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WDR-Doku über italienische FußballerTestosteron im Überfluss

"Florence Fight Club" taucht ab in die Welt italienischer Fußballer, die nach Regeln aus dem Mittelalter spielen - mit brutalem Körpereinsatz (23.15 Uhr, WDR).

Fußballspieler beim freundschaftlichen Nahkampf. Bild: WDR

In weiße Tücher gehüllt, von weißen Fahnen gerahmt, stehen die muskulösen Männer im pompösen Gotteshaus und lauschen der Predigt: "Führe sie, denn sie werden Botschafter und Zungen des Friedens sein. Im Namen Christi, unseres Herrn." Der Priester könnte glatt bei Monty Python vorstellig werden, wenn der Sarkasmus seiner Worte absichtlich wäre. "Macht einen guten Eindruck, gewinnt das Spiel." Kirche vorbei, das Spiel kann beginnen.

Dass Italien, das Land der Tifosi, der Fußballfans, ist, ist selbst den Menschen, die sich nicht mit dieser Sportart auseinandersetzen, bekannt. Dass sich in der Kulturstadt Florenz eine äußerst archaische Urform des Fußballs gehalten hat, deren Wurzeln bis ins Mittelalter zurückreichen und die einmal jährlich auf der Piazza Santa Croce ausgetragen wird, könnte dagegen selbst einen Italienkenner überraschen.

Zurück ins Mittelalter

Der historische Fußball oder "Calcio Storico Fiorentino" ist ein auf Florenz begrenztes Phänomen, dessen Ursprünge bis ins Mittelalter zurückzuverfolgen sind, dessen Wesen aber noch von den Gladiatorenkämpfen der Römer abzuleiten sein soll. "Florence Fight Club" porträtiert jene seltsam brutale Sportart und dokumentiert kommentarlos die Vorbereitungen der Kämpfer auf den großen Tag.

Vier Mannschaften sind es, die mit den Farben Rot, Weiß, Blau und Grün je eines der vier Wohnviertel der von Florenz repräsentieren und in der dritten Juniwoche gegeneinander antreten. 50 Minuten haben die 27 Männer zweier Mannschaften Zeit, den Lederball hinter die Bande der gegnerischen Seite zu befördern. Rugby auf Sandboden, nur zäher und brutaler.

Der Film beginnt mit einer kurzen historischen Randnote zum Mittelalter. Die Geschichte des Spiels wird kaum behandelt, sofort wird in die Gegenwart geschwenkt. 2006 wird das Turnier wegen einer Massenschlägerei während eines Spiels abgebrochen und erst zwei Jahren später mit veränderten Regeln wieder anberaumt. Die Präsidentin will mit einer Alterbeschränkung bis zu 40 Jahren versuchen, die Vermischung der örtlichen Vendettas und des Sports zu verhindern.

Einige Monate vor der Wiederaufnahme der florentinischen Spieltradition setzt der Regisseur Luigi Perotti mit seiner Dokumentation ein und begleitet je einen Spieler der vier Teams bei seinen Vorbereitungen, zeigt dessen familiäre und soziale Hintergründe und arbeitet die Beweggründe heraus, sich einer solchen Brutalität auszusetzen, einer Situation, die einem Kriegszustand gleicht.

Männliches Gebaren

Gabrio von den Roten sieht sich selbst als Künstlernatur und will sich einmal intensiv mit seiner dunklen, seiner brutalen Seite auseinandersetzen. Pussino und Pussi von den Weißen verkörpern eine typische Vater-Sohn-Konstellation, in der Pussino für den Stolz seines Vaters kämpft. Giovanni von den Grünen wiederum hat afrikanische Wurzeln. Mit seiner Teilnahme will er beweisen, dass auch er trotz seiner Hautfarbe ein Florentiner ist.

Wirkliche Verwunderung löst die Tatsache nicht aus, dass im Land von Camorra und Bunga-Bunga bisweilen längst veraltete Traditionen, Strukturen und Geschlechterrollen noch immer Bestand haben. Interessant ist es trotzdem, auch wie bei solchen Gelegenheiten die katholische Kirche selbstverständlich ihren rituellen Stammplatz einnimmt.

Wie immer, wenn die Konzentration von Testosteron über einen kritischen Punkt hinausschießt, nimmt das männliche Gebaren die stets gleichen peinlich-grotesken Züge an: ein Kampf voll Eitelkeit um Macht und Hierarchie. Leider fehlt an dieser Stelle jegliche Kritik.

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9 Kommentare

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  • A
    allesundnichts

    Danke Siegfried Bosch, vielen vielen Dank,

     

    Sie haben vermutlich das gleiche wie ich gedacht, nur anders ausgedrückt,

    Ich habe mir die Dokumentation angesehen und finde den Artikel einen neuerdings fast Taz-Typischen Fauxpas.

     

    Dem Islam wird hier ständig die Treue gehalten, bloß nicht kritisieren - wir könnten ja den Wettstreit um das Islamfreundlichste Medium verlieren - auch wenn berechtigte Kritik mal angebracht wäre. Burka und anderes mittelalterliche islamische Gebaren HURRA.

     

    Aber spielen irgendwo in Italien, in einer bekannten Stadt, Männer ein Spiel von dem viele trotz des Bekanntheitsgrades der Stadt noch nie gehört haben, welches lediglich einmal im Jahr stattfindet, zu dem niemand gezwungen wird, es nur in einem gewissen Rahmen zu Regeln gespielt wird die niemand anerkennen muss weil niemand mitspielen muss und dessen Kosequenzen jeder Teilnehemer kennt, dann ist ganz ganz doll böse.

     

    Der Redakteur dieser Zeitung kritisiert eine harte mittelalterliche Sportart die keine groß-gesellschaftliche Rolle hat und bei der niemand mitmachen muss weil es allein auf die Spieler ankommt und das Spiel keine Zwänge auf andere ausübt, geschweige auf die Gesellschaft und die Sportart fast was laienhaftes, spaßiges an sich hat. Doch gleichzeitig andere Redakteure dieser Zeitung eine Religion bzw. eine Ideologie hochhalten, die mehr als gefährlich sein kann besonders wenn sie ab einer bestimmten Gruppengröße gesellschaftliche Zwänge ausübt und derren mittelalterliche Traditionen, u.a. Steinigung und noch ganz andere Sachen im Gegensatz zu diesem Spiel, das nur auf Freiwilligkeit besteht und dessen Ausübung keinerlei Folgen hat, tagtäglich Menschen beschäftigt und in diesen Rahmen zwingt, dann muss man die Taz langsam in Frage stellen.

     

    Sicherlich, übermännliches Gebahren ist immer ein wenig fragwürdig und kann manchmal böse Folgen haben, doch was ist jetzt an dieser Doku groß kritikwürdig.

    Ich mag übermäßige Männlichkeit ja auch nicht und die Katholische Kirche schon garnicht (Keine der drei großen Religionen).

     

    Doch liebe Taz was ist diese Sportart gegenüber dem Islam und der Burka die ihr vor kurzem so hochgehalten habt????

     

    Das ist ganz Arm was ihr hier veranstaltet - Eigentlich mag ich diese Zeitung, doch in Sachen Islam kommt es fast ständig zum Bruch zwischen euch und mir...

     

    Bitte die Islam-Debatte ein bisschen differenzierter angehen auch wenn sich die konservativen Kfäfte die Islamkritik zu eigen mache num von anderen Problem abzulenken

     

    Und - lasst dieses Spiel dich einfach ein Spiel sein, das in der Doku gezeigte Spiel war ein Spiel, der Islam ist kein Spiel....

  • T
    trad.

    "Könnte der Autor bitte seine "zensiert" wieder am Eingang abholen?"

     

    Da erhält sich seit Jahrhunderten eine Tradition und schon kommt jemand daher und macht es schlecht, und auf die pöse, pöse Kirche wird auch gleich mit eingeschlagen.

  • J
    jury

    grossartig!...ohne den Film gesehen zu haben, finde ich prinzipiell die Idee von "echtem" Sport, bei dem die Aktoren sich nicht über Werbeverträge und Ticketeinnahmen motivieren durchaus in Ordnung.

     

    Dass die Männer sich da Prügeln aus Eitelkeit o.ä. kommt bei den anwesenden Frauen sicher besser an, als bei der/m AutorIn (?) :)

  • M
    Mastermason

    "Wie immer, wenn die Konzentration von Testosteron über einen kritischen Punkt hinausschießt, nimmt das männliche Gebaren die stets gleichen peinlich-grotesken Züge an: ein Kampf voll Eitelkeit um Macht und Hierarchie. Leider fehlt an dieser Stelle jegliche Kritik."

     

    So ein Unsinn kann sich nur ein eierloses Männlein von 130 Pfund Gewicht und einem Selbstverständnis als "neuem" Mann (deren Dreikampf: Stricken, heulen, Frauenverstehen) ausdenken.

     

    Alle anderen denken: Yeah, abgefahren, das will ich auch!

  • V
    VVR32

    Hört sich interessant an, werde ich mir anschauen.

     

    Der Schlusspunkt ..."ein Kampf voll Eitelkeit um Macht und Hierarchie. Leider fehlt an dieser Stelle jegliche Kritik." irritiert mich dann aber doch ein wenig.

     

    Bei dieser Sendung handelt es sich um eine DOKUMENTATION. Da wundert es gar nicht, dass jegliche Kritik fehlt. Es soll schließlich DOKUMENTIERT(dokumentieren: Nutzbarmachung von Informationen zur weiteren Verwendung) und nicht kritisiert werden.

     

    Diesen wesentlichen Unterschied hat der WDR offenbar begriffen und handelt dementsprechend.

     

    Und wie aus den Ausführungen von Herrn Büch hervorgeht: Soweit ist die taz offenbar noch nicht.

     

    Bei aller - vielleicht von Zeit zu Zeit sogar liebenswerten - Kritiksucht: Vergesst bitte nicht, selbstständig zu denken. Dann werdet ihr nach und nach auch die Fähigkeit entwicklen, die Dinge in den passenden Kontext einzuordnen.

  • SB
    Siegfried Bosch

    Typisch intolerante TAZ. Wären das Muslime, wäre das Festival sicherlich eine Kulturbereicherung. Aber es sind ja nur autochtone Männer und zu allem Überfluss auch noch die katholische Kirche!

  • G
    Gary

    Irgendwie fehlen hier die Regeln des Spiels. Ich kann mir nach dem Lesen gar nicht vorstellen, wie das Spiel funktionieren soll.

  • MT
    Miaowara Tomokato

    Wusste schon länger, dass es das gibt, nur der Name fiel mir nichtmehr ein. Thanks @ Autor. Die Verbindung von Bareknuckle, MMA und Fussball finde ich Klasse. Besser als die hyperglorifizierte Langweilerei, wie sie an fast jedem WE in deutschen Stadien praktiziert wird. Dass es statt 90+ Minuten auch nur eine Stunde dauert, ist noch ein zusätzlicher Pluspunkt. Back to the roots, und ich würde vielleicht auch mal Bundesliga schauen....

  • L
    Leser

    Na sowas? Da haben Männer eine Nische gefunden, in der sie noch Männer sein können in dieser gender-gleichgeschalteten Welt, und schon redet der Autor von veralteten Traditionen. Passt ja zum Artikel über den "Boys' Day" an anderer Stelle.