Dokumentation auf 3sat: Modems für die Revolution
„Freiheit fürs Internet“ zeigt Möglichkeiten, die Zensur zu umgehen. Den Zuschauern traut die Doku jedoch kaum Kompetenz zu, diese auch zu verstehen.
Es wirkt, als ob die Technologie Pharaonengräber zu bauen, mit der Technologie, den „Pharao“ Husni Mubarak zu stürzen, verwandt seien. Zumindest wenn man sich nach der 3sat-Dokumentation „Freiheit fürs Internet“ richtet. Wie Aktivisten das Netz nutzen, um Protest zu artikulieren und zu organisieren, wird eingeführt mit Bildern von Sphinx und Pyramiden.
Das Netz und insbesondere soziale Netzwerke spielten tatsächlich eine zentrale Rolle, den Aufstand gegen Mubarak anzustoßen: Der Beginn der Rebellion wurde auf Facebook festgelegt, und eine der ersten Reaktionen des Diktators war es, Handynetzwerke und Internetverbindungen zu kappen. Was tun, wenn die zentralen organisatorischen Instrumente und Veröffentlichungskanäle kontrolliert, zensiert oder gar zerstört werden?
Eine erste Antwort lieferten damals die ägyptischen Aktivisten selbst: Sie kramten ihre alten Dial-up-Modems heraus, wählten sich so ins Internet und hielten damit die Kommunikation am Laufen. Eine schlaue, aber altbackene Lösung.
„Freiheit fürs Internet“ zeigt zeitgemäßere Alternativen, die nun weltweit entwickelt werden. Die US-Regierung finanziert beispielsweise „Commotion Wireless“, eine Software, die aus Handys und Laptops ein dezentrales Netzwerk erzeugt; die Universität Michigan entwickelt Software, um die chinesische Internetzensur zu umgehen, und der deutsche Piraten-Politiker Stephan Urbach unterstützt Aktivisten in Syrien in Sachen Netzsicherheit.
Der Film traut aber seinen Zuschauern kaum technische Kompetenz zu und liefert oft irreführende und unvollständige Erklärungen. Das stadtweite Wiener WLAN-Netzwerk FunkFeuer, das eine freie Verbindung ins Internet erlaubt, wird unsinnigerweise als „unabhängiges Internet“ bezeichnet.
Ausgehend von einem Werbevideo für Überwachungstechnologien zeigt die Doku, wie ein Regimeagent aus einem Hotel-WLAN sämtliche Logindaten der Benutzer auslesen könnte, und erwähnt nicht, dass ein gängiger WPA-Passwortschutz im Netzwerk diese Möglichkeit drastisch einschränken oder gar unmöglich machen würde.
Teure internationale Provider
Auch die Frage, bei wem sich denn die ägyptische Aktivisten mit ihren Modems einloggten, wo doch die Provider abgeschaltet waren, bleibt unbeantwortet. Dass sie sich über teure internationale Telefonverbindungen bei ausländischen Providern einwählen, erzählt der Film nicht – und ebenso wenig, dass diese Möglichkeit deshalb nur einer Handvoll Ägyptern vorbehalten blieb.
Und so wird auch die große Frage der „Facebook-Revolution“ nicht beantwortet. Die Doku weist zwar darauf hin, dass nur eine kleine ägyptische Elite sich über das Internet organisierte, dass der Großteil der Bevölkerung nur über Radio und Fernsehen zu erreichen ist und dass nicht die Netzaktivisten, sondern Islamisten die Gewinner der darauffolgenden Wahlen waren. Doch sie nimmt diese Widersprüche nicht zum Anlass, die eigene These zu hinterfragen, dass vor allem Technik den Erfolg der Revolution herbeiführte.
Wahrscheinlicher ist, dass im Internet politische Prozesse beobachtbar werden, die früher geheim blieben: Diskussionszirkel werden zu Facebook-Gruppen, Flugblätter zu Websites und geheime Treffen zu Internetforen. Sie machen es einfacher, den Aufstand zu beobachten – sowohl für internationale Journalisten als auch für Zensoren. Doch wer Erfolg haben will, muss offenbar auch offline breit aufgestellt und vernetzt sein – so wie es die Muslimbrüder waren, die am Ende die Wahlen gewannen.
„Freiheit fürs Internet“ (20.15 Uhr, 3sat)
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