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Heinz Hilgers vom Kinderschutzbund ist pessimistisch"Kinderarmut bleibt großes Problem"

400 Euro Grundsicherung für jedes Kind - und zugleich bessere Betreuungs- und Bildungsangebote fordert Heinz Hilgers vom Kinderschutzbund.

Im Kinder- und Jugend-Projekt "Die Arche" gibt es Hausaufgabenhilfe. Bild: dpa
Interview von Nicole Janz

taz: Herr Hilgers, wie beurteilen Sie die aktuellen Vorschläge der Union und SPD gegen Kinderarmut?

Heinz Hilgers: Ich kann leider keine gute Botschaft bringen. Trotz verbesserter Wirtschaftslage wird Kinderarmut ein großes Problem bleiben. Gerade die ärmeren Schichten und auch die Migranten haben nach wie vor eine relativ hohe Kinderzahl - während die Mittelschicht und das Bildungsbürgertum kaum Kinder bekommt.

ap
Im Interview: 

Heinz Hilgers setzt sich als Präsident des Deutschen Kinderschutzbunds gegen Kinderarmut ein. Er ist SPD-Bürgermeister in Dormagen (NRW).

Werden arme Kinder, etwa von Hartz-IV- und Sozialhilfeempfängern, derzeit angemessen unterstützt?

Im Moment bekommen Kinder 60 Prozent des Bedarfs von Erwachsenen. Diese Regelung ist Unsinn und furchtbar ungerecht. Das ist respektlos gegenüber den realen Bedürfnissen von Kindern. Die Kinder brauchen nicht 60 Prozent von dem Anteil an Zigaretten und Alkohol, sondern Kinder brauchen zwei- bis dreimal im Jahr Kleidung und mehrfach Schuhe, Turnschuhe, Sandalen und mehr. 60 Prozent sind Willkür, ohne Respekt vor dem, was ein Kind wirklich braucht.

Im Gespräch sind eine direkte Erhöhung von Kindergeld und indirekte Maßnahmen, etwa ein besseres Betreuungsangebot für Kindern. Können Familien nicht bares Geld besser gebrauchen als einen Mischmasch von Maßnahmen?

Ich würde nicht gegeneinander ausspielen. Es geht doch im Kern darum, dass wir Hilfe zur Selbsthilfe leisten und die Kinder zugleich befähigen, später ein selbstbestimmtes Leben zu führen - und zwar ein anderes, als sie es oft in ihrer Familie führen. Das heißt, soziale Gerechtigkeit bei der finanziellen Förderung und bessere Bildungsangebote für Familien gehören zusammen.

Was halten Sie von der Unions-Idee vom Betreuungsgeld für Eltern, die Kinder zu Hause aufziehen?

Gerade die Kinder, die aus Problemfamilien kommen oder aus armen Familien, brauchen ein anregendes Umfeld in der Kindertagesstätte und der Schule. In vielen Familien wird, wenn Besuch kommt, nicht einmal der Fernseher ausgeschaltet. Da kommt die Kommunikation mit den Kindern zu kurz. Gerade diese Kinder würden wegen des Betreuungsgeldes zu Hause gehalten werden. Ich bin dafür, dass man den Eltern mehr Geld gibt - aber dann bitte allen.

Entspricht das der Idee der SPD, alle Familien gleich über einen fixen Kinderfreibetrag zu entlasten? Das wurde ja als Systemwechsel angepriesen.

Was die SPD gefordert hat, sind ja Vorschläge innerhalb des gegenwärtigen Systems. Meine Forderung ist eine Grundsicherung von rund 400 Euro im Monat für jedes Kind. Dazu müssen wir ein umfassendes Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsangebot anbieten als ergänzende Hilfen. Dieses Betreuungsangebot muss von der Geburt an bis zum Ende der Schulzeit reichen - und wir brauchen dort: Qualität, Qualität und nochmals Qualität.

Die Kindergrundsicherung soll das Kindergeld ablösen?

Ja, ich fordere ein Grundeinkommen, egal ob es für Kinder von Sozialhilfeempfängern oder von Millionären ist. Das würde gleichzeitig auch das Sozialgeld für Kinder und etwa Bafög ersetzen. Was Sie da an Bürokratieeinsparungen hätten, ist gigantisch. Ich sehe ja ein, dass man solche radikalen Änderungen nicht von heute auf morgen machen kann. Aber ich finde es schade, dass man sich diesen Polarstern nicht als Ziel gesetzt hat. Von daher hätte es mich gefreut, wenn die SPD mehr Mut gefasst hätte.

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