piwik no script img

Wahlkampf in Baden-WürttembergSchwarz-Grün nicht ausgeschlossen

Bei der Präsentation der Wahlplakate schießt Grünenkandidat Winfried Kretschmann gegen die CDU. Eine klares Nein zu einer Koalition bleibt aber aus.

Volle Kanne Wahlkampf: Winfried Kretschmann will den Wechsel. Bild: dpa

STUTTGART taz | Das dürfte einem Grünen-Spitzenkandidaten in der Vergangenheit selten passiert sein: Bei der Präsentation der Wahlplakate durfte Winfried Kretschmann am Montag vor dem Landtag in Stuttgart ein Autogramm geben. Ein Junge hatte ihm einen Aufkleber gegen "Stuttgart 21" hingehalten.

Doch das Bahnprojekt, das die Grünen in Baden-Württemberg populär gemacht und in den Umfragen weit nach vorne gespült hatte, werden die Grünen in ihrem Wahlkampf bis zum 27. März nicht in den Mittelpunkt rücken, sondern vielmehr die Konsequenzen, die aus ihrer Sicht aus dem Bahnhofsstreit gezogen werden müssen.

Die Fronten im Streit über die Tieferlegung des Hauptbahnhofs dürften ohnehin geklärt, die Argumente hinlänglich ausgetauscht sein. Zudem hatte der Schlichterspruch von Heiner Geißler für ein "Stuttgart 21 plus" den Projektgegnern etwas den Wind aus den Segeln genommen. Doch bei dem Streit ging es schon längst nicht mehr nur um einen Bahnhof. Immer mehr gerieten das Demokratieverständnis und der Regierungsstil der CDU in den Fokus – und genau das will sich die Opposition nun zunutze machen.

Auf dem zentralen Wahlplakat der Grünen halten unterschiedlichste Menschen ein Banner mit der Aufschrift "Politik wechseln" hoch. "Bürgerbeteiligung", "Stärkung des Parlaments", "Politik von unten" sind die Schlagworte der grünen Wahlkampagne, die auf eine Wechselstimmung im Ländle setzen. Diese sei nicht nur zu spüren, weil die CDU inzwischen fast 60 Jahre durchgehend an der Macht ist, erklärte Kretschmann. "Diese Regierung ist die schwächste von allen. Wir haben einen Ministerpräsidenten ohne politischen Kompass."

Vor allem wollen die Grünen ein "neues Baden-Württemberg" ausrufen und sich an dessen Spitze setzen. Die CDU stehe freilich für das alte. "Mit einer neuen, aufmüpfigen Bürgerschaft kann sie nicht umgehen", sagte Fraktionschef Kretschmann. Nach der Wahl solle Schluss sein mit dem "Durchregieren von oben".

Aber dagegen, dass er am Ende womöglich doch noch ein Bündnis mit der viel kritisierten CDU eingeht, wollte sich Kretschmann dann doch nicht festlegen. Zwar sagte er: "Ich glaube, es riecht zurzeit nicht nach Schwarz-Grün", doch Koalitionen von vornherein auszuschließen, halte er nicht für klug. Zurückliegende Wahlen hätten gezeigt, dass Überraschungen und schwierigste Situationen möglich sind. "Wir werden einen eigenständigen Wahlkampf führen, und dann entscheidet der Souverän." Es sei aber klar: "Wenn es die Möglichkeit gibt, die CDU in die Opposition zu schicken, werden wir das tun."

Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hatte sich kürzlich grundsätzlich offen für Bündnisse mit den Grünen gezeigt. "Schwarz-Grün ist und war kein Teufelszeug", sagte er in einem Zeitungsinterview. Gleichzeitig jedoch bezeichnete er eine Landesregierung aus CDU und Grünen als "völlig unrealistisch".

Für genauso unwahrscheinlich hält Mappus auch eine Koalition mit der SPD. Er gehe davon aus, dass die Linkspartei den Einzug in das Parlament verfehlen und es damit eine Mehrheit für Schwarz-Gelb oder Grün-Rot geben werde, sagte Mappus am Wochenende nach der Klausurtagung der Südwest-CDU in Kloster Schöntal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • MS
    M. Stocker

    Ach Leutchen, das große Getröte 'schließt Koalition mit ditt und datt nicht aus' ist doch nix anderes als der Versuch aus dem Hause Mappus/Dietz die Grünen-Wähler zu entmutigen und verunsichern. Das wird aber schiefgehen. Denn die Grünen können nur bei Strafe des eigenen bundesweiten politischen Selbstmordes eine Koalition mit der CDU in BaWü eingehen.

    Es ist flankierender Teil des propagandistischen Amoklaufs der Konservativen gegen die Grünen. Genauso wie die Behauptungen, die Grünen würden nach der Wahl, gesetzt den Fall sie stellen den Ministerpräsidenten, S21 weiterbauen. Sollten die Grünen einen Schwenk in diese Richtung wagen, können sie gleich die gleiche Polizeipräsenz für ihre eigenen Parteieinrichtungen in Stuttgart wie für die S21-Baustelle organisieren, viel Vergnügen!

     

    Angst essen Seele auf. Bei der CDU: nicht nur Seele, vor allem den Verstand.

  • V
    Verlogen

    Ich erinnere mich gut wie sehr Anfang der 90er meine grünwählenden 68er Lehrer Hass sprühten weil wir wieder mal das Wort Heimat im Unterrichtsplan hatten. Wenn jetzt gerade die Grünen mit "volle Kanne Heimat" kommen dann kann ich nur lachen über so viel Wendehalsfähigkeiten. Ich erinnere mich auch gut an die Aussage die man jetzt nirgens lesen wird: "Es geht nicht um Recht oder unrecht in der Einwanderungsdebatte, uns geht es zuerst um die Zurückdrängung des deutschen Bevölkerungsanteils in diesem Land." (Vorstand der Partei „Die Grünen“, München)

    Wenn solche Leute mit Heimat werben funktioniert das nur mit freiwillig blinden Journalisten. Ich hoffe das sind bei uns in Bayern nicht alle. Ich werde auf jeden Fall etwas Neues wählen. CSU,SPD und FDP sind ja letztendlich von den Grünen kaum zu unterscheiden wenn es um gesellschaftliche Zukunftsthemen geht. Wer von denen welchen Stimmenanteil erhält verändert gesellschaftlich nur Nuancen. Auch in Bayern. Dabei spilt es keine Rolle ob Seehofer oder der Ölprinz an der Spitze stehen. Am liebsten wären mir sowieso Volksentscheide wie wir sie in Bayern haben und zwaqr auf Bundesebene. Da arbeitet man aber mit allerlei Gesetzen an der Möglichkeit der Einschränkung und außerdem konnte man sehen welche Debattiermöglichkeiten man hat als Sarrazin medial hingerichtet und beruflich vernichtet wurde. Ohne freie Rede kann man Demokratie eh vergessen. Da kann dann CSUSPDGRÜNEFDP auch gemeinsam am Steuertrog sitzen.

  • TS
    Timo Steinhilper

    Nur eine starke SPD im Ländle wird die (konservativen) baden-württembergischen Grünen davon abhalten, nach der Wahl mit den Schwarzen ins Bett zu steigen. Dass wäre dem Herrn Kretschmann nämlich am liebsten ...

  • W
    Weinberg

    Schwarz-grün nicht ausgeschlossen – da wird sich der Wähler fragen, in welche Richtung der Grünen-Zug rollt. Dieses nebulöse Verhalten kennen wir allerdings schon von der SPD, die stets links blinkt und dann rechts abbiegt.

  • MS
    Michele Settembrini

    Also wenn die Grünen mit Mappus eine Koalition eingehen würden - damit schlagen sie allen Stutgart21 Demonstranten gerade nochmal ins Gesicht-

    gehts noch - diese Polizei-Aktion wird für angemessen gehalten und Mappus wußte von nichts.