Kommentar Mord an Marwa El-Sherbini: Wann Deutschland sich empört
Der Mord an Marwa El-Sherbini ist zum Symbol für die Ausgrenzung von Muslimen geworden. Das war überfällig. Denn die Reaktion der deutsche Gesellschaft war zunächst kühl.
G enau vor einem Jahr wurde Marwa El Sherbini zur Symbolfigur. Nicht nur weil ein mit Hass auf Muslime erfüllter Russlanddeutscher die 31-jährige Ägypterin vor den Augen von Mann und Kind in einem Gerichtssaal brutal ermordete. Sondern auch weil die Öffentlichkeit, vor allem aber die Politik, dazu tagelang schwieg. El Sherbini wurde zum Symbol für die Ausgrenzung von Muslimen ganz allgemein – und Islamfeindlichkeit wurde zum Thema. Das war überfällig. Denn dass diese neue rassistische Spielart um sich greift, zeigen zahlreiche Studien. Doch längst ist das Thema wieder vom Tisch.
Ganz anders war die Lage bei der Ermordung der Deutschtürkin Hatun Sürücü, die im Februar 2005 von ihrem jüngsten Bruder erschossen wurde, weil ihr Lebensstil angeblich die Familienehre beschmutzt hatte. Umgehend reagierten Politik und Öffentlichkeit, Parlamentsdebatten und Gesetzesinitiativen wurden auf den Weg gebracht. Das Thema der unterdrückten muslimischen Frau erregt – zu Recht – bis heute die Gemüter.
Zwei ermordete Musliminnen – gänzlich unterschiedliche Reaktionen: Der Mord an Hatun Sürücü passte in das Koordinatensystem, in dem Muslime häufig verortet werden. Vielen Deutschen kommen da zuerst Zwangsverheiratungen, Ehrenmorde und islamistischer Terror in den Sinn. Es besteht Generalverdacht. Der Mord an Marwa El Sherbini liegt quer zu diesem Raster. War es doch genau der von diesem Generalverdacht getränkte Hass, der den Mörder trieb.
ist Inlands-Redakteurin bei der taz.
Auch das zeigt: Islamfeindlichkeit muss ernst genommen werden. Doch das tun weite Teile der Öffentlichkeit und auch die Politik nicht. Selbst auf der Islamkonferenz wird das Thema nur besprochen, weil die muslimischen Verbände darauf beharrten. "Dazu kann gerne gesprochen werden. Auch wenn ich es nicht so sehe, dass unser Land von Islamfeindlichkeit durchdrungen ist", sagte Bundesinnenminister de Maizière dazu. Problembewusstsein sieht anders aus.
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