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Drastische Mietsteigerungen in Berlins MitteNeukölln, jetzt 23 Prozent teurer

Freie Wohnungen in der Berliner Innenstadt sind selten und deutlich teurer als vor drei Jahren. Das belegen Zahlen des Onlineportals Immobilienscout24.

Auch so eine Art Mietspiegel: Neuköllner Wohnhäuser, die sich in einem Schaufenster spiegeln Bild: dpa

Wer umzieht, hat verloren. Denn wer heute eine Wohnung mieten will, muss dafür im Schnitt netto kalt 12 Prozent mehr auf den Tisch legen als noch vor drei Jahren. In der Innenstadt sind die Angebotsmieten sogar noch stärker geklettert. Am stärksten im Stadtteil Neukölln. Dort wurde im Jahr 2010 für freie Wohnungen rund 23,2 Prozent mehr verlangt als im Jahr 2007. Das geht aus Zahlen hervor, die das Onlineportal immobilienscout24.de der taz zur Verfügung gestellt hat.

Immobilienscout24.de ist Marktführer unter den Internetportalen, auf denen Miet- und Eigentumswohnungen sowie andere Immobilien angepriesen und gesucht werden können. Allein in Berlin hat das Portal nach eigenen Angaben rund 150.000 Anzeigen für Mietwohnungen pro Jahr. Das Portal hat demnach sämtliche Arten von Anbietern, vom kleinen Privateigentümer bis zur Wohnungsbaugesellschaft, in seinen Listen. Zur besseren Übersicht hat Immobilienscout24 Berlin in 80 Stadteile aufgegliedert. Seit Ende vergangenen Jahres wird Suchenden zu jeder Wohnung die aktuell im Viertel verlangte Durchschnittsmiete genannt. Zudem verdeutlicht eine Kurve die Preisentwicklung vor Ort in den vergangenen drei Jahren. Sie zeigt fast überall steil nach oben.

Erst Ende Mai hatte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) den offiziellen Berliner Mietspiegel vorgestellt. Darin wurden 5,21 Euro pro Quadratmeter als Durchschnittsmiete für das Jahr 2010 genannt. Aus den Zahlen von Immobilienscout24 lässt sich hingegen eine Durchschnittsmiete von 6,50 Euro für das gleiche Jahr errechnen.

Die Mietentwicklung

Teuerste Viertel 2010:

Rummelsburg 10,30 Euro/qm

Grunewald 10,20 Euro/qm

Mitte 9,90 Euro/qm

Dahlem 9,20 Euro/qm

Billigste Viertel 2010:

Hellersdorf 4,40 Euro/qm

Waidmanslust 4,80 Euro/qm

Marzahn 4,90 Euro/qm

Kaulsdorf 4,90 Euro/qm

Größte Anstiege 2007 bis 2010

Neukölln + 23,2 %

Tiergarten + 19,3 %

Karow + 19,0 %

Friedrichshain + 18,4 %

Die komplette Liste

Die Liste mit der Preisentwicklung der letzten drei Jahre in allen 80 Berliner Stadtteilen kann

abgerufen werden.

Tatsächlich ist die Diskrepanz zum Mietspiegel sogar noch viel größer. Denn das Onlineportal hat in seiner hier zugrunde liegenden Statistik nur Wohnungen berücksichtigt, die beim Angebot mindestens zwei Jahre alt waren. Bei Neubauten liegen die Preise so hoch, dass sie die Statistik verzerren würden, erklärt Katja Hemme, PR-Managerin von Immobilienscout24.

Das lässt sich am deutlichsten am Stadtteil Tiergarten ablesen. Für freie Bestandswohnungen wurden hier im vergangenen Jahr im Schnitt 6,60 Euro pro Quadratmeter verlangt. Rechnet man die angebotenen Neubauten hinzu, steigt die Durchschnittsmiete aller Wohnungen gleich auf 10,70 Euro. "Da werden ordentliche Preise aufgerufen", sagt Hemme. Würde man die erstmals angebotenen Neubauten mit einberechnen, ergäben sich teils dramatische Mietsprünge: für Kreuzberg um über 40, für Treptow über 50 und für Tiergarten um fast 70 Prozent innerhalb von nur drei Jahren.

Doch auch ohne die Neubauten wird der Unterschied zum Mietspiegel offensichtlich. Denn das offizielle Zahlenwerk ermittelt in erster Linie, was die Berliner zahlen, die schon eine Wohnung haben. "Wir dagegen haben nur Neuvermietungen in unserer Statistik", sagt Hemme. "Wir bilden den jetzigen Markt ab." Auf dem ist ein Trend unübersehbar. "Die Leute wollen wieder in die Stadt rein", sagt Hemme. Zumindest müsse ein S-Bahn-Anschluss direkt vor der Tür sein.

Das schlägt sich in den verlangten Mieten nieder. In der kompletten Berliner Innenstadt stiegen die Preise von 2007 bis 2010 um mindestens 14 Prozent, in einigen Vierteln sogar deutlich darüber. So verteuerten sich die Mietangebote in Schöneberg, Kreuzberg und Wedding um rund 16, in Mitte und Friedrichshain um etwa 18, in Tiergarten um 19,3 Prozent. Zum Vergleich: Die allgemeinen Lebenshaltungskosten der Verbraucher nahmen laut Statistischem Landesamt im selben Zeitraum um insgesamt nur 3,7 Prozent zu.

Die Mietsteigerungen in Berlin von 2007 bis 2010 Bild: Immobilienscout24

Ein Ende der Mietenexplosion lässt sich aus den Zahlen des Immobilienportals nicht herauslesen. Zwar wurde in den Vierteln mit den größten Zuwächsen vor allem eine Anpassung an das allgemeine Niveau in Berlin nachgeholt. Wedding mit 5,50 Euro pro Quadratmeter und Neukölln mit 5,90 Euro liegen aber immer noch unter dem Stadtschnitt von 6,50 Euro. Weitere Preiserhöhungen scheinen wahrscheinlich - vor allem, weil das Angebot dramatisch gesunken ist. Während bei Immobilienscout24 im Jahr 2007 noch fast 180.000 Wohnungsanzeigen erschienen, waren es drei Jahre später nur noch gut 132.000. Besonders dramatisch ist dieser Rückgang in Neukölln. Dort wurden im vergangenen Jahr nur 5.732 Mietwohnungen inseriert. Drei Jahre zuvor waren es mit 10.375 fast doppelt so viel. Hemme hat eine einfache Erklärung dafür: In einzelnen Vierteln sei schubweise zu beobachten, dass Mietshäuser in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. "In Neukölln wird viel aufgekauft", sagt Hemme.

Die Durchschnittsmieten der auf Immoscout im letzten Jahr angebotenen Wohnungen Bild: Immobilienscout24

Eine Obergrenze scheint nur in den Westberliner Topvierteln erreicht. In Grunewald, Dahlem oder Wannsee sind die Mieten zuletzt kaum gestiegen. Wer hier wohnen will, muss allerdings schon seit Jahren Quadratmeterpreise von mindestens 10 Euro zahlen, im Neubau mehr.

Wer günstig wohnen will, muss in die Wohnsilos am äußersten Stadtrand ziehen. In Hellersdorf und Marzahn im Osten sowie Staaken im Westen bekommt man den Quadratmeter für im Schnitt schon 5 Euro. Hier sind die Mieten zuletzt sogar leicht gesunken.

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10 Kommentare

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  • Z
    zool

    Gut geschrieben, aber leider gibt es kein link für higher-res bilder.

     

    diese sind unnütz.

  • HM
    @Herr Meyer

    Irgendwas machen Sie falsch. Also ich selbst und auch die meisten Menschen, die ich kenne, verdienen mit Arbeit Geld, das zum Leben reicht. Vermutlich sind einfach Ihre Ansprüche zu hoch. Denn das Geld, dass man mit ein paar Mietshäusern verdient, kann eine Familie mit normalen Ansprüchen allein garnicht ausgeben.

    Das Anspruchsdenken zeigt sich auch in Ihrer Einstellung zu Baulücken. Aber wer auf Lebensqualität durch Brachland mitten in der Stadt nicht verzichten will, muss eben auch Wohnungsknappheit und dadurch hohe Mieten in Kauf nehmen. Abgesehen davon sind die meisten Baulücken einfach nur hässlich und steigern kein bisschen die Lebensqualität.

  • D
    @Daniel

    "Das Flughafengelände eignet sich doch wunderbar, um es teilweise mit günstigen Sozialwohnungen zu bebauen. Aber die Politik wünscht Lofts! Als hätten wir nicht genügend überteuerte Wohnungen."

     

    Billige Sozialwohnungen gibt es in Berlin viel mehr als Lofts. (siehe Hellersdorf) Das Problem ist nur, die Leute wollen lieber in Lofts als in der Platte wohnen. Also warum noch mehr davon bauen um noch mehr Platten leer stehen zu lassen. Außerdem: wenn es einmal mehr Lofts als Interessenten dafür geben sollte, werden auch deren Preise sinken. Fazit: Lofts bauen!

  • R
    robert

    ich habe soeben meine wohnung in berlin bezogen und hatte bei den horrostorys was die wohnungssuche und die damit einhergehenden massenbesichtigungen betrifft, einen graus vor dem, was anscheinend auf mich zukommt.

    aber man muss sich beim ernst der lage auch mal entspannen.

    3 gehminuten vom sogenannten szeneberzirk kreuzkölln habe ich ein gut 60qm große wohnung in einem topzustand für 400 EUR warm bekommen, keine drei gehminuten zur u-bahn.

    aktive suchzeit: 1 woche

    besichtigte Wohnungen: 1

    Mitbewerber:5

     

    Mein Tip:

    haltet die augen auf, meidet die massenbesichtigungen und haltet euch an die genossenschaften.

  • W
    wohnungssuche

    @ enzo enduro: ist mir auch aufgefallen, dass viele zimmer oder ganze wohnungen als ferienwohung vermietet werden und zwar dauerhaft, nicht als zwischenlösung bei selbst mal abwesend. fand ich auch irgendwie krass als ich das so feststellte. womöglich werden dadurch ehemalige wg-wohnungen wegen keinen bock mehr auf wg-stress etc. blockiert. bzw. die zimmer darin.

    gruß

  • HM
    Herr Meyer

    mit Arbeit lässt sich heutzutage kein Geld mehr verdienen, da braucht es schon ein paar Mietshäuser, um sich schadlos zu halten..!

     

    @Enzo Aduro: eine zunehmende Verdichtung durch Schließung vorhandener Baulücken vermindert auch die Lebensqualität in der Stadt. mein Nachbarhaus wurde um nur eine Etage aufgestockt - und seither habe ich etwa acht Wochen mehr im Jahr (nun 7 Monate), in denen meine Wohnung ohne direkte Besonnung auskommen muss. Ein stärker geförderter Ausbau vorhandener Dachgeschosse würde sicherlich in allen Teilen der Stadt zu einer spürbaren Zunahme des Wohnungsangebots ohne Freiflächenverlust führen.

    Für mich waren und sind die Baulücken und Brachen mit oftmals wildem Bewuchs ein großes Stück Lebensqualität, das ich für schonenswert halte - wobei ich nicht gegen Neubauvorhaben grundsätzlich bin, da auch neue Architektur in alten Strukturen ihren Platz finden sollte.

    Aber zurück ins Jahr 1922...?!?

  • T
    Timm

    Innerhalb des S-Bahn-Rings wird sich die Entwicklung der Mieten von den übrigen Stadtteilen abkoppeln und in wenigen Jahren werden vergleichbar hohe Mietpreise gefordert wie in anderen großen westdeutschen Städten. Was man aber nicht vernachlässigen sollte: Dazu tragen auch die Berliner ihren Teil bei. Berlin ist "Umzugshauptstadt", nirgendwo in Deutschland ist die Fluktuation größer. Wenn man dann sieht, dass sich immer noch, auch 22 Jahre nach Mauerfall, die Stadtviertel dramatisch verändern, wie jetzt durch den Tempelhofer Park oder demnächst die Schließung von Tegel, ist das Ende noch lange nicht erreicht. Der neue Flughafen ist auch mehr als ein Ersatz für die alten. Er wird Verkehrsströme verändern und neue Unternehmen und Besucher nach Berlin bringen, Oder irgendwann der Komplettumzug der Ministerien von Bonn nach Berlin, wieder mit großen städteplanerischen Veränderungen verbunden.

     

    Es ist richtig, gegen Mietwucher, Gentrifizierung und andere Dinge zu protestieren und zu kämpefen. Nur ist das etwa so, als würde man einen aktiven Vulkan mit Sand zuschütten wollen. Gegen die Dynamik der Veränderungen in Berlin lässt sich wohl wenig ausrichten.

  • D
    Daniel

    Ich muss Enzo Aduro voll und ganz zustimmen. Berlin hatte schon einmal mehr als 4 Millionen Einwohner. Das wäre problemlos wieder möglich.

     

    @Tom: Das Flughafengelände eignet sich doch wunderbar, um es teilweise mit günstigen Sozialwohnungen zu bebauen. Aber die Politik wünscht Lofts! Als hätten wir nicht genügend überteuerte Wohnungen.

  • T
    Tom

    Ihr habt Euch alle täuschen lassen! Erst überlegen, dann gegen oder für etwas "Flughafen Tempelhof" stimmen! Nun könnt Ihr nach Hellersdorf ziehen und Neuköln wird - wie es Wowi wollte - richtig schick!

  • EA
    Enzo Aduro

    Wenn jetzt viele Leute wieder in der Innenstadt wohnen wollen, dann muss dort auch gebaut werden! Es gibt noch viele Baulücken, einetagige Supermärkte, blanke Feuerschutzwände in den Hinterhöfen.... Die Verwaltung sollte hier besser bei Bauzulassungen sein.

     

    Bevor Berlin 1922 seine jetzigen Grenzen bekam hatte Bestand Berlin aus den heutigen Bezirken Mitte (Mitte, Tiergarten, Wedding) und Friedrichshain-Kreuzberg, sowie dem Ortsteil Prenzlauer Berg des Bezirks Pankow. Damals hatte dieses Berlin 1,9 Million Bewohner. Heute sind es 750.000! Man kann anmerken das damals die Leute beengter wohnten. Dafür gab es aber auch viel mehr Industrieflächen und Bauen konnte man auch noch nicht so hoch. Ich sehe keinen Grund warum man nicht die Wohnungen in der Innenstadt schaffen könnte. Erstmal sollte man die "Ferienwohnungen" schließen. Die Turis sollen gefälligst in Hotels. Können ja gern weitere gebaut werden, aber ZUSÄTZLICH! Nich Bestandseingreifend!