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Kommentar PharmapreiseRöslers Scheinsieg

Matthias Lohre
Kommentar von Matthias Lohre

Die Pharmaindustrie soll künftig den Nutzen von neuen Arzneimitteln nachweisen. Dabei ist das doch das alte Spiel: Unangenehme Studie lassen die Pharmakonzerne einfach verschwinden.

I m Gesundheitswesen ist weniges so, wie es auf den ersten Blick erscheint. So ist es auch bei der jüngsten Ankündigung Philipp Röslers. Der Gesundheitsminister erklärt, er habe einen Weg gefunden, die rapide steigenden Kosten für neu auf den Markt drängende Arzneien zu dämpfen. Unternehmen müssten nachweisen, dass ihre Produkte einen zusätzlichen medizinischen Nutzen haben, und mit Kassen über Preise verhandeln. Klingt gut. Doch was wie eine stärkere Kontrolle aussieht, könnte sich als das Gegenteil erweisen.

Schon heute gibt es eine Institution, die den Zusatznutzen und die Wirksamkeit neuer Arzneien wissenschaftlich feststellen soll: das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Die Kölner Einrichtung hat Rösler erst vor Kurzem geschwächt: durch den Sturz von dessen renommiertem Chef. Das Institut führte einen Kleinkrieg gegen Pharmaunternehmen, um sie zur Herausgabe aller Studienergebnisse zu bewegen.

Die Konzerne haben natürlich ein Interesse daran, nur ihnen genehme Ergebnisse zu veröffentlichen. Und nun will Rösler allen Ernstes festschreiben, dass auf Grundlage ebendieser Daten die Wirksamkeit einer Arznei beurteilt werden soll. Das ist ungefähr so, als überließe die Stiftung Warentest Unternehmen das Testen ihrer Produkte.

Bild: taz

Matthias Lohre ist Parlamentskorrespondent der taz.

Pharmaunternehmen machen ein Geheimnis daraus, wie viel die Entwicklung eines Medikaments kostet. Dadurch können sie ihre Gewinnmargen in die Höhe treiben. Wenn künftig Kassen und Firmen über Arzneipreise verhandeln, muss dabei keine Preissenkung herauskommen. Die Konzerne können mit stark überzogenen Forderungen in die Gespräche gehen - und sich die Differenz zum Wunschpreis wieder abhandeln lassen. All dies ist kein Sieg für Rösler, sondern eine Niederlage für die Versicherten.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.
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2 Kommentare

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  • B
    Bernard

    Offener Brief an Rösler

     

    Interessant: Dr. Johann Georg Schnitzer hat einen offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler geschrieben! Nachzulesen hier auf seiner Web-Seite: dr-schnitzer.de/emailnachrichten.html (erster Artikel). So würden sich effektiv die allermeisten Kosten sparen lassen - sehr zum Wohl der Bürger. Weitererzählen!

  • D
    DenkSchlächter

    Leute ( nicht nur ) aus der FD-Mövenpick können nicht anders: die Einen mit Wohltaten versorgen, die anderen verhohnepiepeln.

    Hier, mit besonderer Zuneigung die „forschenden Pharmaunternehmen“.

    Ich frage mich, wo diese „forschen“. Sind es die Juristen, die listenreich für Arzt und Patient unverständliche, aber rechtverdrehende Beipackzettel entwerfen?

    Sind es die Betriebswirtschaftler / Marketing- Strategen, die sich immer neue Kniffe ausdenken, Alt für Neu mit höchstem Gewinn zu verscherbeln und Re-Importe zu be-/verhindern und dazu die Krankenkassen veralbern.

    Alles schon toll „eingetütet“ Herr Dr. Rösler. Es danken: die „forschenden Pharmaunternehmen“ und weitere Abzocker im Gesundheitswesen!