Medientage in München: Vom Leibhaftigen eröffnet
Wie Winnetou vor den Apachen: Springer-Chef Matthias Döpfner vergleicht Bezahl-Apps fürs Handy mit der Eisenbahn. Und Horst Seehofer (CSU) neckt die Schwesterpartei.
MÜNCHEN taz | Diesmal ist er da. Horst Seehofer, leibhaftig. Bayerns Ministerpräsident eröffnet wirklich mal die Münchner Medientage, nachdem er die letzten zwei Jahre zwar immer groß im Programm stand, aber dann kurzfristig verhindert war. Kein Wort natürlich zu seinem ganz besonderen Zugang zur Zuwanderungsdebatte, dafür großes Eigenlob („In Bayern herrscht Vollbeschäftigung in allen Regionen, die Jugendarbeitslosigkeit geht gegen Null“) und ein paar konkrete Ansagen: „Die Medienpolitik muss dafür sorgen, dass Nachrichten und Informationsendungen Bestandteil des privaten Rundfunks bleiben“, so Seehofer zu Debatte um einen möglichen News-Ausstieg bei den Sendern der ProSieben-Sat.1-Gruppe.
Außerdem steht Bayern zum kommenden Gebührenstaatsvertrag – der aus dem heutigen GEZ-System eine Wohnungsabgabe ab 2013 machen wird – wenn im Gegenszug die öffentlich-rechtlichen Sender bereit sind, auf eine gleichzeitige Erhöhung der Rundfunkgebühren zu verzichten und erstmal den heutigen Satz von 17,98 Euro für Funk und Fernsehen pro Monat festschreiben. Offiziell sitzen die zuständigen Ministerpräsidenten der Länder darüber erst kommende Woche am Kamin.
Seehofers Vorpreschen zeigt aber, dass man sich in der Union offenbar geeinigt hat und zum Punkt, vor allem der Mittelstand werde „überproportional belastet“, weil die Gebühr nicht nur für Wohnungen, sondern auch für Betriesbstätten anfällt, ein Kompromiss gefunden ist. Und wenn sich das neue Gebührenmodell etabliert hat, soll auch mal wieder über ein grundsätzliches Werbe- und Sponsoringverbot bei ARD und ZDF verhandelt werden. Und weil die CDU immer mehr von einem eigenen Leistungsschutzrecht für die Verleger abrückt, nutzt der CSU-Chef das als Steilvorlage gegen die geliebte Schwesterpartei: Das neue Gesetz stehe ausdrücklich im Koalitionsvertrag - „wir sollten es uns bei diesem Thema nicht auch noch leisten, es leise einzuschläfern“, sagt Seehofer.
Doch nicht Seehofer hat den stärksten Auftritt beim 22. Durchgang der Münchner Medientage – sondern Springer-Chef Mathias Döpfner. Er fordert von den Öffentlich-Rechtlichen, ihre Apps einfach kostenpflichtig zu machen – dann, so Döpfner, ist zwar noch nicht alles wieder gut, aber immerhin das einzig zukunftsweisende Geschäftsmodell für Journalismus im Netz gerettet.
Und vollends fliegen ihm die Herzen zu, als er danach noch Winnetou zitiert, um der Medienbranche „Zuversicht zu geben“: Der Häuptling der Apachen habe einem angesichts der neuen Technik namens Eisenbahn zweifelnden Old Shatterhand schließlich auch zugerufen „Nur wer sich der Zukunft nicht verweigert, wird überleben“, schrieb Döpfner seinen zaudernden Verleger-Blutsbrüdern ins Stammbuch. Dann machte er die berühmte Abschiedsgeste mit den zwei Fingern und ritt – leider nicht in den Sonnenuntergang. Sondern aufs nächste Podium.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Der alte neue Präsident der USA
Trump, der Drachentöter
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby