Trimediales Projekt gegen Rechts: Blick auf die Nazis von nebenan
Mit dem trimedialen Projekt „Der Norden schaut hin“ zeigen Journalisten vom NDR und von Radio Bremen den rechtsradikalen Alltag in ihren Sendegebieten.
Die besten Ideen sind bekanntlich oft so simpel, dass man sich fragt, warum nicht schon längst jemand darauf gekommen ist. Zu dieser Kategorie zählt das Projekt „Der Norden schaut hin“, das Journalisten vom NDR und von Radio Bremen vor Kurzem ins Leben gerufen haben.
Der Grundgedanke: Abseits von den großen schlagzeilenträchtigen Geschichten soll kontinuierlich über die alltäglichen Aktivitäten von Rechtsradikalen in Norddeutschland berichtet werden – und auch vom Engagement dagegen. Dafür wird länder- und ressortübergreifend gearbeitet, Hörfunk-, TV- und Onlinejournalisten sind beteiligt. Alle Beiträge werden im Internet unter www.ndr.de/dernordenschauthin präsentiert.
Den Geistesblitz hatte der NDR-Journalist Kuno Haberbusch, ehemals Leiter von „Panorama“, „extra 3“ und „Zapp“, als die Aktivitäten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) bekannt wurden. „Politikern und Behördenvertretern wird in diesem Fall von Journalisten zu Recht Versagen vorgeworfen“, sagt Haberbusch. „Aber es stellt sich die Frage: Haben wir Journalisten nicht auch irgendwie gepennt? Ich selbst habe zum Beispiel als Redaktionsleiter auch schon mal Beiträge zum Rechtsradikalismus abgelehnt, weil dieses Thema meiner Meinung nach nicht auf der Agenda stand.“
Jetzt steht es bei ihm und vielen anderen ganz oben und soll dort auch bleiben: „Ich habe zunächst Kollegen in der Kantine und auf dem Flur von meiner Idee erzählt, und alle waren begeistert. Alles Weitere war dann fast ein Selbstgänger. Man trifft ja manchmal den Nerv der Zeit – und das war hier wohl der Fall.“
Anfang Juni traf sich erstmals eine 20-köpfige Projektgruppe, in der Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen vertreten sind – von der Redaktion Zeitgeschehen bis zum Sport. Manche der dort entwickelten Ideen landen als Beiträge in Regelprogrammen wie dem „Hamburg Journal“ oder dem „Schleswig-Holstein Magazin“. Andere Texte und Filme werden ausschließlich für den Onlineauftritt der Initiative produziert. Die Finanzierung der Beiträge erfolgt über Umschichtungen bestehender Etats der beteiligen Redaktionen.
„Wir wollen Mut machen"
Eine derartige Kooperation ist nicht alltäglich in einer Institution wie den manchmal etwas schwerfälligen NDR, und sie hat einen positiven Nebeneffekt: Bei den Beteiligten führt die Zusammenarbeit zu Einblicken in die Arbeit der Kollegen. „Wir Fernsehmenschen mussten zum Beispiel lernen, dass ein Onlinevideo maximal fünf Minuten lang sein darf, sonst sieht es sich kaum jemand komplett an“, sagt NDR-Redakteur Olav Jacobs. Er sagt, dass auch ausführlich über Aktionen gegen rechts berichtet werden soll: „Wir wollen Mut machen und zeigen, dass sich Engagement lohnt. Vielleicht gelingt es uns, die Bürgergesellschaft ein bisschen zu stärken.“
Noch ist das Angebot auf der Website nicht besonders üppig, aber das soll sich bald ändern. Unter anderem plant die Projektgruppe als Strukturelement eine detaillierte digitale Landkarte, auf der man sich gezielt über Aktivitäten in bestimmten Orten und Regionen informieren kann. Voraussichtlich im November berichtet das NDR Fernsehen in einer 90-minütigen Dokumentation über das Projekt, dessen wichtigste Reportagen und Erkenntnisse.
Möglicherweise ist das dann auch schon der Schlusspunkt des gesamten Projekts. „Wir werden Ende des Jahres einen Augenblick innehalten, ein Fazit ziehen – und dann mit allen Beteiligten darüber sprechen, wie es weitergeht“, sagt Olav Jacobs. Es wäre schade, wenn dieses vielversprechende Projekt schon nach kurzer Zeit nur auf Sparflamme oder gar nicht weitergeführt würde, denn schon jetzt dient es als Vorbild. „Es gibt einige Anfragen von anderen ARD-Anstalten, die unser Modell auf ihr Sendegebiet übertragen wollen“, sagt Haberbusch.
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