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Regierungspläne zu LaufzeitverlängerungVerfassungswidriger Atomdeal

Will Schwarz-Gelb die Laufzeiten für Atomkraftwerke verlängern, braucht es die Zustimmung des Bundesrats, so Verfassungsrechtler. Das stört Merkel und Röttgen bisher nicht.

Soll nach Willen der Regierung noch lange, lange aktiv bleiben: Atommeiler Isar 1 Bild: dpa

BERLIN taz | Die Experten könnten kaum renommierter sein, und ihre Aussagen sind eindeutig: Längere Laufzeiten für Atomkraftwerke brauchen die Zustimmung des Bundesrats, und zwar unabhängig vom Ausmaß und den Bedingungen der Verlängerung. In getrennten Gutachten, beide im Auftrag des Bundesumweltministeriums, sind der bisherige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, und der Verwaltungswissenschaftler Joachim Wieland zu diesem Ergebnis gekommen.

Bei jeglicher Verlängerung handele es sich "nicht nur um eine marginale, sondern wesentliche, vollzugsfähige und vollzugsbedürftige Änderung des bestehenden Atomrechts", die nach Artikel 87c des Grundgesetzes "zustimmungsbedürftig" sei, schreibt Papier. Die Deutsche Umwelthilfe, die die Gutachten veröffentlichte, forderte die Regierung auf, ihre Pläne aufzugeben. In der Bundesregierung hatte bisher die Einschätzung geherrscht, dass zumindest eine geringfügige Laufzeitverlängerung von wenigen Jahren auch ohne Zustimmung des Bundesrats möglich sei. Dabei scheint es zu bleiben: Innen- und Justizministerium gehen nach Informationen der Agentur Reuters davon aus, dass ein zustimmungsfreies Gesetz zwar mit einem "nicht unerheblichen verfassungsrechtlichen Risiko verbunden", aber "noch vertretbar" sei.

Bei zwei Treffen am Donnerstagabend und am Freitagmorgen will Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den betroffenen Ministerpräsidenten und den zuständigen BundesministerInnen besprechen, wie eine Laufzeitverlängerung ohne Beteiligung des Bundesrats - in dem Union und FDP seit der Wahl in Nordrhein-Westfalen keine Mehrheit mehr haben - gelingen kann. Nach taz-Informationen aus Regierungskreisen soll dabei vermutlich schon eine konkrete Zahl genannt werden. Sofern die Laufzeiten um nicht mehr als acht Jahre verlängert werden, soll demnach auf zusätzliche Sicherheitsauflagen komplett verzichtet werden. Diese würden die Wahrscheinlichkeit einer Zustimmungspflicht erhöhen, weil sie von den Ländern beaufsichtigt werden müssten - und sie werden von den AKW-Betreibern abgelehnt, weil sie ihre Gewinne schmälern.

Falls tatsächlich schon jetzt eine Vorentscheidung über die Laufzeiten fällt, würde die Regierung damit ihren bisherigen Kurs verlassen. Sowohl Kanzlerin Angela Merkel als auch Umweltminister Norbert Röttgen (beide CDU) hatten stets betont, dass zunächst ein Energiekonzept erstellt werden soll. "Die Frage der Laufzeiten wird im Rahmen dieses Konzepts zu entscheiden sein, nicht schon vorher", hatte Röttgen im Februar erklärt. Das Energiekonzept, das in seiner Fragestellung umstritten ist, soll aber erst im Herbst vorliegen.

Zudem hatte der Umweltminister stets betont, dass es keine generelle Laufzeitverlängerung geben solle, sondern diese von der Sicherheit der einzelnen Anlagen und möglichen Nachrüstungen abhänge. Mit welcher Position Röttgen in die Gespräche ging, erläuterte das Ministerium auf Anfrage nicht.

Wie groß die Unterschiede zwischen alten und neuen Reaktoren tatsächlich sind, geht aus einer neuen Aufstellung der Ärzte-Organisation IPPNW hervor: Die Zahl der meldepflichtigen Zwischenfälle ist bei den älteren Druckwasserreaktoren viermal so hoch wie bei neueren. Für IPPNW-Sprecher Hendrik Paulitz sind Laufzeitverlängerungen daher "ein gefährliches und unverantwortliches Spiel mit dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit der Bevölkerung".

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11 Kommentare

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  • U
    Urgestein

    @rafael

     

    Da bist Du aber völlig auf dem Holzweg.

     

    Wenn ein privates Unternehmen eine Anlage betreiben will, dann braucht sie dafür eine Genehmigung. Schliesslich profitiert ja erstmal nur sie von dieser Anlage (will es zumindest), während die Allgemeinheit die (potentiellen oder tatsächlichen) Nachteile in Kauf nehmen muss.

     

    Wenn die Bundesländer im Falle der Erteilung bzw. Verlängerung einer solchen Genehmigung "Leidtragende" sind (z.B. wegen der Überwachung des ordnungsgemäßen Betriebs), müssen sie hier zustimmen.

     

    So eine Genehmigung zu beenden bedeutet demzufolge eine Entlastung der Länder (durch Wegfall der entsprechenden Aufgaben). Daher ist dies auch nicht zustimmungspflichtig.

  • E
    Eva

    ich glaube sie sehen das problem darin nicht.

     

    es geht nich nur darum das es 1.000.000 lange noch strahlt also der atommüll...

    1 mio jahre ist nur die halbwertszeit, das heißt das dann mit glück die hälfte des stoffes nicht mehr strahlt, aber vielleicht auch nur in einen anderen stoff zerfällt der immer noch radioaktiv ist.

    unsere bundeskanzlerin.. sieht das endlager gorleben vor. "endlager" nennt sie es, obwohl es nur ein zwischenlager sein kann. gorleben ist nicht sicher. unser grundwasser wird verstrahlt! Wir haben schon genug Atommüll in deutschland, warum noch mehr "produzieren"? wenn wir auch auf erneuerbare energien umsteigen können? klar das wir nicht einfach sagen können: so jetzt alle atomkraftwerke aus. es muss schon einen übergang geben.. aber es ist möglich, wie zB die Greenpeace studie darüber beweist "plan B"

     

    wie kann es sein das eine frau die physik studiert hat sogar einen doktortitel in diesem gebiet hat, nicht über die riskiken nachdenkt?

     

    meiner meinung nach ist es unverantwortlich, sie gefährdet mit der entscheidung uns alle!

     

    Ich selber bin 16 Jahre alt, das heißt das ich noch da sein werde wenn vielleicht sogar das grundwasser komplett verstrahlt ist oder meine kinder werden da sein.

    Ich kann es einfach nicht verstehen... was die politiker heute versäumen in der atompolitik, das müssen wir jugendlichen später ausbaden!

  • H
    Hmmm

    @ Ludger Zwerenz:

     

    Was wolen Sie damit sagen? Dass eine muss erlaubt sein, weil... es gibt ja Dinge die noch schlimmer sind??? Fragen wir doch einmal nach, wieviele Opfer die zwanghafte Christianisierung auf der Welt gefordert haben? Da dürfte der Islam aber große Mühe haben, an diese Zahl heranzukommen!

     

    Ob AKWs alternativlos sein... na, ja. Vielleicht wird das Zünden einer A-Bombe auch irgendwann als alternativlos dargestellt. Aber gut. Jeder der dazu bereit ist, in seinem Keller ein Depot für Atommüll einrichten zu lassen darf aus meiner Sicht auch für Atomkraft stimmen. Lehnt man dieses jedoch ab, so steht es einem auch nicht zu die Energie aus einem AKW zu befürworten. Man kann nicht das eine haben wollen und das andere ablehnen, wenn beides zusammengehört.

     

    Und bevor man von Umweltverträglichkeit bei einem AKW spricht, so denke man einmal etwas weiter. Die verursachte Strahlung könnte man ja einmal mit den Schäden von CO2 vergleichen.

  • L
    lvm

    hallo ludgar zwerenz,

     

    bitte beantworte doch einmal, was denn die stromerzeugung mit den ankauf von erdöl aus dem iran zu tun hat?

     

     

    mfg

    lvm

  • A
    Andreas

    Weshalb benötigen wir noch Gesetzte wenn unsere gewählte Regierung diese umgeht? Diese Ignoranz der Regierung ist nicht mehr auszuhalten.

    Leute, belest Euch mal bei Gerhard Wisnewski oder Thomas Wieczorek. Vielleicht helfen diese Bücher Euch die Augen zu öffnen.

  • FN
    Fritz Noss

    Sicher ist das Risiko!!!

    1.000.000 Jahre strahlender Giftmüll!

    Krankheiten, Tod!

     

    Die Volksvertreter der Regierung haben die Pflicht die Interessen ihrer Bürger zu derem Besten zu vertreten!

     

    Die Bürger wollen gesund und in Frieden leben!

     

    Rein finanzielle Interessen von 4 Konzernen dürfen nicht auf unserem Rücken und zu unseren Lasten ausgetragen werden!

     

    Welchen Konzern wird es in 10, 50 oder 100 Jahren noch geben, wenn die fetten "Rechnungen" der Entsorgung schon heute an den Steuerzahler abgeschoben werden?

     

    Ich hörte kürzlich einen Satz: "Jeder Bauer ist für seinen Mist verantwortlich!"

     

     

    Deshalb: abschalten! SOFORT !!!

  • J
    jens

    naja, dass Hendrik Paulitz geisteskranke Züge besitzt, müsste jedem klar sein, der sich mit dem Typ schonmal unterhalten hat! ;-)

  • R
    rafael

    "Bei jeglicher Verlängerung handele es sich 'nicht nur um eine marginale, sondern wesentliche, vollzugsfähige und vollzugsbedürftige Änderung des bestehenden Atomrechts', die nach Artikel 87c des Grundgesetzes 'zustimmungsbedürftig' sei, schreibt Papier."

     

    Heißt das dann nicht auch, dass der Atomausstieg von Rot-Grün - der ja auch ohne den Bundesrat beschlossen wurde - Verfassungswidrig ist?

  • LZ
    Ludger Zwerenz

    Mit Milliarden die derzeitige iranische Regierung durch Kauf von Erdöl unterstützen ist für die IPPNW also kein "gefährliches und unverantwortliches Spiel mit dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit der Bevölkerung"?

     

    Professer Nida-Rümelin zufolge sterben jährlich 80 Menschen durch den Gebrauch der Atomkraft in Deutschland. Und wieviele Menschen sind im Iran von Amts wegen absichtlich hingerichtet worden und werden weiterhin hingerichtet? Es sind laut Presse über dreißig Tausend seit der Machtergreifung der Islamisten vor 30 Jahren!

  • A
    AlexsZander

    Die weiteren Entwicklungen sind vorhersehbar.

     

    Die Regierung wird ein Gesetz auf den Weg bringen, der Bundestag verabschiedet es, bereits im Vorfeld kündigte die Opposition an klage beim BVerfG einzureichen, was es nun auch tut, der Klage wird stattgegeben und die Regierung steht mal wieder blamiert da und beschwert sich über die Machtfülle oder die vermeintliche Kompetenzüberschreitung des Gerichts.

     

    So weit so bekannt.

     

    Das eigentlich Bedauernswerte – insbesondere aus Sicht von CDU und FDP – ist aber der zunehmende Vertrauensverlust in die Regierung (das kann man ja noch gut finden) und die Politik im Allgemeinen (das ist etwas worüber man sich Sorgen machen sollte).

    Das häufiger werdende Stoppen von Gesetzen durch das BVerfG zersetzt das Vertrauen in die politische Klasse. Die Folgen davon können vielfältig sein, die Harmloseste ist dabei wahrscheinlich noch zunehmende Politikverdrossenheit.

    Andere mögliche Folgen: Aufschwung für rechtsradikale Parteien, blinder Glaube an die "Unfehlbarkeit" des BVerfG sollte einem da schon größere Sorgen bereiten.

  • V
    vic

    Mehr muss man dazu eigentlich nicht mehr sagen:

     

    http://www.atomausstieg-selber-machen.de/

     

    Ohne Abnehmer kann kein AKW profitabel betrieben werden.

    Geld ist die einzige Sprache, die die Atom-Konzerne verstehen .