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Wie Wulff der „Bild“ zum Preis verhilftDie Phasen einer Freundschaft

Die „Bild“-Zeitung ist für einen wichtigen Journalistenpreis nominiert. Bedanken muss sich das Blatt bei Christian Wulff, behauptet die Otto-Brenner-Stiftung.

Szenen einer Ehe: Kai Diekmanns Brief an Wulff zu den Mailbox-Aufzeichnungen. Bild: dpa

BERLIN taz | Fast ist er schon vergessen, Christian Wulff aus Großburgwedel. Beeindruckend, wie rapide die Lust an der Enthüllung seiner zahlreichen Fehltritte abgenommen hat – und auch die öffentliche Aufregung darüber. Für Bild wird Christian Wulff am Ende dieser Woche noch mal wichtig.

Der ehemalige Bundespräsident könnte dem Boulevardblatt einen Triumph bescheren. Es wartet ein roter Teppich in Hamburg, ein pompöser Festakt im Schauspielhaus, die journalistische Elite feiert in Frack und Abendkleid. Bild ist für den Henri-Nannen-Preis nominiert, einen der wichtigsten Journalistenpreise des Landes – für ihre Enthüllungen im Fall Wulff.

Am Freitag wird sich entscheiden, ob sich die Redaktion den renommierten „Henri“ ins Regal stellen darf. Es wäre eine wunderbare Trophäe. Fast so glänzend wie die erfolgreiche Vertreibung, die letztlich zur Nominierung führte: die des Präsidenten aus seinem Schloss. Und das im Jubiläumsjahr: 100 Jahre Springer, 60 Jahre Bild. Wie hat Bild das geschafft? Wie konnte ein Boulevardblatt, zu dem noch immer viele Journalisten Abstand halten, in den Olymp der Qualitätsmedien aufsteigen?

Eine neue Studie der Otto-Brenner-Stiftung, die nicht zufällig in dieser Woche erscheint, gibt Antworten, ohne polemisch zu sein. „Bild und Wulff – ziemlich beste Partner“, so der Titel der Untersuchung, laut Autoren eine Fallstudie über eine „einseitig aufgelöste Geschäftsbeziehung“.

Affären abgebügelt

So widmen sich Wolfgang Storz, ehemals Chefredakteur der Frankfurter Rundschau, und Hans-Jürgen Arlt, Professor an der UdK Berlin, detailliert den Phasen dieser Geschäftsbeziehung: der Jubelphase, der Wechselphase und der Wirbelphase.

In der Jubelphase hat Bild alles gut gefunden, was Wulff, damals Ministerpräsident in Niedersachsen, machte. Ob er sich für die alte Rechtschreibung oder VW einsetzte, ob er sich von seiner Frau schied und eine neue präsentierte, ob er sich die Haare anders frisieren ließ oder Affären abbügelte – Bild stand staunend daneben und applaudierte.

„Das Bild-Publikum erfährt im Zeitraum zwischen 2006 und dem 12. Dezember 2011, dass Christian Wulff ein Muster an Erfolgspolitik, moralischer Integrität und familiären Glücks ist“, so formuliert die Studie. Bild als PR-Agentur des Christian Wulff, Wulff als Informant der Bild-Zeitung.

Vom Boulevard zum „Henri“

Dabei weist die Studie zu Recht darauf hin, dass die Verfehlungen und Fehltritte Wulffs fast ausschließlich in dieser Zeit, der Jubelphase, passierten. Wusste die Zeitung damals noch nichts davon oder sparte sie sich ihr Wissen auf? Es folgte die Wechselphase, im Dezember 2011. Andere Medien hatten inzwischen zum Hauskredit des Bundespräsidenten recherchiert, die Bild-Zeitung musste sich entscheiden, ob sie mit aufdeckt und Wulff fallen lässt. Sie tat es.

Und wie, auch das zeigt die Studie: Erst behutsam, vermeintlich distanziert, mehr Spielführer als Stürmer, sie ließt die anderen machen. „Wirbel um Wulff“, titelte das Blatt. Und später, gekonnt indirekt: „Wie lange hält das Amt diese Schlagzeilen noch aus?“ Als Wulff dem Chefredakteur der Bild-Zeitung, Kai Diekmann, auf die Mailbox sprach, erstaunt über die einseitig aufgekündigte Geschäftsbeziehung, schrieben andere Medien diese Dummheit zu einem Angriff auf die Pressefreiheit hoch.

Für Bild hätte es besser nicht laufen können, das zeigt die Studie. Die Autoren haben 1.528 Bild-Artikel ausgewertet, mangelnde Akribie kann man ihnen nicht vorwerfen. Eine lesenswerte Studie, die erste ausführlich Dokumentation der Wulff-Affäre, die mit Sicherheit, das beweisen die Autoren, auch eine Bild-Affäre war. Auch wenn die Zeitung den Preis am Freitag nicht bekommt, eines zeigt schon die Nominierung: wie anerkannt Bild inzwischen in der Branche ist.

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8 Kommentare

 / 
  • DB
    die Branche

    "wie anerkannt die Zeitung inzwischen bei der Branche ist..."

     

    anerkannt bei wem, bei den taz-Genossen, die sich inzwischen recht wohl fühlen mit dem Gast bei Genossenschaftssitzungen?

     

    bei der "Branche"?

     

    wenn ich als Leser erstaunt beim Lesen bin, darf ich das dann? Bin ich als "user", "Leser" und/oder "Zeitungskäufer" nun Adressat oder berechtigt zum Erstaunen? Somit irgendwie doch existenter, wenn auch gerne vergessener Teil der "Branche"? Oder fühlt sich "die Branche" wohl auch ohne Leser?

     

    Wenn Letzteres - wie lange?

     

    Fragt erstaunt ein Kommentierer und wirft die auf einem U-Bahn-Sitz vergessene BILD-Ausgabe in den Müll, ohne dabei übrigens ein Ensetzen bei anderen Bahnsteignutzern hervorzurufen, trotz versehentlichem Verfehlens des richtigen Eimers - "Restmüll".

  • V
    vic

    Ich freue mich an diesem Wochenende über eine nicht ehaltene Jubiläums-Bild, ausgezeichnet oder nicht.

  • R
    reblek

    "... so formuliert die Studie... Dabei weist die Studie zu Recht darauf hin...". - Die Studie tut gar nichts, denn sie ist kein Sub-, sondern ein Objekt. Das Tun liegt bei den Autoren.

    "... sie ließt die anderen machen..." - "ließ".

    @ Malte S.: Richtige Frage. Früher stand auf dem Titel mal "BILD-Zeitung". Irgendwann hat der Verein wohl gemerkt, dass das Ding mit einer "Zeitung" nichts zu tun hat, und nennt es seitdem nur noch "BILD".

    Und immer wieder der nette Hinweis, dass BILD-, also Drecksblatt-Diekmann taz-"Genosse" ist.

  • Y
    yberg

    das katzbuckeln vor den getreuen verlagsnoblen DöpfnerDiekkmannSchmid und ihrem medium Ahnfriede Springer,axelcaesarzugang inclusive, beschränkt sich eben nicht auf die selbsternannte politikerelite mit ihren quartalsgöttern.

     

    wie eine schleimspur zieht sich die anbetung auch durch durch vorstandsetagen,präsidien,preisgerichten und oberleitungsebenen,wo benefitkarusell und allmachtswahn sich nur zu gerne mit medialem rühren nicht nur zum finanziellen vorteil paaren

     

    warum sollte sich ein hochmögendes elitäres journalistengremium mit feigenblättin nicht für einen spartensieger BILD aussprechen.

     

    allein die tatsache,daß ein wenig der wahrheit verpflichteter skrupellosser chefredakteur sein ego, seine boni und die auflage seiner zeitung für wichtiger erachtet als seine persönliche freundschaft mit dem subjekt der berichterstattung,und dies auch mit hilfe anderer medien öffentlich zelebriert und eingesteht ist auf jeden fall zusätzlich das große bundesverdienstkreutz am bande wert.

     

    deutlicher kann das verlogene mediale theater nun wirklich nicht der interessierten öffentlichkeit vorgeführt werden.

     

    gäbs Diekmann nicht ,bliebe uns nur

    "clownen für Deutschland"

  • HH
    Harald Huesch

    Ich denke, dass die Preisrichter durch die Nominierung der BILD-Zeitung - hier war unter anderem der SPIEGEL-Chefredakteur tätig - ihr eigenes Vorgehen gegen Wulff zu rechtfertigen und nachträglich aufzuwerten versuchen.

    Was daran preiswürdig sein soll, wenn im Bundespräsidialamt der Pressesprecher dem BILD-Reporter den Kreditvertrag offenlegt - "Recherche" hat etwas mit "Suchen" zu tun, hier wurde ausschließlich "gefunden" - erschließt sich mir nicht. Das gilt auch für Erkenntnisse, die über Jahre in der Schublade schlummern - z. B. über die Bezahlung der Buchwerbung durch C. Maschmeyer - und dann bei Bedarf hervorgeholt werden, und für das Durchstechen des Mailbox-Anrufes an andere Zeitungen, noch lange nachdem Wulffs Entschuldigung akzeptiert worden war.

    Die Nominierung allein ist bereits ein Armutszeugnis für die Presse!

  • W
    W.Simme

    Das sind Scientology-Methoden, wer nicht mitspielt wird fertig gemacht, bzw. den läßt man fertigmachen und erntet anschließend die Lorbeeren.

  • MS
    Malte S.

    Lieber Autor,

     

    seit wann ist das "Bild"-Magazin oder "Bild"-Blatt eine "Bild"-Zeitung? Seit wann täuscht man in der TAZ diese Fehlannahme vor? Ein Afront für jede "echte" Zeitung!

  • JP
    J. Pauls

    Ein lesenswerter Gastbeitrag von Antje Vollmer

    in der Frankfurter Rundschau:

     

    http://www.fr-online.de/meinung/henri-nannen-preis-bild-zeitung-will-raus-aus-der-gosse,1472602,15116676.html