Ex-Spex-Chef über Corporate Publishing: "Ich hatte noch nie so viele Freiheiten"
Der frühere "Spex"-Chefredakteur Max Dax leitet nun das Telekom-Magazin "Electronic Beats" - und fühlt sich darin als Avantgarde.
taz: Herr Dax, warum sind Sie von der diskursprägenden Zeitschrift Spex ins Corporate Publishing gewechselt, zur ungeliebten Telekom?
Max Dax: Wer sagt denn, dass man im Corporate Publishing keine Diskurse prägen kann? Mich reizte die Internationalität. Electronic Beats erscheint in weiten Teilen Europas, in englischer Sprache. Das ist eine Herausforderung.
Anders gefragt: In Medienkreisen steht man privaten Geldgebern sehr kritisch gegenüber. Hatten Sie gar keine Bedenken?
Natürlich hatte ich Bedenken. Aber werfen Sie doch einmal einen Blick auf den Kunstbetrieb: Für Museen ist Sponsoring zu einem wichtigen Bestandteil der Finanzierung geworden. Wieso sollte es also im Medienbereich nicht okay sein?
Der wesentliche Kritikpunkt ist sicherlich der Verlust der redaktionellen Unabhängigkeit.
Guter Journalismus kostet Geld. Man muss allerdings offenlegen, woher es kommt - und das tun wir bereits auf dem Cover. Der Leser dürfte umso positiver überrascht sein, wenn er im Heft auf Autoren wie Hans Ulrich Obrist, Glenn OBrien oder den Hacker-Guru Steven Levy trifft.
1969 als Maximilian Bauer in Kiel geboren, gründete 1992 das Interviewmagazin Alert. Von 2007 bis 2010 leitete er das Popmagazin Spex. Seit März 2011 ist er Chefredakteur der Telekom-Zeitschrift Electronic Beats.
Nun kann ja das Telekom-Label auf dem Cover nicht alles sein. Versuchen Sie sich diesem Thema auch im Heft zu stellen?
Das versuchen wir tatsächlich. In jedem Editorial von Electronic Beats führen Hans Ulrich Obrist und ich ein Gespräch weiter, in welchem es um genau diese Problematik geht - einen Konzern im Rücken zu haben, der sich mit Geld eine Zeitschrift leistet, die einen Imagegewinn zurückwirft auf die Marke. Der Leser kann in dem Moment damit umgehen, wenn er weiß, woran er ist. Problematisch wird es immer dann, wenn gemauschelt wird.
Der Konzern sitzt nicht mit am Konferenztisch?
Es ist kein Geheimnis, dass das Magazin die Sponsoring-Aktivitäten der Telekom im Bereich der elektronischen Musik abbildet - im aktuellen Heft betrifft dies Interviews mit Dieter Meier, Caribou, Marc Collin und Panda Bear. Dafür wurde das Magazin ins Leben gerufen. Die Frage lautet stets: Was macht man daraus?
Gibt es neben den wirtschaftlichen auch inhaltliche Vorteile?
Blattmacherisch kann ich sagen: Ich hatte noch nie so viele Freiheiten. Nehmen wir das Beispiel Antizyklizität: Wir fühlen uns nicht an den Veröffentlichungskalender der Medienindustrie gebunden. In der aktuellen Ausgabe plädiert Hans Ulrich Obrist dafür, die Belletristik von Édouard Glissant endlich ins Deutsche zu übersetzen. Inhaltliche Freiheit kann sich auch darin artikulieren, einen Artikel über ein Buch zu veröffentlichen, das es hierzulande nicht zu kaufen gibt.
Bewerten Sie den Aspekt der Antizyklizität nicht über?
Ganz im Gegenteil. Die Diskussion über die Zukunft der Printmedien ist auch eine der freiwilligen Gleichschaltung. Seit einigen Jahren gibt es den besorgniserregenden Trend, dass sich die Zeitschriften vom Themenmix immer mehr annähern - ganz zu schweigen vom Trend zum "Wohlfühljournalismus", der auch zum Ziel hat, es sich nicht mit potenziellen Anzeigenkunden zu verderben. Je unberechenbarer ein Titel inhaltlich wird, desto interessanter und relevanter wird er. Die Frage lautet doch: Wie hoch ist der Erkenntnistransfer? Wenn ich mit Alexander Kluge im Angesicht von Fukushima und Demonstrationsüberwachung über die Bedeutung von Maskierung und Vermummung spreche, dann gibt es diesen Transfer. Zumal in einem Heft, in dem man es so vielleicht nicht erwartet hätte.
Denken Sie, dass es die Zukunft sein wird, sich einen großen Geldgeber zu suchen, der das eigene Magazin finanziert?
Mäzenatentum ist eine denkbare Vision. Was spricht gegen Stiftungen, die etwa von reichen Künstlern finanziert werden, denen der genannte Wissenstransfer elementar wichtig ist? Ziel müsste es sein, Redakteure und Autoren so gut zu bezahlen, dass sie von ihrer Arbeit leben können. Dem Verlag käme eine modifizierte Rolle zu: Befreit von den Redaktionskosten, könnte das Geld in Produktion, Vertrieb und Vermarktung gesteckt werden. Eine Trennung von Inhalt, Distribution und Produktion könnte für viele Printmagazine ein realistischer Weg in die Zukunft sein, denn es gibt in diesem Modell nur Gewinner.
Wirklich? Oder spricht da nur ein Selbstvermarkter, der jede sich bietende Gelegenheit nutzt, um öffentlichkeitswirksam Diskurse loszutreten.
Ich wundere mich eher darüber, wie wenig dieser Diskurs geführt wird. Es gibt meiner Ansicht nach die Verpflichtung, das eigene Medium zu reflektieren. Es gibt online die Problematik der On-Demand-Kultur, die dem Leser zunehmend nur noch die Inhalte herausfiltern wird, die er angeblich lesen möchte. In diesem Kontext muss die Frage nach der Zukunft der Printmedien öffentlich gestellt werden.
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