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Kolumne Die KriegsreporterinDie Wanderhure gewinnt im Lotto

Kolumne
von Silke Burmester

Sat.1, "Spiesser", "Gala", Bauer-Verlag, Kaffeesatz-Leserei.

H allo taz-Medienredaktion!

Ich weiß nicht, ob es beim Reporter Forum mit rechten Dingen zugeht. Eine hübsche Preisverleihung haben die am Montag in Berlin hingelegt, bei der tollerweise nicht die üblichen Verdächtigen, sondern etliche jüngere JournalistInnen ausgezeichnet wurden und Jörg Thadeusz eine hübsche Rede voller Wahrheiten gehalten hat.

Dort ist mir eine Stunde abhanden gekommen. Sie ist weg. Einfach weg. Um 0.04 Uhr hatte ich zuletzt einem Kollegen aufs iPhone geschielt, wie spät es sei, dann habe ich noch drei Sätze gewechselt und als ich das nächste Mal auf die Uhr sah, war es 1.41 Uhr. Dieser Verlust ist nicht lustig, zumal, wenn man um 6 Uhr aufstehen muss, um nach Frankfurt zu reisen, wo bekanntermaßen nicht mal Goethe, sondern nur ein toter Hund begraben ist.

Eva Häberle
SILKE BURMESTER

berichtet jeden Mittwoch von der Medienfront. Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de

Ruhe ist nun endlich auch im Gottschalk-Karton. Der Großvater des Herrenwitzes, moderierte ein letztes Mal "Wetten, dass..?" und die Medien können endlich wieder über anderes berichten. Über Nazis. Den Euro. Auch ich habe mich auf ZDF- und Jahreszeitenverlags-Diät gesetzt und werde die nächsten drei Wochen diese traurigen Restehallen nicht mehr erwähnen. Aber es gibt ja auch so viele andere schöne Verlage und Sender.

Sat.1 zum Beispiel. Die Münchner schlingern und schlingern und kommen unternehmerisch einfach nicht auf irgendwas Grünes. Dabei sind die sauclever und walzen ihre Erfolge aus. Zum Beispiel die "Die Wanderhure". Mit knapp 10 Millionen Zuschauern ein "Megatevauivent". Der totale Burner. Davon wird jetzt die Fortsetzung gedreht: "Die Rache der Wanderhure".

Kennt man ja. Kaum sind die Weiber aus dem Gröbsten aus, kommen sie mit der Machete zurück. Meist müssen Männer dran glauben. Weil die Wanderhure vor und nach der Rache so viel rumkommt in der Welt, ist es wohl nur noch eine Frage von Drehbüchern, bis auch "Die Wanderhure weint" über den Fernseher flimmert, "Die Wanderhure gewinnt im Lotto" und "Die Wanderhure geht in die Politik".

Da das Böse nicht nur im nicht mehr zu erwähnenden Verlag zu Hause ist, sondern auch von Dresden aus agiert, gibt es ein Bauer-Opfer zu beklagen. Die Bravo. Das bunte Popblättchen will sich einfach nicht mehr verhökern lassen. Rund 80.000 Exemplare weniger wurden 2011 von Heft Nummer 44 im Vergleich zu 2011 verkauft.

Und wer ist schuld? Spießer! Dieses miese Drecksblättchen, das unverschämterweise seine Auflagenzahl benutzt, um für Anzeigen zu werben. Ständig denkt man sich beim Bauer-Verlag neue Drangsalierungsmaßnahmen aus, um Spießer, entstanden aus einer Schülerzeitung, fertigzumachen, aber die respektlosen Ossis wollen sich partout nicht einschüchtern lassen! Und jetzt ist sogar den 11-Jährigen die Bravo zu blöd. Bei Bauer glotzt man hilflos in den Kaffeesatz. "Hat Spießer", ist die Frage, die alle beschäftigt, "die Jugend verhext?"

Sollte es jemals einen Kai-Diekmann-Zynismus-Award geben, Peter Lewandowski, Chefredakteur der Gala, wäre ein perfekter Anwärter. Sein Blatt lebt davon, Bilder zu drucken, auf denen Prominente unvorteilhaft abgelichtet sind, damit man ihnen allerlei Unglück andichten kann.

Und was sagt Herr Lewandowski anlässlich des zehnjährigen Jubiläums auf die Frage von meedia, was ein gutes Peoplemagazin ausmacht? "Dass wir den Menschen positiv gegenüber aufgeschlossen sind." Ja, Herr Lewandowski, es ist schön, dass Sie positiv aufgeschlossen sind. Und Sie lehren, wie es geht: "Zu blöd für Zeitungsmachen außerhalb von Puder, Pilates und Heidi Klums Medienmaschinerie? Ooh, das tut mir aber leid!", sage ich in seine Richtung. Und damit zurück nach Berlin!

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Kolumnistin
Silke Burmester war über 25 Jahre schreibende Journalistin. Von Anfang an auch für die taz. Hier hat sie u.a. Carla Brunis geheimes Tagebuch veröffentlicht und als „Die Kriegsreporterin“ von der Medienfront berichtet. Jetzt hat sie beschlossen, Anführerin einer Jugendbewegung zu werden und www.palais-fluxx.de für Frauen ab 47 gegründet, das "Onlinemagazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre“. Für die taz wird sie dennoch ab und zu schreiben, logo!

7 Kommentare

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  • V
    vic

    Ein Tipp für Sat1: "Die Wanderhure wird sesshaft". So zum Abschluss vielleicht?

  • SR
    Schwester Rabiata

    Ja was soll's, grobe Verallgemeinerungen sind schlag-, aber nicht besonders aussagekräftig. "Drüber stehen" heißt die Devise.

  • P
    paul

    Bleibt mal locker liebe Frankfurter, aber auch diejenigen, die keine Würstchen sind, sondern dort leben, können sich entspannen ;-)

     

    Also ich erwarte von Journalisten grundsätzlich kein klassisches "Gottschalk-Geschleime", wie schön doch Stadt X ist oder wie wunderbar Dorf Y. Was soll der Mehrwert für den Journalismus sein? Dafür gibt es Reisemagazine, Touristenämter und PR-Leute, also mehr als genug "Frankfurt ist schön"-Befürworter.

     

    Wenn der Besucher einer Stadt den subjektiven Eindruck hat, dass die Stadt bei seinem Besuch wenig ansprechend war, wieso sollte man das nicht genau so äußern - vor allem auch als kritischer Journalist.

     

    Wenn ich Stadt X an einem verregneten Tag besuche, mich einer der Einheimischen dumm anredet und ich nur furchtbare Betonwüsten sehe, dann werde ich sicher nicht sagen: "Welch eine schöne Stadt" oder "sicher gibt es irgendwo an anderen Ende der Stadt ein Eck, wo alles schöner ist", sondern kann wahrheitsgemäß erklären, mein Besuch in der Stadt X war einfach nur scheiße.

  • W
    weggebombt

    hallo, liebe/r frankfurter/in,

    lassen sie sich trösten: in berlin hat's auch viele gruselige ecken! silke burmester kommt aus der perle der rebublik, hamburg! klar ist ihr blick von daher ein ästethisch verwöhnter.

     

    liebe autorin,

    die frankfurter altstadt soll tatsächlich ganz hübsch sein (fachwerk und so). naja, und nun stell dir mal vor, jemand besucht zum ersten mal hamburg und bekommt bloß den hässlichen osten von barsbüttel bis zum berliner tor zu sehen, der/die kriegt doch auch nen schock fürs leben ...

  • KA
    kritik aus frankfurt/main

    ach...liebe frau burmester, warum denn gleich die ganz große keule? "offen, eiternd, stinkend"? "scheußlich"? welche beschreibungen gebrauchen sie denn dann erst für cottbus? oder hannover? ...naja, was frankfurt angeht kommen wir offensichtlich nicht auf einen nenner, anders als bei cherno. muss ja auch nicht sein, wir kommen hier ganz gut ohne ihre zuneigung aus.

     

    ein gutes argument pro frankfurt haben sie im übrigen selbst geliefert: (fast) alle, die dauerhaft hier sind, fühlen sich sehr wohl und finden die stadt schön. irgendetwas muss sie also doch haben...

     

    vielleicht sind wir uns ja wenigstens darüber einig, dass die berlin-fixierung, wie sie (auch) in der taz in nerviger häufigkeit zu finden ist, ebenfalls keine lösung ist?!

     

    grüße!

  • SB
    Silke Burmester

    Liebe Frankfurter Bürgerin, lieber Frankfurter Bürger!

     

    Ich war gerade gestern in Ihrer Stadt und hatte das Glück, mit dem Auto herumgefahren zu werden. Wir furhen von A nach B und auch nach C. Von einem überzeugten Frankfurter, der nicht müde wurde, zu sagen, dass es auch schöne Ecken gäbe. Tatsächlich konnte man an einigen Stellen erahnen, was die Stadt einmal war. Zwei Straßenzüge lang. Bis dann schon wieder irgendein Drumm an der Ecke stand oder das, was man modernen Wohnungsbau nennt und kaum etwas anderes als den Menschen verachtende Seelenlosigkeit ist.

    Wie gesagt, gestern kam ich ein wenig rum und ich muss sagen, diese Stadt ist eine Betonwunde. Offen, eiternd, stinkend. Es ist wirklich scheußlich. Schön, wenn alle, die die Stadt so mögen, in den schönen Ecken wohnen. Diese sind demnach immerhin riesig. Beste Grüße Silke Burmester

  • KA
    kritik aus frankfurt/main

    liebe frau burmester,

     

    großartige kolumne, lustig und informativ. normalerweise. aber was soll denn nun die sache mit frankfurt? gehören sie etwa auch zu denen, die von der stadt nur den bahnhof und den flughafen kennen, sich aber trotzdem ein (negatives) urteil erlauben? anders ist ihre bemerkung nicht zu erklären. wir haben es hier wunderschön und spannend, mit wachen augen können sie es sehen.

     

    grüße!