Mitbestimmung bei ZDFneo: Gescheiterter Laborversuch
In seinem „TV Lab“ ließ ZDFneo zum zweiten Mal die Zuschauer über ein neues Format abstimmen. Die Auswahl war mehr als dürftig.
![](https://taz.de/picture/195460/14/Deutsches_Fleisch_ZDFneo.jpg)
Eine gute Idee sollte man pfleglich behandeln. Jedenfalls sollte man seine Einfälle nicht so zugrunde richten, wie ZDFneo es dieses Jahr mit seinem „TVLab“ tat. Beim „TVLab“ können die ZuschauerInnen eine Woche lang – jeden Tag wird ein Wettbewerbsbeitrag ausgestrahlt – online über sieben Pilotsendungen abstimmen, das Siegerformat geht bei ZDFneo in Serie.
Basisdemokratisches Mitmachfernsehen, eine nette Idee, wo ja sowieso alle irgendwie Social Media sein wollen. Und die Premiere im letzten Jahr brachte mit Tedros Teclebrahns „Teddy’s Show“ immerhin einen Gewinner hervor, der die schwierige Abteilung Comedy mit seinen Parodien auf die deutsche Integrationsgesellschaft tatsächlich ein bisschen intelligenter und lustiger machte.
Beim diesjährigen „TVLab“, das am vergangenen Samstag mit der animierten Cartoon-Serie „Deutsches Fleisch“ seinen Sieger fand, schien den Machern ihr Gespür für Formate mit Potenzial leider ein wenig abhandengekommen zu sein. Da konnte man bei „Kampfansage“ (Platz zwei) jeweils zwei KandidatInnen bei belanglosen Spielchen (Marshmellow-Wettessen, Wettschminken) zusehen, als Gewinn gab es ein Käsebrot. Sich selbst bloß nicht zu ernst nehmen zu wollen ist zwar schwer in Mode, geht aber auch kreativer.
Auch die drei Profiköche Chakall, Shane und Frank alias die „Beef Chefs“ (Platz drei) konnte und sollte man nicht so ganz ernst nehmen, wie sie da testosteronschwanger auf irgendeiner Alm herumstolperten und sich ihr Abendbrot (ein Maibock, drei Bachforellen) zusammenschießen und ausweiden sollten.
Auch Sex muss sein
Selbstverständlich nicht fehlen durfte auch noch ein trashiger Sextalk (Platz vier) namens „Heiß & Fettig“. Wer scharf auf ein bisschen Fremdschämen war, konnte in Einspielerfilmchen zwei Showgästen beim Ausprobieren von Masturbationshilfen zusehen. Natürlich sah man nie wirklich etwas – außer dass den beiden das ganze Untenrumding irgendwie auch ziemlich peinlich war.
Am Siegerformat „Deutsches Fleisch“, einer satirischen Cartoon-Serie über vier Freunde an einer Imbissbude, ist das Spannendste die Idee. Deutsches Fleisch? „Man hätte es auch deutsche Substanz nennen können“, erklärt Ilja Schmuschkowitz, neben Willy Kramer einer der beiden Autoren des Formats.
Das hätte gut werden können: Eine gesellschaftskritische Cartoon-Serie, so etwas musste man bisher – „Simpsons“, „South Park“, „Family Guy“ – immer aus Amerika importieren.
„Deutsches Fleisch“ fällt zu Beginn leider bloß ein, sich noch mal darüber zu amüsieren, dass es in der DDR keine Bananen und angeblich, hihi, auch keine Pornoheftchen gab. Später moderiert eine Rudi-Carell-Karikatur eine „Herzblatt“-Parodie.
Wenn das die dringlich zu persiflierende „deutsche Substanz“ sein soll, hätte man ruhig fünf Minuten mehr überlegen dürfen. Und leider kommt auch der Humor – ein „Furz-o-meter“, ein onanierender „Sesamstraßen“-Samson – über pubertäres Fäkalniveau oft nicht hinaus.
Selbst ZDFneo scheint die Lust an der Veranstaltung vergangen zu sein
Auf dem letzten Platz landete mit „Der Protagonist“ übrigens ein recht simples Format, das aber 28 wohltuende Minuten gänzlich ohne Fleisch, Sex und Fäkalwitze auskam. Dafür gab’s ein hörenswertes Interview von Jörg Thadeusz mit dem Geldfälscher Hans Jürgen Kuhl.
Am Ende schien selbst ZDFneo die Lust an der Veranstaltung vergangen zu sein: Die Verkündung des Siegerformats erfolgte Samstagnachmittag nur online, erst am Sonntagabend wurde das Ganze noch mal im Fernsehen ausgestrahlt – um 23.25 Uhr.
Die Pressemitteilung mit dem entsprechenden Programmhinweis folgte am Montag. Manchmal, hat man sich beim ZDF vielleicht gedacht, ist es besser, wenn man Dinge einfach mal ganz schnell vergisst.
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