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Zensur in UsbekistanFreie Presse? Verboten!

Das Goethe-Institut bildet in der usbekischen Hauptstadt Taschkent Journalisten aus. Dies nützt nur dem Regime unter Präsident Karimow.

Das Goethe-Institut in Taschkent bietet Workshops für junge Journalisten an. Bild: Goethe-Institut

BISCHKEK taz | Die Leitfragen des Seminars in Taschkent – „Haben sich die Derwischtänze in Kasachstan verändert, wie bauen die Kirgisen heute ihre Jurten, und wie gestalten sich eigentlich usbekische Hochzeitsriten?“ – klingen harmlos. Das Goethe-Institut (GI) veranstaltete vergangene Woche mit dem deutsch-russischen Portal „To4ka“ in der usbekischen Hauptstadt einen Workshop für junge Journalisten. Doch auch Recherchen über Hochzeitsriten sind in Usbekistan ein heißes Eisen.

Das muss auch Moritz Gathmann, freier Journalist und Referent des Seminars, einräumen: Sobald die vermeintlich harmlosen ethnografischen Themen politisch wurden, seien die Teilnehmer an Grenzen gestoßen, und zu manchen Bereichen seien Interviews überhaupt nicht möglich gewesen.

Das zentralasiatische Land ist eine Diktatur. In vielen Staaten der ehemaligen Sowjetunion werden Journalisten verfolgt. Usbekistan ist eines der wenigen Länder weltweit, in denen kein einziges legales unabhängiges Medium existiert. Usbekische Journalisten, die undercover für Exilmedien arbeiten, werden verfolgt.Ein Dutzend von ihnen sitzt im Gefängnis.

„Als Austragungsort für Journalistenseminare ist Usbekistan schlicht der falsche Ort“, erklärt die grüne Bundestagsabgeordnete Viola von Cramon, usbekische Seminarteilnehmer würden im Gefängnis landen, wenn sie das Gelernte in der Praxis in ihrem Land anwendeten.

Repressionen totschweigen

Das vom GI mitbegründete Internetportal organisiert seit Jahren Seminare in ehemaligen Sowjetrepubliken. „Im Falle Taschkent kamen alle Teilnehmer aus Zentralasien, so ist dies logistisch sinnvoll“, argumentiert die GI-Sprecherin pragmatisch, zudem sei eine Weiterbildung von Journalisten auch in Usbekistan wichtig. Auch Referent Gathmann verteidigt das Engagement: „Wir haben über die Repressionen explizit nicht gesprochen, aber über die real erfahrenen Einschränkungen.“

„Die Schulungen in Usbekistan dienen der Schaufensterrhetorik des Regimes“, warnt eine Spezialistin für weltweites Medientraining in Diktaturen, deren Namen wegen ihrer Arbeit nicht gedruckt werden soll.

Der usbekische Staat bekämpft seit dem Massaker von Andischan 2005 die freie Presse. Präsident Islam Karimow hatte den Volksaufstand in der usbekischen Provinzstadt niederschlagen lassen. Es gab Hunderte Tote. Ausländische Medien wie BBC, Radio Free Europe, die Deutsche Welle und international anerkannte journalistische Ausbildungsinstitutionen wie das Institut für War und Peace Reporting wurden des Landes verwiesen.

Doch Taschkent ist im Afghanistankrieg ein wichtiger Partner der Nato und Deutschlands. Deshalb zieht vor allem die deutsche Diplomatie die in Usbekistan abgehaltenen Schulungen für Journalisten gern als Zeichen der Dialogbereitschaft des Regimes heran – auch die Seminare der Konrad Adenauer Stiftung (KAS) und der Deuschen Welle (DW). Die beiden Organisationen haben ihre Schulungen mittlerweile jedoch eingestellt, nachdem die Regimenähe der usbekischen Partnerorganisation ruchbar wurde. Deren Leiterin, Gulnara Babadschanowa, die auch dem jüngsten Seminar des Goethe-Instituts einen Kontrollbesuch abstattete, hatte 2008 an einem Hetzfilm gegen Journalisten von Radio Free Europe mitgewirkt.

Auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung sieht in Schulungen innerhalb repressiver Regime wie Usbekistan kaum einen Nutzen. „Wenn wie dort ein absolutes publizistisches Monopol der Macht herrscht, sollten deutsche Stiftungen und die Regierung gezielt Exilmedien fördern“, fordert Markus Löning.

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2 Kommentare

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  • LA
    leider anonym

    Liebe Anke,

     

    es ist einfach die Arbeit des Goethe Instituts in einem solchen Land zu kritisieren, und sicherlich auch teilweise gerechtfertigt, wenn es um Seminare zur freien Presse oder ähnliches geht. (Über die von staatlicher Seite verhinderten Aktionen z.B. des Goetheinstinstituts wird allerdings auch selten berichtet...)

     

    Die Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden ist sicherlich ein schwieriges Thema für alljene Organisation, die versuchen hier vor Ort Kultur- und Bildngsarbeit zu leisten, viele andere haben sich hier allerdings auch schon lange zurückgezogen bzw. zurückziehen müssen. Was im Endeffekt wieder einem Regime (und nicht der Bevölkerung) zugute kommt, nun muss es sich ja auch keine Sorgen mehr über eventuelle Aktivitäten der Organisationen machen.

     

    Außerdem sehe ich, als vor Ort in Usbekistan lebende Deutsche, auch die andere Arbeit, die das Goethe Institut hier vor Ort sehr engagiert durchführt, womit ich vor allem die Deutschkurse meine, die einen großen Kreis junger Usbeken erreichen. Deren Horizont wird dadurch sicherlich erweitert und ganz nebenbei werden auch neue Perspektiven eröffnet. Ich treffe viele junge Usbeken, die sehr gut Deutsch sprechen und zB. Masterstudien in Deutschland planen.

     

    (Achja, und das Haus... So sieht es hier nunmal aus, ich kenne wenige Organisationen, die irgendwie "besser" untergebracht werden, es liegt immerhin zentral.)

  • A
    anke

    Ich denke, Sarah Palin ist nicht die Einzige, der etwas fehlt. Gewisse Leute halten es offenbar für einen durchaus vertretbaren Kollateralschaden, wenn das Goethe-Institut der Propaganda des Regimes in Taschkent journalistisch auf die Sprünge hilft. Schließlich ist Usbekistan "im Afghanistankrieg ein wichtiger Partner der Nato". Dass die Nato sich schlicht übernommen hat mit dem Einmarsch, scheint für die Goethe-Institutsleitung irrelevant zu sein. Kein Wunder. Afghanistan spielt für die Herrschaften mangels Personal gegenwärtig überhaupt keine Rolle mehr. Aus den Augen – aus dem Sinn. Und wo nichts ist, braucht man sich über Fehlentscheidungen keine Gedanken zu machen. Da kann man sich voll und ganz seinen Entscheidungen widmen. Aber, nun ja, Leuten, die in Häusern wie dem abgebildeten residieren, ist wohl so ziemlich alles zuzutrauen...