piwik no script img

Kommentar Verbot von RatingagenturenDas Zeugnis kommt auf jeden Fall

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Der Plan des EU-Kommissars Michel Barniers, private Ratingagenturen zu verbieten, scheint abenteuerlich. Eine Ratingpause könnte sinnvoll sein.

D ie Wahrheit lässt sich allenfalls zeitweise unterdrücken. Daher mutet auch der Plan von EU-Kommissar Michel Barnier abenteuerlich an, den privaten Ratingagenturen zu verbieten, Qualitätsurteile über Staatsanleihen herauszugeben. In Ausnahmefällen könnte das Vorhaben dennoch hilfreich sein.

Dafür gab es in den vergangenen Monaten mehrere Beispiele. Während etwa die spanische oder die griechische Regierung einschneidende Sparprogramme vorbereiteten, um ihre Schulden zu verringern, senkten Ratingagenturen ihre Bewertung der jeweiligen Staatsanleihen. Das machte die Haushaltssanierung noch schwieriger, weil die Zinsen stiegen. Das schlechtere Rating durchkreuzte also eine an sich richtige Politik und - schob die entsprechenden Staaten näher in Richtung Pleite.

Doch das ändert nichts daran, dass besonders die drei marktbeherrschenden Ratingagenturen Standard & Poors, Moodys und Fitch für viele Investoren eine wichtige Rolle spielen. Denn sie sagen Kapitalgebern, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie verliehenes Geld zurückerhalten. Diese Einschätzungen sind manchmal subjektiv, oft fehleranfällig und immer vom Augenblick abhängig, in dem sie getroffen wurden.

Bild: taz
HANNES KOCH

ist Autor der taz.

Es kann also in bestimmten brenzligen Situationen gerechtfertigt sein, dass die EU-Kommission die Agenturen verpflichtet, für zwei Wochen Stillschweigen zu wahren. Auch Börsen unterbrechen den Handel, wenn eine Verkaufspanik ausbricht. Nach einer Ratingpause und dem Beschluss über ein Sparprogramm sieht die Lage der Regierung möglicherweise besser aus, als die frühere Stimmung erwarten ließ.

Dabei ist aber zweierlei zu beachten: Einmal lässt sich ein Verbot nicht lange aufrechterhalten - dann veröffentlichen die Agenturen wieder das, was sie richtig finden. Und: Halten sie die Lage des betreffenden Staates dann immer noch für miserabel, kommt das Zeugnis zwar später - aber die Noten fallen auch schlechter aus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • N
    noevil

    Ich möchte Euch mal raten (vermutlich kommt Rating von raten), Monopoly zu spielen und dafür eigene neue soziale Regeln aufzustellen. Das haben wir gemacht, indem wir immer demjenigen, der abzustürzen drohte, Geld aus der Kasse zur Verfügung stellten. Dies musste er dann (mit einem sozialen Aufschlag) zurückzahlen, wenn er saniert war. Wer sich nicht an die Regeln hielt wurde nach zwei Hilfeleistungen vom System ausgeschlossen und ging schnell unter.

     

    Unser Sohn lernte dabei

    1. ganz erheblich mehr, als nur gierig danach zu trachten, möglichst viel an sich zu reissen,

    2.andere ins Unglück zu stürzen und

    3.zum Schluss mit dem größten Haufen an Eigentum und dem Gefühl der Größte zu sein, dazustehen und 4.feststellen zu müssen, dass er eigentlich der Größte von "Nichts" ist.

     

    5.Geld hat immer nur die Bedeutung und den Wert der ihm zugemessen wird und der Wähler ist derjenige, der sich für die Träger der Verantwortung zu entscheiden hat.

     

    6.Denn wenn Geld nicht mehr in Umlauf sein kann, weil es gehortet wird, dann ist das "Spiel" irgendwann aus, egal wie es oder der Verlierer bewertet wurde.

     

    Er lernte auch, auf die anderen zu sehen,

    7.Werte zu erhalten anstatt zu trachten, zu vernichten, nur um selbst vorn zu stehen. Das Spiel führte dazu, dass wir es irgendwann beenden mussten, denn es gab keine Verlierer und keine Gewinner mehr. Das geächtete Spiel war zu einem wertvollen Vermittler von positiven Erfahrungen geworden.

     

    Anstatt uns zu brüsten, wir wären nun (finanziell) erwachsen geworden (lachhaft), sollten wir uns eingestehen, dass wir uns (von -ebenfalls gesteuerten- Rating-Agenturen, Investoren, Fachmann spielenden Politikern und Börsenspekulanten) am Nasenring durch die Arena führen lassen und es nicht einmal sehen. Jede noch so kleine Erkenntnis führt bei uns sofort zu einem überbordenden egomanen Größenwahn, während sich andere über "diese Amateure" kaputt lachen.

     

    Also - ran ans Monopoly, diese alles überziehende Angst loslassen lernen, sich vielseitig informieren und sich nie das kleine aber entscheidende Recht nehmen lassen, in Wahlen demokratisch den Hebel zu bewegen!

  • H
    Hasso

    Banken und Wirtschaft sollten nicht bestimmen dürfen, wo die Politik sich hinzubewegen hat. Um das im Keim zu ersticken, müssen die Politiker aus der Wirtschaft und die Wirtschaft aus der Politik. Aber sage man das mal einem eigennützigen Politiker! Politiker wollen immer recht haben, weil der Eigennutz bereits die Allgemeinnützigkeit abgelöst hat. Braucht die Politik für jede Entscheidung einen Berater aus der Industrie-wie z.B. Schröder und Merkel sieht man was dabei herauskommt. Ist man zu dumm für die Wirtschaft geht man in die Politik und kauft sich die Kompetenz.Und was das für eine Kompetenz ist sieht man an den 'Affen', die sich erst mal die 'Nüsse' für sich besorgen, wie die "Ackermänner, Riesters, Rürups, Hartz und andere Volksverarscher.

  • C
    Coastman

    Fitch gehört einem französischem Konzern. Das mit den 3 amerikanischen Ratingagenturen ist Propaganda. Wir werden angelogen, von den Medien und der Politik. Da bin ich froh um die Meldungen der Ratingagenturen. Ein "Heile Heile Gänschen..." kann ich auch alleine hinmurmeln. Alles ist gut, sagt das Wahrheitministerium.

  • M
    Michael

    Ein entschiedenes Nein.

    Eine Einschränkung der Meinungsfreiheit ist nie akzeptabel - so gut gemeint sie auch sein mag.

  • A
    ALaBa

    Ratingagenturen verbieten...damit sie uns noch besser anlügen können.

  • AH
    Aus Haching

    Interessanter Vorschlag, aber:

     

    Die Ratingagenturen sitzen in den USA. Wie will die EU erreichen, dass us-amerikanische Unternehmen keine Einschätzungen veröffentlichen?

     

    Außerdem hängen die Investitionsmöglichkeiten von Banken und Versicherungen (und Pensionsfonds usw.) davon ab, welches Rating das Investitionsobjekt hat. Soll in der Phase des Stillschweigens das bisherige Rating fortgelten oder gilt das Land als nicht bewertet? In letzterem Fall wäre sichergestellt, dass niemand investiert.

     

    Und ganz allgemein gefragt: Würden Sie Staatsanleihen eines Landes kaufen, dessen Lage so kritisch ist, dass die Rating-Agenturen einen Maulkorb bekommen müssen. Wenn Ihre Antwort - wie meine - "Nein" lautet, müssen Sie zu dem Ergebnis kommen, dass eine Veröffentlichungsverbot die Lage eines Landes noch mehr verschlimmert als ein schlechtes Rating.