piwik no script img

Polit-Drama "Der große Kater"Kein Schweizer Präzisionsuhrwerk

Zwischen Staatsakt und sterbendem Kind: Großpolitikerdarsteller Bruno Ganz verkörpert in "Der große Kater" (Freitag, 20.15 Uhr, Arte) einen Politiker, der mit der Zeit hadert.

Am unteren Ende der Popularitätsskala: Präsident Kater, abgeschirmt im Auto. Bild: ARTE/SSR

Es geht um Zeit, um den Menschen im unerbittlichen Rhythmus der Sekundenzeiger. In diesem Fall ist es der Schweizer Bundespräsident Kater (Bruno Ganz). Ein Mann, dem im sich ewig drehenden Karussell des politischen Tagesgeschäfts und beim Spagat zwischen Privatem und Öffentlichem zunehmend schwindelig wird.

Auch wenn Regisseur Wolfgang Panzer das 2010 wohl kaum voraussehen konnte: Die Kater-Geschichte enthält durchaus Parallelen zur der Affäre, die aktuell dem deutschen Bundespräsidenten um die Ohren fliegt. Der scheint ähnlich orientierungslos, scheitert am Timing und sitzt ein wenig zwischen den Stühlen.

Der Film selbst jongliert mit den Zeiten, die Anfangssequenz ist gleichzeitig auch der Schluss, auf den alles zuläuft: Langsam schwebt die Kamera nieder auf die gebeugten Schultern eines alten Mannes. Mit fast zärtlicher Brutalität sezieren dessen Finger eine kleine, goldene Taschenuhr, schließlich zupft er die Zeiger heraus. Bis die filigranen Rädchen stehen bleiben.

Dann macht der Film einen Zeitsprung zurück, nun sitzt der gleiche Mann auf der Rückbank einer Limousine, die Fahrt ist ungemütlich: Das Schweizer Volk ist – aus Gründen, die der Film leider weitgehend im Dunkeln lässt – ziemlich sauer über seinen Präsidenten, es fliegen Eier und Tomaten auf die Kühlerhaube. Der sitzt zusammengesunken auf der Rückbank, seltsam entrückt wirkt er, wie gefangen in einer unsichtbaren Blase, durch die die Warnungen seiner Berater (Ulrich Tukur, Christiane Paul, Justus von Dohnányi) wegen seiner sinkenden Popularität nicht zu dringen vermögen.

Die Blase, die ihn immer wieder der Echtzeit zu entreißen droht, begreift der Zuschauer bald, ist sein kleiner Sohn: Der liegt nämlich im Krankenhaus, hat Krebs und wird bald sterben.

Seine Frau Marie (Marie Bäumer) wacht Tag und Nacht am Krankenbett und wirft ihrem Mann vor, das nicht zu tun: Während der Vater versucht, mit der Zeit Schritt zu halten, und sich an sein Amt klammert, läuft die Uhr für den Sohn langsam ab – für alle, die das bis dahin nicht begriffen haben, lässt der Film das glatzköpfige Kind im Krankenbett vorsichtshalber noch mit der Taschenuhr spielen, die ihm der Vater geschenkt hat.

Mühsam durchs Protokoll hangeln

Diese grobmotorische Metaphernsprache – dazu zählt auch das ewig dauernde Auseinanderpflücken der Taschenuhr zu Beginn und Schluss des Films – nervt ein bisschen. Denn eigentlich ist das Spiel der Darsteller, allen voran der gar nicht präsidial, sondern eher wie ein erschöpfter Greis wirkende Bruno Ganz, gut genug, um zu kapieren, worum es geht.

Während im Privatleben von Kater die Zeit stillzustehen scheint, ist er als Präsident den Ereignissen immer öfter einen Wimpernschlag hinterher. Dass sein Freund und Berater Dr. Stotzer (Tukur) hinter seinem Rücken eine Intrige plant, um ihn zu Fall zu bringen – Rache dafür, dass Kater ihm einst seine Verlobte ausspannte –, entgeht ihm lange Zeit. Als der spanische König auf Staatsbesuch kommt, hangelt er sich nur mühsam durchs Protokoll.

Wie die Szenen im Krankenhaus gegengeschnitten werden zur glänzenden Fassade des inhaltsleeren Staatsbesuchszeremoniells, gelingt Regisseur Wolfgang Panzer ganz hervorragend. Leider bleiben neben der metaphernüberladenen Bildsprache die Charaktere oft flach: Was genau Dr. Stoltzer dazu bewegt, den Präsidenten ausgerechnet jetzt zu Fall bringen zu wollen – das Rachemotiv nimmt man ihm nicht ganz ab –, erschließt sich nicht.

Ebenso wenig, warum seine Assistentin (Christiane Paul) erst mitmacht und dann doch nicht. Da ist Panzers Drehbuchschreibern wohl selbst ein wenig die Zeit davongelaufen.

"Der große Kater", Freitag, 20.15 Uhr, Arte

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • HA
    Herr ABC

    Life imitating Art!