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Geschäftemacherei mit Hitler"Mein Kampf" am Kiosk?

Ein Brite will den Deutschen Auszüge aus Hitlers Werk angedeihen lassen. Mit Nazi-Werbung hat das wenig zu tun, eher mit Geschäftstüchtigkeit.

In anderen Ländern in Buchhandlungen erhältlich: "Mein Kampf". Bild: imago

Hitler geht immer. Peter McGee kennt sich da aus. Der britische Verleger hat schon diverse Schmuddeltexte wie Faksimiles des Völkischen Beobachters oder der NS-Zeitung Der Angriff, jeweils editiert von renommierten, aber offenbar geldgeilen Historikern, unters deutsche Volk gebracht. Nun also Adolf höchstpersönlich.

Kommentierte Auszüge seines Bestsellers "Mein Kampf" sollen noch in diesem Monat an den Kiosken zum Verkauf angeboten werden. Ist das nicht furchtbar? Steht zu befürchten, dass nun Neonazis und solche, die es werden wollen, mit neuen Argumenten und Phrasen munitioniert werden, auf dass ihre ekelhafte Bewegung weiter wächst und gedeiht?

Eher nicht.

Nach dem Krieg wollten die meisten Deutschen bekanntlich von überhaupt nichts gewusst haben. Judenverfolgung, Konzentrationslager, Massenerschießungen von Geiseln und Kommunisten - nie gehört. Nichtwissen sollte vor Verantwortlichkeit schützen, die man umstandslos dem "Führer" allein zuschob. Nur in einem einzigen Punkt erscheinen diese Weißwaschungen der deutschen "Volksgenossen" als glaubwürdig: dass niemand "Mein Kampf" gelesen habe.

"Mein Kampf" entbehrt jeder Logik

Tatsächlich entbehrt der zweibändige Hitler-Wälzer nicht nur jeder Logik, er ist auch grauenhaft schlecht geschrieben: "Der schwarzhaarige Judenjunge lauert stundenlang, satanische Freude in seinem Gesicht, auf das ahnungslose Mädchen, das er mit seinem Blut schändet und damit seinem, des Mädchens, Volke raubt", heißt es da etwa. Gehts noch primitiver?

Dass das Buch eine hohe Auflage erreichte und Hitler zum Millionär machte, ist vor allem der Tatsache zu schulden, dass es bei der Heirat dem jungen Glück im NS-Staat kostenfrei von den Standesämtern überreicht wurde. Dass heute jemand wegen solcher Sätze zum Antisemiten wird, kann man wohl ausschließen - es sei denn, er war vorher schon einer.

Die Rechte an "Mein Kampf" liegen seit 1948 beim Freistaat Bayern. Das Bundesland hat bisher alle Versuche, das Buch in Deutschland erneut aufzulegen, erfolgreich verhindert. Eine Veröffentlichung der Schrift gilt als Wiederverbreitung nationalsozialistischer Propaganda. Das war in den Nachkriegsjahren durchaus verständlich. Doch 2015, nach der 70-jährigen Schutzfrist, laufen diese Rechte ab. Gegen Peter McGee prüft das bayerische Finanzministerium derzeit juristische Schritte.

Hui, mag mancher da denken, jetzt wird Verbotenes endlich öffentlich gemacht. Doch das ist falsch.

Es ist eben nicht so, dass McGee behaupten könnte, er sei mit der geplanten Veröffentlichung ein Vorkämpfer für die Pressefreiheit. Abgesehen davon, dass Textauszüge von "Mein Kampf" jederzeit im Internet erhältlich sind, existiert seit Jahrzehnten eine freilich zweifelhaft kommentierte Ausgabe mit entsprechenden Auszügen. Das über jeden Zweifel erhabene Münchner Institut für Zeitgeschichte arbeitet seit einiger Zeit an einer historisch-kritischen Ausgabe des Buchs. Und schließlich ist das Buch in wissenschaftlichen Bibliotheken jederzeit ausleihbar.

Wahrscheinlich kommt es jetzt so, wie es kommen muss: McGee bringt Ende Januar sein "Mein Kampf"-Schmuddelblatt heraus. Der Freistaat Bayern ergreift juristische Schritte. McGee darf sich über diese kostenfreie Werbung freuen. Einige zehntausend Deutsche greifen zur Abwechslung mal zu "Mein Kampf".

Mit Propaganda für den Nazismus hat das alles wenig zu tun, sehr wohl aber mit dem Bemühen, aus jedem Dreck Geld machen zu wollen.

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16 Kommentare

 / 
  • S
    Schmidt

    Ein Volk, ein Reich, ein Führer und der Kommerz-Weitblick eines McGee

    “Mein Kampf“, Ausgabe 1936, 185. - 187. Auflage, S. 434:

    „Somit ist der höchste Zweck des völkischen Staates die Sorge um die Erhaltung derjenigen rassischen Urelemente, die, als kulturspendend, die Schönheit und Würde eines höheren Menschentums schaffen. Wir als Arier vermögen uns unter einem Staat also nur den lebendigen Organismus eines Volkstums vorzustellen, der die Erhaltung dieses Volkstums nicht nur sichert, sondern auch der Weiterbildung seiner geistigen und ideellen Fähigkeiten zur höchsten Freiheit führt.“

    S. 443: „Jegliche Rassenkreuzung führt zwangsläufig früher oder später zum Untergang des Mischproduktes, solange der höher stehende Teil selbst noch in einer reinen irgendwie rassenmäßigen Einheit vorhanden ist.“

    Antiquarische Standpunkte: sehr selten gelesenes Buch. Die meisten der noch vorhandenen Exemplare findet man im Zustand von gut bis vorzüglich. Auch die Halblederne zum 50. Führergeburtstag, Ausgabe 1935. Ausnahmen: Bd. 1 u. 2 v. 1925 u. 27 und die sogenannte Tornisterausgabe im Taschenbuchformat, v. Soldaten im Krieg mitgeführt. Das Buch ist noch in vielen älteren Haushalten vorhanden.

    Informationen und Meinungen von „Mein-Kampf-Besitzern aus den letzten 50 Jahren:

    „Nu ja – wir haben den „Kampf". Reingeguckt haben wir schon mal, ist aber nicht runterzukriegen“, oder „Deutschland würde sich nicht mit Ruhm bekleckern, brächte man es wieder unter die Leute.“

    Lit.: „Als wir den II. Weltkrieg ausgruben …“, 2011.

  • P
    petra

    hi,

     

    also, ich finde es gut dasdieses pamplet weiterhin nicht veröffentlicht werden darf. das ist eine schmier- und hetzschrift sondergleichen. auf der einen seite will man die ndp verbieten - auf der anderen aber dann so eine schmierschrift rausbringen.geht garnicht. denkt mal an die opfer(holocaust, mordserie) und deren angehörige. das ist doch ein schlag ins gesicht für die. gut, das der freistaat bayern noch das urheberrecht darauf hat und das nicht zulassen will. weg mit dem nazischund!!!!!!!!!!!

  • L
    @Leser

    teile deine auffassung, aber ich bitte zu bedenken: der begriff "Gutmensch" ist gerade durch hitlers machwerk negativ konnotiert:

     

    "Der Deutsche Journalisten-Verband vermutet in Zusammenarbeit mit Sprachforschern des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung die Herkunft des Begriffes in der Zeit des Nationalsozialismus.[4] Demnach soll die Bezeichnung „Gutmensch“ bereits für die Anhänger von Kardinal Graf von Galen verwendet worden sein, die gegen die Ermordung Behinderter in der NS-Zeit auftraten. „Gutmensch“ sei eine Ableitung vom jiddischen „a gutt Mensch“. Der DJV verweist auf Adolf Hitler, der in seinen Reden und seinem Buch „Mein Kampf“ die Vorsilbe gut wiederholt in abwertendem Zusammenhang verwendet hatte. So waren für ihn gutmeinende und gutmütige Menschen diejenigen, die den Feinden des deutschen Volkes in die Hände spielten.[22]"

     

    quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Gutmensch

  • LN
    Leser nochmal

    @Dirk: Ich bin selber ein "Gutmensch" für Nazis, Freiheitler und ähnliches Gesindel, allerdings gibt es unter den "Linken" LEIDER sehr viele Leute, die mit guten Absichten Dinge verändern wollen, aber das Gegenteil bewirken, da sie sich nur oberflächlich bzw. gar nicht mit der kompletten Materie befasst haben, das unterscheidet einen Gutmensch von einem guten Menschen.

    Von mir aus kann man "Mein Kampf" hassen, bespucken und sich damit den Allerwertesten abwischen, aber durch Verbote wird nix erreicht, GAR NICHTS!

  • D
    Dirk

    @Leser: Sie schreiben:

    "Aber manche - man verzeihe mir diesen Ausdruck - Gutmenschen meinen halt durch Verbieten und gewisse verkrampfungen alles ins Lot zu bringen"

    Sorry, lieber Leser, ich verzeihe diesen Ausdruck nicht.

    "Gutmensch" ist eine sprachliche Erfindung von Göbbels zum Zwecke der Diskriminierung von Nicht-Zynikern. Die Fürsprecher von Verboten sind Zyniker, die den normalen Leuten keinen Verstand zubilligen und meinen, für diese mitdenken zu müssen, da sie ja doch nur romantisch-naives Zeugs zusammendenken, das der wirklichen, also der zynischen Realität widerspricht und ihr nicht gewachsen ist.

    Ihnen zufolge sind es nun die von Göbbels diffamierten "Gutmenschen", die verbieten wollen.

    Verbieten ist das Rezept der Nazis gewesen, genauso wie die Nazis "Gutmenschen" am liebsten verboten hätten, die sich ihrem zynischen Scheiss verweigerten.

    Können wir nun ein für allemal aufhören mit der Verwendung von "Gutmensch", statt den so gemobbten auch noch die Verantwortung für das eigene Gemobbtwerden unterzuschieben?

    Loben wir ihn in den Olymp der Un-Wörter des Jahres weg, wer braucht solche Ausdrücke?

    Ich meine, ausser denen, die diffamieren wollen?

    Was woillten Sie eigentlich, lieber Leser?

  • I
    Ichschmeißmichweg

    Wird dringend Zeit, daß dieses "Werk" entmystifiziert wird. Mein Vorschlag: In der 7. Klasse (dann sind Schüler bekanntlich besonders bocklos, aber anfällig für jegliche Form von Gesinnungsgehirnwäsche,) wird "Mein Kampf" Pflichtlektüre in ALLEN Schulformen. Es gibt keinen schnelleren Weg, Menschen das Interesse an Nazis auszutreiben (wie einem - nicht nur in der Schule - gewöhnlich jegliches Interesse an irgendwas genommen wird, das PFLICHT ist!!!).

  • T
    T.V.

    Prinzipiell ein gutes Buch für Oberstufenschüler - wegen den erwähnten Gründen weniger für Literatur als für Politik. Falls das NPD-Verbot nach dem Wulffklamauk noch mal Thema werden sollte, kann man im gleichen Atemzug auch Mein Kampf wieder in die Bücherregale stellen. Wer schon ideologisch verbohrt ist, den kann DAS groteske Ding auch nur verwirren. Vielleicht noch mit einem Hinweis, daß die Ursprünge der Thesen Sarrazins in den Texten der antisemitischen Cheftheoretiker zu finden sind. Der Schleier des Vergessens hilft nur den Tätern.

  • V
    vic

    Ich bin sicher, der Dreck findet seine Käufer. Viele Deutsche stehen auf sowas - zu viele.

  • JR
    Josef Riga

    Historisch-kritische Ausgabe? Dass ich nicht lache! Trauen Sie ihren Lesern nicht zu, sich selbst eine Meinung zu bilden, in dem sie das Original lesen dürfen? Ohne Kürzungen, bitte.

    Was für jeden wichtigen Text gilt, muss auch für "MEIN KAMPF" gelten. 2015 ist es sowie so weit. Ich freue mich bereits darauf, das wichtigste deutschsprachige Buch des 20. Jahrhunderts endlich in Händen zu halten.

  • C
    Carlos

    Wie kann man sich nur über einen so alten,hornalten Schinken dermaßen ereifern.Wer das Buch lesen mag sollte dies tun dürfen, wenn ihm bei der Lektüre nichts auffällt dann kann ihm eh keiner mehr helfen.Die Angst vor Hitlers Schatten wirkt ,und sie wirkt erbärmlich.Da hilft scheinbar auch kein Knopp.

  • L
    Leser

    Mir geht dieses ab- und aufgeklärte Geseier über Mein Kampf so dermaßen auf den Keks, das glaubt man kaum...

    In anderen Ländern liegt Hitler neben Gandhi oder Marx oder Fix und Foxi und trotzdem haben wir in Indien keinen Adolf Singh oder in den USA keinen John Hitler an der Macht, mal Ball flachhalten.

    Und GERADE WEIL Mein Kampf ein bräunlich dampfendes Machwerk ist (gerade mit der dt. Geschichte im Hinterkopf) ist es RICHTIG, dass es veröffentlicht ist.

    Serdar Somuncu (der glaube ich keine Nazi ist, nein) liest es öffentlich!

     

    Aber manche - man verzeihe mir diesen Ausdruck - Gutmenschen meinen halt durch Verbieten und gewisse verkrampfungen alles ins Lot zu bringen; es ist nun mal so, dass ein gewisser Teil der Bevölkerung so eine Denke hat und sich beeinflussen lässt und sich dieses Buch besorgen WIRD, besonders, wenn es illegal ist!

    Besser ist es, wenn ALLE das Buch mal lesen/überfliegen würden und dann LERNEN wie es damals dazu kam und was man daraus für heute lernt, in dem Sinne kann man nämlich wirklich noch etwas aus Mein Kampf lernen, allerdings nicht zu "Adis" Freude nehme ich an.

     

    Ich halte es mit der Meinungsfreiheit wie die Amis, dort kann auch jeder P... rumlaufen und Müll von sich geben. Antwort: Hohn und Spott.

    Meinungsfreiheit und dessen vernünftiger Bruder MeinungsAUSTAUSCH sind wichtig für eine demokratische Gesellschaft, wenn wir einen Teil wegschließen, kommt das alles wie ein Boomerang zurück, wetten??

  • N
    Nico

    Das wird ja super wenn das nach 2015 auch in Deutschland veröffentlicht wird. Geschichtliche Bildung? Wahrheit? Als ob.

     

    Wie verantwortungsvoll und reif gewisse Deutsche zu Deutschlands Geschichte stehen, sieht man ja schon wenn ein Typ ein rotes Buch mit absurden Thesen aufstellt.

    Wenn dann "Mein Kampf" wiederkommt, werden sich viele Menschen über die noch viel primitivere "Argumentation" freuen, da sie dann noch viel weniger nachdenken und umso mehr hetzen können als zuvor.

  • SR
    Sven Rohrmoser

    Sehr geehrter Herr Hillenbrand,

     

    auf welche Ausgabe kommentierter Auszüge aus "Mein Kampf" spielen Sie denn mit Ihrer Passage: "[...] seit Jahrzehnten eine freilich zweifelhaft kommentierte Ausgabe mit entsprechenden Auszügen.[...]" an und was ist an dieser zweifelhaft?

     

    Mit freundlichen Grüßen

     

    Sven Rohrmoser

  • H
    Hans

    Solange in Deutschland Straßen und Gebäude noch nach NS-Tätern benannt sind, kann sich Bayern die Verhinderung der "Wiederverbreitung nationalsozialistischer Propaganda" in die Haare schmieren. Wer will denn jetzt schon festtreten, welche kommentierte Ausgabe die seriöse oder "richtigere" ist. Vorerst ist der Artikel viel Lärm um nichts. Histotainment in der Endlosschleife im ZDF ist auch nur ein Produkt ökonomischer Interessen.

  • W
    Wolf

    ...vielleicht sollte Bayern das Buch selbst herausgeben, eine "kommentierte" Ausgabe wäre denkbar. Da die Mehrheit aber eh´ nicht mehr in Büchern liest, wäre ein Hörbuch vielleicht besser; Helge Schneider trägt vor und Helga von Sinnen kommentiert.......

     

    Unnütz, darauf hinzuweisen, daß etwas Googeln Hitlers Gesabbel auch als PDF zum Vorschein bringt. Aber wir alle wissen ja; "Raubkopierer sind Verbrecher"

  • J
    joho

    also wir haben so ein exemplar noch zu hause rumliegen, es wurde wohl meinem onkel und meiner tante zur eheschliessung "geschenkt". beide behaupten das buch nie gelesen zu haben aber wegschmeissen wollten sie es dann auch net (das macht man mit büchern nicht?). so um 1985 kam es dann in meine hände und ich hab es mir mal angetan (das hätte besser bleiben lassen). vom heutigen standpunkt aus betrachtet ist es nicht nur grottenschlecht geschrieben sondern auch schlicht und ergreifend unwahr (hitler lügt z.b. über seine jugend bis sich die balken biegen). aber ich finde man sollte sowas als abschreckendes beispiel verlegen dürfen, am besten mit einem ellenlangen komentarteil am schluss. fazit..... mein k®ampf wird deutlich überbewertet. mfg joho