Kommentar Irland: Dem Iren kann's recht sein
Die EU-Finanzminister ignorieren simpelste Zusammenhänge: Die hohen Zinsen, die Europa von den Iren verlangt, treiben das Land weiter in die Pleitespirale hinein.
A n dem Rettungspaket für Irland ist nur eine Zahl wichtig: 5,83 Prozent. Diesen extrem hohen Zinssatz verlangen die EU-Länder für ihre Kredite - obwohl überdeutlich ist, dass Irland diese Kosten gar nicht stemmen kann. Die europäischen Finanzminister ignorieren simpelste Zusammenhänge. Hohe Zinsen lassen sich nur aufbringen, wenn gleichzeitig die Wirtschaft stark wächst. In Irland hingegen droht eine neue Rezession, weil alle eisern sparen: die irische Regierung genauso wie die überschuldeten Häuslebauer.
Den Iren bleibt daher nur ein Trick: Sie werden die hohen Zinsen zahlen, indem sie einfach weitere Kredite aufnehmen. Gemeinhin heißen derartige Kreditketten "Schneeballsystem" und führen zwingend zum Zusammenbruch. Den europäischen Politikern kann dies nicht entgangen sein. Sie betreiben also Kosmetik: Den Wählern daheim soll suggeriert werden, dass die Eurorettung umsonst zu haben ist, ja sogar noch einen Zinsgewinn abwirft.
Tatsächlich jedoch treibt Europa die Iren in die Pleite. Zwar war Irland sowieso konkursreif, aber jetzt ist es noch konkursreifer - sofern denn das Wort "konkursreif" eine Steigerung überhaupt zulässt.
Ulrike Hermann ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.
Die Iren selbst müssen eine Staatspleite nicht fürchten. Sie können nur profitieren, wenn offensichtlich wird, dass ihnen ein Teil der Schulden erlassen werden muss. Das Risiko tragen die anderen EU-Staaten.
Gerade deswegen sollten die EU-Finanzminister versuchen, ihr Risiko wenigstens zu reduzieren, indem sie von den Iren keine astronomischen Zinsen verlangen. Deutschland, zum Beispiel, kann an den Finanzmärkten 10-jährige Kredite für weit weniger als 3 Prozent aufnehmen. Nichts spricht dagegen, diese niedrigen Zinsen an die Iren weiterzureichen. Das werden auch die EU-Finanzminister einsehen - spätestens wenn offensichtlich wird, dass die EU-Kredite nicht genügen, um Irland aus der Pleite zu helfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen