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Kommentar BörsenkurseDer Crash ist keine Nachricht

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Wer wissen will, wie sich die Wirtschaft demnächst entwickelt, sollte besser nicht auf die Börse blicken. Es gibt bessere Konjunkturindikatoren.

I st jetzt "Crash" - oder doch nicht? Das wollten die deutschen Börsen am Dienstag nicht entscheiden. Die Aktienkurse kletterten, sanken, kletterten, sanken wieder. So wankelmütig stellt man sich einen "Börsenabsturz" nicht vor. Wo bleibt der freie Fall?

Offenbar ist er vorerst abgesagt. Aber eigentlich ist sowieso uninteressant, ob es zum Börsen-Crash kommt. Es gehört zwar längst zum kulturellen Allgemeingut, dass Börsenkurse wichtig sein müssen. Schließlich wird täglich vor der "Tagesschau" erläutert, wie die Aktien stehen. Doch damit werden diese Papiere absurd überbewertet. Die landläufige Vorstellung ist falsch, dass die Weltwirtschaft zusammenbricht, wenn die Aktienkurse nach unten zeigen. Die Produktion bei Daimler oder Bayer läuft weiter, auch wenn ihre Aktien nachgeben.

Wie folgenlos ein Crash sein kann, war ab 2008 zu erleben. Nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers knickte auch der DAX um knapp die Hälfte ein. Doch Konsequenzen hatte das keine - außer für die betrübten Anleger. Die Finanzkrise war eine Bankenkrise, die zur Wirtschaftskrise wurde. Der DAX hat die Krise nur gespiegelt.

Ulrike Herrmann

ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Aktienkurse sind Stimmungsindikatoren. Sie bilden nur ab, wie die Investoren die künftigen Gewinne der Unternehmen einschätzen. Dabei gehen die Aktionäre allerdings sehr grobschlächtig vor. Während die Konjunktur meist milde schwankt, schießen die Kurse wild nach oben und nach unten.

Wer wirklich wissen will, wie sich die Wirtschaft demnächst entwickelt, sollte daher besser nicht auf die Börse blicken. Es gibt bessere Konjunkturindikatoren. Zum Beispiel meldete das Statistische Bundesamt am Dienstag, dass die deutschen Exporte beginnen zu schwächeln. Das ist eine Nachricht, nicht die Börse.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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5 Kommentare

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  • G
    guntherkummerlande

    Ein Börsencrash ist doch nicht belanglos.

    Sie haben zwar Recht, dass Unternehmen eine

    Zeit lang die alten Produkte fertigen können,

    wenn die Rohstoffeinkaufspreise auch entsprechend

    niedrig sind. Aber zusätzliches Kapital für

    Werksneubauten, Pensionsrückstellungen,

    Produktneuentwicklungen werden nur eingeschränkt

    bis gar nicht möglich sein, wenn nicht der Preis

    entsprechend zusätzlich angehoben wird.

    Die Möglichkeit allgegenwärtiges betriebswirtschaftliches geringes Mißmanagement

    wieder auszugleichen nimmt dramatisch ab, da

    die Aktienfinanzierung als Puffer flach liegt.

    Zusätzliche hohe Preisschwankungen etwa durch

    gezielte Spekulationen auf Rohstoffe durch die

    Chinesen und Araber könnten dann hier zur

    Deindustrialisierung sorgen, weil die Kapitaldecke

    zu gering wird. Es ist erschreckend, wie wenig

    Verständnis für Zusammenhänge vorhanden ist.

    Hohe Zinsen auf Staatsanleihen, wegen gallopierender

    Nationenverschuldung führen dann zur Isolation

    vom Rohstoff- und Güterhandel.

    Diese Isolation ist Gift für den internationalen

    Frieden, wenn diese Länder zwingend auf diese

    Importe angewiesen sind.

    Man sollte aufhören, die Menschen auf auswendiges

    Lernen zu eichen. Als Politikerin hätten Sie jetzt

    durch ihre falsche Lageeinschätzung viele

    schwerwiegende Folgefehler gemacht.

    Bedenken Sie bitte auch:

    Viele Produkte können heute so preiswert angeboten

    werden, weil Sie durch harten Konkurrenzkampf

    und hohe Börsennotierungen der Hersteller

    fast ohne Gewinn produziert worden sind[

    Handys von 1999-2005 ,

    Spielekonsolen, Unterhaltungselektronik]

    eine Zeit lang Autos (Rabattschlacht in USA

    bei GM auch 2000-2008). Dem Verbraucher hat es

    sicherlich gefallen. Viele Arbeitslose,Geringverdiener hätten

    sich sonst nie ein Handy, Flachbildschirme,

    Internetzugang o.ä. leisten können.

    Als Linke Tageszeitung sollte man schon den

    Wohlstand und Anschluss an die Zivilisation

    für alle Bürger des Landes fordern.

    Sie mögen sicherlich über den Nutzwert von Handys,

    Unterhaltungselektronik und Spritfressern anderer

    Meinung sein als ich. Das ist Ihr gutes demokratisches Recht und entbehrt auch nicht einer

    gewissen Vernunft.

    Aber: Wenigstens bei den Pensionsrückstellungen,

    Krankengeldern, Weiterbildungsförderung,

    Abfindungen etc. rentiert sich die sehr gute

    Normalkapitalisierung von soliden Aktiengesellschaften. Ein Börsencrash stellt all

    diese Errungenschaften infrage, weil im globalisierten Wettbewerb die Margen immer kleiner

    werden.

    Das kann so weit gehen, dass Globalisierung

    sich nicht mehr rentiert. Die Verminderung

    des Transitverkehrs wäre zwar positiv, aber

    die Abkopplung vom internationalen Rohstoffmarkt

    wäre sehr negativ durch überhöhte Einkaufspreise

    und Dauerverträge der Chinesen.

    Eine dauerhafte zivilisatorische Rückwärtsentwicklung würde einsetzen.

    Bitte nächstes Mal mehr Sorgfalt walten lassen!

  • M
    Max

    Was sind das für Kommentare von dieser Frau Herrmann? Das ist ja die absolute Katastrophe, was für ein katastrophales wirtschaftliches Wissen da vorherrscht, solche inkompetenten Aussagen habe ich ja in einem Wirtschaftsteil noch nie gelesen! Wer soll denn ein Indikator sein, wenn nicht die Börse? Stimmt, die Aussagen einer Behörde wie dem als Wirtschaftsorakel berühmten Statistischen Bundesamt! Tolle Aussage! Das ist ungefähr so, als würde man behaupten, die taz hätte das Attentat in Norwegen vorhergesehen, weil sie einen Tag später darüber berichtet hat.

    Also die Kommentare von Frau Herrmann mögen unter irgendwelchen wirtschaftsfeindlichen, linksextremen Dummbroten gut ankommen - aber sie sind einfach nur peinlich.

  • K
    Kai

    Genau richtig, das einige Länder in Europa Probleme haben, wussten wir bereits seit Jahren. Wer ein wenig die Nachrichten verfolgt hat, wusste das Grichenland ein schwächelnder Kanidat ist. Protugal nicht besser dasteht. Genau so konnte in der Wirtschaftspresse verfolgt werden, dass in Amerika eine Imobilienblase gewaltig gewachsen ist, die eines Tages zusammenbricht und ggf. den Amerikanischen Makrt mitzieht, der dann den Rest mit in den Keller zieht...

     

    Wir alle konnten das lesen, leicht verständlich geschrieben, ohne grosses Wirtschaftschinesisch. Ich denke aber, einige Politiker haben es trotzdem nicht verstanden, genau so wie viele zu Buschzeiten vor dem riesen Defizit der USA gewarnt haben...

     

    Wenn das alles sich anhäuft, dann bricht irgendwas zusammen und alle schauen auf das Fiebertermometer Börse. Das Problem ist nur, die EZB meint jetzt durch Aufkäufe das Fieber zu senken, dadurch wird das Thermometer verfälscht, das wird sich dann auch eines Tages rächen, durch höhere Inflation...

  • H
    Hans

    Also die Investoren müssen Jahr für Jahr, Tag für Tag Gelder anlegen und deswegen müssen sie an der Börse ihr Kapital verstauen. Dazu tragen selbst Pensionsfonds amerikanischer Gewerkschaften bei, auch wenn diese Organisationen wissen, wie schwierig eine solche Anlage ist.

     

    Und das aus gutem Grund: Aktien und andere Anlageformen sind zunächst ja keine wirkliche Investition, sondern nur ein virtueller Akt. Auch das führt zu vielen Problemen, denn es gibt im Prinzip zuviel Kapital und es ist viel zu oft auf Werteverscheiebungen bzw. Bewertungsverschiebungen ausgerichtet und das bedeutet, dass die Anlger auf Gewinne aus ihrer Aktivität an der Börse, nicht auf Aktivitäten ihrer Anlage hoffen.

     

    Die Politik weiß schon lange, dass die massiven Wetten an den internationalen Märkten nur negative Folgen haben können und schon hatten. Gleichwohl hat selber der einstige SPD-Finanzminister es für positiv erachtet, diese Art von Casino-Leben finanziell abzusichern und dabei an Steuergeldern nicht gespart.

     

    Und nun dreht sich das Karussel abermals und viele Menschen beachten es nur aus der Ferne, aber schon bald könnten sie ihren Job, ihren Wohlstand und ihre Karriere verlieren, denn bei diesen Spielchen gibt es viele Opfer und ein Pardon gibt es nicht (Außer Peer Steinbrück macht die Kasse für die Banker wieder auf). Der Normalmensch, ja selbst der Normalangestellte in der Finanzwirtschaft kann sich vor den Auswüchsen des Markts nicht schützen, weil es ja gerade das Prinzip der Wirtschaft in Deutschland, der EU und im Westen sein soll, dass die Wertigkeiten durch den Markt zustande kommen.

     

    Und wenn dort die Mentalität einer Pferdrennbahn vorherrschaft hat das gravierende finanzielle und wirtschaftliche Konsequenzen, denn es geht nicht um neue Produkte, neue Betriebe, neue Arbeitsplätze und Technologien, sondern um schnellen Profit, schnelles Geld und das ist immer kranken Geld. Aber solange die westlichen Staaten aus Prinzip vor echten Interventionen und echten Eingriffen zurück schrecken, kann dieses System vielen Menschen ihre ökonomische-finanzielle Grundlage ruinieren.

     

    Und die Auswirkungen, die Einschläge, sie sind immer kürzer zuverzeichnen. 2008 - gerade mal drei Jahre ist es her und schon wieder laufen die Märkte aus dem Ruder, werden Wertigkeiten viel dramatischer verschoben, als echte Warenströmme und Produktionszahlen. Alleine diese Tatsache sollte dem Menschen mal zu nachdenken bewegen, dass die Autoproduktion in Stuttgart, Detroit oder Wolfsburg nicht in solchen Schwankungen und solchen Auswüchsen stattfinden kann. Die Märkte bilden eben meist nur die psychischen Befindlichkeiten und das Profitdenken der Investoren ab.

     

    Und das schadet der Wirtschaft, es nützt ihr schon lange nicht. Alleine die Spekulationen an den Rohölmärkten haben in der III.Welt eine gewaltige Krise heraufbeschworen, weil es hier eben nicht um Mitleid, sondern nur um Marktpreise geht.

  • RT
    reiner tiroch

    Was Banker gern verheimlichen ist, dass der REX mit derzeit 129% aussagt, dass der markt um glatte 29% überkauft ist.

    Was noch gerne verschwiegen wird ist, wenn der DAX am Vormittag auf und ab schwankt, und am nachmittag ebenfalls, noch dazu mit solchen Ausschlägen von 7% da steht ein chrash unmittelbar bevor.

    Und die politik will abwarten und notfalls eingreifen? Mit was, der EZB?? Mit Aufkaufen maroder Staatsanleihen aller Pleiteländer mit neuen Schulden? Die Risiken landen beim Bürger.

    Wie toll wir doch gerettet werden.