Abriss für die Autobahn: Kein Platz für Flüchtlinge
Streit im Senat um zwei Häuser in Treptow: Jetzt abreißen für ein Autobahnstück, das erst in sieben Jahren kommt? Oder zwischennutzen für Flüchtlinge?
Der Vorschlag, zwei Treptower Wohnhäuser, die der Stadtautobahn A 100 weichen müssen, als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen (taz berichtete), wird im Senat anscheinend kontrovers beurteilt. Während Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) die Idee kategorisch ablehnt, steht Sozialsenator Mario Czaja (CDU) ihr offenbar aufgeschlossen gegenüber.
In der Fragestunde des Abgeordnetenhauses hatte die Linke-Abgeordnete Katrin Lompscher am Donnerstag gefragt, wann die Häuser in der Beermannstraße abgerissen werden und wie der Senat den Vorschlag beurteilt, die über 90 leer stehenden Wohnungen temporär zur Unterbringung Asylsuchender zu nutzen. Das hatten die restlichen Bewohner ins Gespräch gebracht. Ihnen droht die Zwangsräumung, weil sie keinen angemessenen Ersatzwohnraum gefunden haben.
Geisel antwortete zuerst ausweichend, sagte auf Nachfrage aber, die Gebäude „wären schon abgerissen“, wenn nicht noch Menschen im Haus wohnten. Es sei sinnlos, Unterkünfte bereitzustellen, „die nach zwei, drei Wochen abgerissen werden.“
Nach Geisel meldete sich Sozialsenator Czaja zu Wort: Sein Haus habe Geisels Verwaltung „dieselbe Frage gestellt und die gleiche Antwort erhalten“. Dass sich Czaja auf eigene Initiative eingeschaltet habe, bezeichnete Lompscher gegenüber der taz als „ungewöhnlichen Vorgang“. Ihres Wissens habe die Sozialverwaltung aber in der Sache schon mehrfach bei den Kollegen angefragt und „auf Granit gebissen“.
Eine etwaige Zwangsräumung der verbliebenen Bewohner ist für Mitte Februar anvisiert – wenn es bei einem Gerichtstermin am 23. Januar nicht zu einer „gütlichen Einigung“ kommt. Ob die Häuser tatsächlich so schnell wie möglich aus dem Weg geschafft werden müssen, ist freilich unklar. Möglicherweise geht es nur um die Zuwegung zu anderen Baustellenabschnitten. Denn gebaut wird an der Beermannstraße ganz am Schluss – und das neue Teilstück der A 100 eröffnet erst im Jahr 2022.
Geisels Sprecher Martin Pallgen sagte gegenüber der taz, der „Rückbau“ müsse „entsprechend unserer Terminplanung im Herbst 2015 abgeschlossen sein“. Die „im Bereich der Anschlussstelle Treptower Park erforderlichen Baumaßnahmen“ begännen „direkt im Anschluss“. Lompscher und ihr Fraktionskollege Carsten Schatz wollen jetzt eine schriftliche Anfrage an den Senat richten, um Details in Erfahrung zu bringen – und ob es terminliche Alternativen zum Sofortabriss gibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen