nur noch abwarten muss. Ein Fehler in letzter Minute könnte ihm nur schaden. Der geplante Abbau von Stellen im öffentlichen Dienst ist kein angenehmes Thema und andere Maßnahmen zur dringenden Sanierung der Staatskassen eignen sich wenig, das Volk zu den Urnen zu treiben. Gegen die Arbeitslosigkeit, die auf 11,4 Prozent gestiegen ist, und die Jugendarbeitslosigkeit von 27,5 Prozent hat auch er keine Rezepte. Der Wahlkampf wird also vor allem über die Medien geführt, die willig jedes Gerücht und jede ehrenrührige Behauptung transportieren. Statt die eigenen Tugenden in den Vordergrund zu stellen, bemühen sich die Parteistrategen, die Gegner anzuschwärzen. Fidesz stellt die Sozialisten als korrupte Bande dar, die das Volk acht Jahre lang belogen und schamlos ausgenommen habe. Der Fall des János Zuschlag, eines inzwischen aus der MSZP ausgeschlossenen Politikers, liefert dafür die Munition. Er wurde wegen illegaler Parteienfinanzierung zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Das ist die höchste Strafe, die in Ungarn seit der Wende für politische Korruption verhängt worden ist. Die MSZP ihrerseits, die in acht Jahren durch Reformunfähigkeit auch ihre treuesten Anhänger vergrault hat, warnt vor einer "Achse des Bösen", die sie in einer möglichen Allianz von Fidesz mit der rechtsextremen Jobbik erkennt.
Jobbik ist eine offen faschistische Partei, die ihre Legitimation aus der Mobilisierung gegen die "Zigeunerkriminalität" bezieht. Sie ist vor allem im Osten, wo der Anteil der Roma unter der Bevölkerung besonders hoch ist, auf dem Vormarsch. Ihre paramilitärische Truppe, die "Ungarische Garde", wurde zwar letztes Jahr höchstrichterlich verboten, doch tauchen die uniformierten Glatzköpfe immer noch als Schutztruppe bei den Wahlkampfveranstaltungen auf. Ein Skandal um den Parteisprecher András Király konnte dem Vormarsch der Rechten auch wenig schaden. Von Király waren im März Fotos im Internet aufgetaucht, auf denen er in Kanada bei der Gay Parade mit Schwulen und Transvestiten und in einem Nachtklub mit einer farbigen barbusigen Tänzerin posierte. Da Jobbik in Ungarn gegen Homosexuelle hetzt, musste Király zurücktreten.
Trotzdem haben die Sozialisten allen Grund zur Sorge. In den Umfragen liegen sie Kopf an Kopf mit Jobbik zwischen 16 und 20 Prozent. Besonders in den Wahlkreisen im Osten wird um jede Stimme gekämpft. Kein Zufall, dass die MSZP ihre Abschlusskundgebung am Donnerstag in Miskolc, der größten Stadt Ostungarns und einer einstigen roten Hochburg, abhielt. Jobbik-Leute treten in den Dörfern bereits als zukünftige Chefs auf. Dass ein Bürgermeister in der kleinen Ortschaft Eperjeske im Nordwesten die Hauptschule als Lokal für einen Wahlkampfauftritt verweigerte, wurde von den Medien als besonders mutige Geste vermeldet.
Die liberalen Wendeparteien MDF und SZDSZ spielen keine Rolle mehr. Alles andere als ihr Scheitern an der Fünfprozenthürde wäre eine Überraschung. Auch die neue LMP, die sich unkonventionell gibt und als Grüne deklariert, wird von den Umfrageinstituten nicht ernst genommen. Wenn sich ausreichend frustrierte MSZP-Anhänger entschließen, diese unbekannte Größe zu stärken, statt am Sonntag zu Hause zu bleiben, könnte sie vielleicht doch ins Parlament einziehen und eine Zweidrittelmehrheit von Fidesz verhindern.
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