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ARD-Talkshows intern in der KritikOffensive in der Defensive

Der ARD-Programmbeirat fordert in einem internen Papier eine Reduzierung der Polittalkshows im Ersten. Scharfe Kritik gibt es an Günther Jauch und Frank Plasberg.

Zu viele Worte, zu wenig Erkenntnis: Die Gesichter der ARD-Talkshows. Bild: dpa

Die ARD-Gremien zweifeln an der „Talkleiste“ – noch stärker als bisher bekannt. Bereits vor dem NDR-Programmausschuss hatte sich Ende April der ARD-Programmbeirat geäußert, er ist mit Gremienvertretern aller ARD-Anstalten besetzt. Der ARD-Beirat wird noch deutlicher als die Kollegen der Nordanstalt. In dem der taz vorliegenden Papier bekommt vor allem Jauch sein Fett weg. Aber auch Frank Plasberg wird nicht geschont.

„Herr Jauch ist […] der einzige Moderator, dessen Gesprächsführung der Beirat deutlich kritisieren muss: er hakt selten nach, setzt sich sogar teilweise über die Antworten seiner Gäste hinweg“, so die Programmbeobachter. Der im Herbst 2011 mit großem Bahnhof von RTL – zum Teil – in die ARD geholte Moderator vertrete in seinem sonntäglichen Talk zu oft „eine klar erkennbare eigene Meinung, folge „strikt seinem vorgefertigten Konzept“ und hake „eine Frage nach der anderen ab“.

Dabei gehe er „einer ihm nicht genehmen Gesprächsentwicklung und Konfliktsituationen aus dem Weg“, in dem er andiskutierte Gesprächsschienen schlicht nicht weiterverfolge. „Nicht selten hangelt er sich von einem Einspieler zum nächsten“, so der Beirat: „Herr Jauch sollte dringend an seiner Gesprächsführung arbeiten, ebenso an der Themen- und Gästeauswahl.“

Und dann kommt es noch ganz dicke: Jauch polarisiere „unnötig, schürt mit seinen Suggestivfragen teilweise Politikverdrossenheit und kommt damit der Verpflichtung zur journalistischen Sorgfalt nicht nach“. Das Fazit: „Günther Jauch“ sei „eher eine Show als ein politischer Talk – eine beunruhigende Entwicklung für ein öffentlich-rechtliches Format!“

Skandalisierende Einspieler statt Erklärungen

Bei Frank Plasbergs „Hart aber fair“ bemängelt der Beirat nachlassenden Biss, das „konfrontierende und hinterfragende Potential“ werde zu wenig eingesetzt: „Man wünscht sich den hart aber fair nachfragenden Herrn Plasberg zurück.“ Den selbstverordneten Profilwechsel bedauert der Beirat: „Bei härteren politischen Themen könnte der Moderator seine Kompetenzen besser ausspielen“, zudem fehle „diese Farbe im Ersten nun vollständig“.

Weitere Kritikpunkte an allen fünf Sendungen sind die Einspielfilme, die zu oft die Themen skandalisierten, statt ihrer Erklärfunktion nachzukommen. Zudem beklagt der Beirat „deutliche Schwächen in der Recherche“ in Einspielern wie auch Moderationen. Das schade „der Glaubwürdigkeit der Formate“.

Wie der NDR-Programmausschuss bezweifelt daher auch das ARD-weite Gremium, „ob es sinnvoll ist, die Produktion der Sendungen ausschließlich externen Produktionsgesellschaften zu überlassen“. Denn „die geballte Kompetenz der ARD“ bleibe so „derzeit außen vor“. Die Fachkompetenz der ARD-Redaktionen müsse künftig stärker eingebracht werden.

Gremium verlangt weniger Talkangebote

Und auch am Publikum im Studio von „Anne Will“, „Günther Jauch“ und „Hart aber fair“ hat der ARD-Programmbeirat etwas auszusetzen. Das störe nämlich, „da zu oft und zu häufig auch an unpassenden Stellen geklatscht wird“ – was wiederum „den Showcharakter“ verstärke. Das Gremium, das im Untersuchungszeitraum von September 2011 bis Februar 2012 von jeder Sendung mindestens vier Ausgaben gesichtet hat, hält „eine Reduzierung der Talkangebote […] für angebracht“.

Bei aller harten Kritik weiß der Programmbeirat natürlich auch zu loben. Da gebe es eine Sendung, die verlasse der Zuschauer „meist mit einem Erkenntnisgewinn“, weil der Moderator zuhöre und nachfrage, ins Thema einführe, den Gesprächsfluss strukturiere – und am Ende gar „eine gesamtgesellschaftliche Botschaft ableitet“. Der Programmbeirat ist der Meinung: „Dies ist brillant!“ Allerdings sollte er vielleicht doch noch mal in sich gehen. Gemeint ist nämlich – ausgerechnet „Beckmann“!

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17 Kommentare

 / 
  • M
    MeinName

    @Jan:

    So zu tun, als ob Fernsehen immer Entertainment sein muss und nie wirklich seriös sein kann, ist doch Blödsinn.

     

    Es gab & gibt sehr wohl Polit-Formate, die halbwegs umfassend informieren, verschiedene Perspektiven zulassen, zum Nachdenken anregen und damit zur Meinungsbildung beitragen. Die findet man aber eher bei phoenix oder (i.d.R. nachts) bei den Spartensendern.

    Bei ZDF & Co. geht es immer nur um leichtes Politentainment auf Boulevard-Niveau und die Quote. Das kann man ja okay oder normal finden, mit dem Medium selbst hat dieser Niveaulimbo jedoch nichts zu tun - auch wenn solche Thesen beim Bildungsbürgertum zum guten Ton gehören.

  • M
    Maria

    Es war doch von vornherein klar, dasss der hölzerne Quizsendungsmann Jauch mit der Moderation einer politischen Talkshow überfordert ist.

     

    Wenn ich sein Gesicht sehe, schalte ich sofort um. Auch die anderen Talksendungen sind meist langweilig. Vor allem laden sie stets dieelben gäste ein wie z.B. diesen jähzornigen alten Historiker namens Baring oder so ähnlich. Der nervt kolossal und zwingt sofort zum Wegschalten. Außerdem: Anstatt dauernd öde politkerInnen einzuladen, sollten viel mehr normale Leute aus der bevölkerung im TV mitdiskutieren dürfen.

     

    bei allen Sendungen merkt man stets die Zensur, die über allem schwebt und aufpasst, dass die sendungen nicht zu kritisch werden. Und genau das macht sie so schlecht!

     

    Statt sovieler Talkshows (bei Beckmann schläft man sofort ein, wahrscheinlich denken die Programmmacher daher, er hätte eine hohe Quote. Dabei schnarchen die zuschauerinnen und können deshalb nicht umschalten), sollten besser mehr sehr gute Dokumentarfilme gesendet werden, die Sachverhalte erklären.

     

    Am sympathischsten von den Talknasen ist noch Anne Will. Aber auch ihre Sendung ist oft einfach nur durchsichtige politische Propaganda im Sinne der Regierung.

  • A
    Arne

    Wenn die ausgerechnet Beckmann loben, dann sollten die mal begründen, was da besser läuft.

    Die Leute, die da reingehen, gehen davon aus, dass es eben keine politische Talkshow ist, sondern eine private. Mich hätten schon bei der Wulff-Debatte viel mehr interessiert, wenn jemand die ganzen Politiker mal befragt hätte, wann sie meinen, moralisch nicht einwandfrei gehandelt zu haben. (Die Einladeliste wäre groß genug gewesen.)

    Bei der Debatte um Betreuungsgeld interessiert mich, wie die Politiker, die dazu abstimmen, selber groß geworden sind.

    Ansonsten will ich wenigstens Moderatoren, die einen unterhalten. Als Anfang der 80er Jahre RTL mal ankündigte, dass sie zukünftig die großen Runden vor Wahlen übertragen wollen, hatte ich mich auch gefreut, endlich Karl Dall, Hella von Sinnen und Hugo Egon Balder da als Moderatoren zu sehen. Kam aber natürlich nicht.

     

    Ich habe diese ganzen Polittalkshows aber auch nur so lange noch verfolgt, bis Küppersbusch abgesetzt wurde durch diese Gremien, denen jetzt auffällt, wie widerlich seitdem alles geworden ist dort.

  • T
    Tom

    Bin ich der einzige im Kommentarbereich der sich über das Fazit: "Beckmann ist geil" aufregt?

    Ist sowieso ne unnötige ABM für Politiker, anstatt Gesetze zu verfassen tingelt man durch alle Talkshows und wundert sich das die Politikverdrossenheit steigt

    tss tss

  • L
    leone

    Vorschläge zur Güte:

     

    Die überbezahlten TalkerInnen sollten sich bei arte die Sendung '28 minutes' ansehen, dort können sie alles lernen, was ihnen fehlt:

    -Gesprächsführung

    -Nachhaken

    -Gute Vorbereitung

    -Fast immer 50 % Frauen

    -Neutralität

     

    Weglassen bei uns:

    Einspielfilme, immer Parteinahme

    Zuschauer, s.o.

    und

    Jauch, Plasberg s.o.

     

    Verbesserung nur bei Beckmann,

    vor allem seine Sendung zur NSU

    war schon richtig guter Journalismus.

  • EK
    Eckart Kuhlwein

    Das wird aber Zeit! Habe von den Gremien längst erwartet, dass sie diese Art der Volksverdummung stoppen. Wer hat die eigentlich in Auftrag gegeben?

  • M
    mika

    Die Kritik an Plasberg ist lächerlich. Die politischen Platzhirsche sitzen sonntags bei Jauch, da ist es doch klar, dass sich am Montag auf andere, vermehrt unpolitische Themen und Gäste zurückziehen muss. Es wäre besser, Plasberg oder Anne Will (oder beiden gemeinsam) den Politik-Talk am Sonntag zu übertragen.

  • J
    Jan

    Also ich kann das alles unterstreichen, wobei die Sache mit Beckmann kann einen schon ein wenig Zweifeln lassen :D

     

    Aber was auch klar ist, ist, dass es Allen immer klar war!?

     

    Ich gucke Günther Jauch auch ab und zu, dass die Diskussion da allerdings wahnsinnig tiefgründig werden, erwarte ich sicherlich nicht. Das sollte auch jedem klar sein, wie "Volker" in dem Link in seinem Kommentar schon aufzeigt, Fernsehen ist Unterhaltung, oder anders gesagt: "The Revolution will not be televised".

  • BG
    Bernd Goldammer

    Könnte man Einschaltquoten realistisch messen, dann würde man bei der ARD merken, wie sehr sich die Menschen vor diesem Geschwätz ekeln.

  • M
    MeinName

    Alles richtig aber war das nicht von Anfang an klar? Wer hat denn bitte Jauch jemals für einen politischen Kopf und kritischen Talkmaster gehalten?

     

    Der Mann macht seit Jahren Entertainment, steht auch dazu und begreift den Job des Journalisten in erster Linie als den des Dienstleisters, der sein Publikum nie überfordern darf und in erster Linie zu unterhalten hat. Jetzt so zu tun als ob man mit einem hart nachfragenden "Political Animal" gerechnet hätte, ist einfach verlogen.

     

    Das Problem betrifft außerdem beileibe nicht nur Jauch, sondern sämtliche Politik-Talks von ARD & ZDF. Da geht es doch nie um einen Erkenntnisgewinn oder eine echte Diskussion um politische Alternativen, sondern um leicht verdauliches, staatstragendes (und unglaublich ödes) Polit-Enterntainment. Jauch & Co. setzten diesen Trend eben mit Einspielfilmchen und immer flacherer Themensetzung nur weiter fort und verdienen sich mit ihren Produktionsformen ne mehr als goldene Nasen. Warum sollten diese Leute denn durch echten politischen Dissens etwas riskieren?

  • W
    Westberliner

    Dass Jauch und Christiansen CDU-Mitglieder sind, das war mir nicht bekannt. Danke für den Hinweis. So erlärt sich Vieles für mich.

  • W
    Westberliner

    Warum man solche Produktionen auslagert, das ist mir sowieso unverständlich. Das ähnelt dem Prinzip der Regierung, die Gesetze außerhalb der Ministerien verfassen lässt: OUTSOURCING - Ich hasse dieses Wort und was damit zu tun hat.

  • G
    Gunter

    Weniger Geplapper und Geschnatter im Fernsehen würde aber die Zuschauer nicht mehr so verblöden ? Das kann doch nicht im Sinn der Sender und ihrer Regierung sein ?

  • R
    Raoul

    Lustig, dass die Kritik jetzt kommt. Show war das von Anfang an, und zwar jede Sendung.

  • VB
    Volker Birk

    Jauch ist ja auch das allerletzte. Wortspiele mit seinem Namen spare ich mir an der Stelle. Seine Inkompetenz schreit geradezu nach einer Ablösung.

     

    Für den Rest sollte man an eine bekannte Filmszene erinnern:

     

    https://www.youtube.com/watch?v=ZdbH-dUhrR8

     

    Viele Grüsse,

    VB.

  • C
    Cartouche

    Das hört sich ja verdächtig danach an, als würde der Belobigte demnächst zwei oder drei neue Aufträge bekommen und sich die ARD zwei oder drei dicke Gehälter sparen...

  • V
    viccy

    Der Beirat hat Eier, den Jauch so ungeschönt zu kritisieren. Respekt!

     

    Ob Herrn Jauch sein CDU-Parteibuch an besserem journalistischem Handwerk hindert? Die Thematik des Nicht-Nachhakens - oder des selektiv linkslastigen Nachhakens - kannte man ja zu Genüge auch von Frau Christiansen, ebenfalls CDU-Mitglied.