piwik no script img

Die Berliner Grünen im WahlkampfDie rote Renate

Miese Umfragen, Witze von SPDlern, ein betrunkener Mitarbeiter: Es läuft schlecht für Renate Künast, die Berlin regieren will. Jetzt setzt sie auf das Label "sozial und gerecht".

Renate Künast ist eigentlich grün, versucht es derzeit aber politisch mal mit einer andere Farbe. Bild: Reuters

BERLIN taz | Etwas läuft mächtig schief für Renate Künast, wenn selbst Grüne beim Kaffee lachend von Begegnungen mit Klaus Wowereit erzählen. Und stolz Fotos auf ihrem Handy zeigen, auf dem Wowereit grinsend in der Mitte steht. Irgendwie scheint der Mann selbst bei ihren Parteifreunden anzukommen.

Die Grünen-Fraktionschefin müht sich seit Monaten darum, ein Rezept gegen den Glamourfaktor des Regierenden Bürgermeisters zu finden, um ihn nach der Berliner Abgeordnetenhauswahl im September zu beerben. Bisher erfolglos. In Umfragen liegen die Berliner Grünen fünf Prozentpunkte hinter Wowereits SPD, in Beliebtheitsrankings führt er unangefochten. "Viele Berliner mögen Wowereits Performance", räumt Künast ein. "Aber sie sind enttäuscht von der Bilanz seines Senates."

Da will sie ansetzen. Kompetenz gegen Strahle-Image. Jüngst hat sie ihrem Wahlkampf den Stempel "sozial und gerecht" aufgedrückt, der Slogan prangt auf dem Leitplakat mit ihrem Gesicht. Sie will die Regierungsparteien SPD und Linkspartei ausgerechnet in ihrem ureigenen Feld stellen - ein gewagte Strategie.

In ihrem Wahlprogramm haben die Grünen den Punkt "Solidarisches Berlin" an den Anfang gesetzt. Sie versprechen, in begehrten Kiezen Mietaufschläge zu deckeln, wenn Wohnungen frei werden, ebenso die Spanne für Mieterhöhungen zu verkleinern. Sie wollen die Zusammenarbeit von Sozialträgern verbessern, Jobcenter sollen "auf Augenhöhe" mit Arbeitslosen umgehen. Sonderlich ambitioniert ist die Sozialoffensive jedoch nicht: Die Initiative für Mietdeckelungen muss durch den Bundesrat, Bürokratieabbau will jeder, und dass ausgerechnet Grüne - die Hartz IV im Bund beschlossen - Sanktionen jetzt doof finden, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Neu sei, dass man das Wortpaar der Spitzenkandidatin zugeordnet hätte, sagt Grünen-Wahlkampfleiter Heiko Thomas. "Die Menschen verbinden mit Künast, dass sie sich immer für Rechte von kleinen Gruppen eingesetzt hat, etwa in ihrer Zeit als Verbraucherschutzministerin." In einer Umfrage habe sie hier wesentlich höhere Kompetenzwerte erreicht als Wowereit.

1,1 Million Euro investieren die Grünen in ihren Wahlkampf, doppelt so viel wie 2006. Davon werden etwa 40.000 Plakate in der Stadt geklebt. Das Duell mit der SPD ist für die Grünen auch eine ökonomische Herausforderung. Die Leute von Wowereits SPD sitzen nach jahrzehntelanger Regierungszeit in allen wichtigen Institutionen der Stadt, in Wohnungsgesellschaften, Liegenschaften oder den Verkehrsbetrieben, was im Wahlkampf ungemein hilft.

In Künasts eigenen Team dagegen lief es zuletzt nicht gut. Sie musste vor zwei Wochen ihren Wahlkampfmanager nach einer Alkoholfahrt feuern. Die Ironie des Ganzen: Der Mann hatte ausgerechnet auf Wowereits Hoffest zu viel gebechert. Seitdem wird unter Sozialdemokraten auf Empfängen gerne der Witz gerissen: "Sind Grüne hier, die man betrunken machen kann?"

Aus dem Kopf-an-Kopf-Rennen ist in Umfragen in den vergangenen Monaten ein klarer Vorsprung für die SPD geworden, ein Hauch von Verzweiflung weht deshalb durch die Grünen-Parteizentrale. Spielentscheidend könne sein, sagt ein Grünen-Stratege, ob die Linkspartei ihre WählerInnen im September bindet. "Wenn relevante Gruppen zur SPD wandern, ist das Ding gelaufen."

Dabei stellen sich die Parteien auf einen Turbo-Wahlkampf ein: Die Sommerferien enden Mitte August, am 18. September wird gewählt. Was dabei herauskommt, ist offen wie selten. Liegt die SPD vorn, kann sie sowohl mit CDU als auch mit Grünen koalieren. Schafft Künast den Überraschungssieg, ist die Frage, ob die gedemütigte SPD als Juniorpartner mitmachen würde. Neben einer großen Koalition rückt deshalb eine weitere Variante in den Vordergrund: Grün-Schwarz. Künast hat diese Option nie ausgeschlossen - obwohl Berlins CDU von sozialer Politik ganz eigene Vorstellungen hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
  • U
    Uhahaha

    "Sozial und Gerecht?"

     

    Dass ich nicht lache. Haben es schon wieder alle vergessen? Nein? Doch? Also, nochmal zum mitschreiben:

     

    Wer hat uns verraten?

    Sozialdemokraten!

    Wer war mit dabei?

    Die Grüne Partei!

     

    Erst Hartz4 abnicken und dann sozial und gerecht an die Macht kommen wollen. Nee, nee, nee. Wer grün wählt weil er an soziale Gerechtigkeit glaubt, der/die wird sich schwarz ärgern. Nur wer Grün wählt, weil er sich zur aufgeklärten AlNatura Ökoelite hält und mindestens einen Mercedes in der Garage hat, der hat bei den Grünen seine angestammten Volksvertreter gefunden.

  • U
    Uhahaha

    "Sozial und Gerecht?"

     

    Dass ich nicht lache. Haben es schon wieder alle vergessen? Nein? Doch? Also, nochmal zum mitschreiben:

     

    Wer hat uns verraten?

    Sozialdemokraten!

    Wer war mit dabei?

    Die Grüne Partei!

     

    Erst Hartz4 abnicken und dann sozial und gerecht an die Macht kommen wollen. Nee, nee, nee. Wer grün wählt weil er an soziale Gerechtigkeit glaubt, der/die wird sich schwarz ärgern. Nur wer Grün wählt, weil er sich zur aufgeklärten AlNatura Ökoelite hält und mindestens einen Mercedes in der Garage hat, der hat bei den Grünen seine angestammten Volksvertreter gefunden.

  • C
    Chandrika

    Jedes Land hat die Regierung, die es verdient/wählt

  • WB
    Wolfgang Banse

    ...es beinhaltet nict alles grün,was sich grün nennt

    Umfragewerte sagen nicht immer alles aus,im Bezug auf die bevorstehende Wahl in Berlin.

    Nicht nachvollziehbar ist es für Menschen,dass sich ein gehandicapter Mensch an die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wendete und um Hilfe bat,im Bezug auf das Jobcenter Friedrichhain-Kreuzberg.

    Die für Menschen in der Fraktion B90/Die Grünen

    zuständige Abgeordnete im Abgeordnetenhaus von Berlin reagierte erst einmal gar nicht,dann fand ein kurzes Treffen auf dem Flur statt,schließlich ging sie mit dem Betroffenen in den Peditionsausschuß,wo der Betroffene sein Anliegen vor bringen sollte.

    Eine Referentin mit Namens Bangert,die für Arbeit zuständig ist,reagierte gar nicht im Bezug auf das Anliegen des Betroffenen.Bis auf dem heutigen Tag hat die betroffene Person keinen Schriftsatz im Bezug auf seines Anliegens erhalten.An das Büro der Fraktionsvorsitzenden Ramona Popp wandte sich die hilfesuchende Person.Eine Mitarbeiterin im Vorzimmer der Fraktionsvorsitzenden hörte sich das Anliegen der betroffenenn Person an und sagte wörtlich...wir befinden uns im Wahlkampf.

    Bürgernähe ist nicht erkenn-und ersichtbar.

    Bevor B90/Die Grünen auf Stimmenfang gehen,sollten sie einmal ihr Haushinterfragen und bestellen,was

    den Umgang mit dem Publikumverkehr betrifft.

    Eine gestaltene Partei möchte B90/dDe Grünen sein,aber davon ist sie noch meilenweit entfernt.

    Auch bei B90/Die Grünen wird mit dem selben Wasser gekocht,wie bei anderen Parteienn auch.

    Renate Künast,Spitzenkandidatin von B90/Die Grünen für das Abgeordnetenhaus von Berlin ist kein Garant dafür,dass das Soziale und das gerechte

    im Vordergrund der Partei Die Grünen steht,zumindest was Berlin anbetrifft.

  • R
    runzbart

    der slogan "sozial und gerecht" könnte zum bumerang werden, wenn am ende die sozis vorne sind und man trotz der möglichkeit einer rot-grünen mehrheit doch lieber grün-schwarz ausprobiert.

  • J
    JoHnny

    "die rote renate"

    werter ulrich schulte,

    alles oder nichts - mit berlin-affinität

    hat das wenig zu tun!...

    mfg

  • B
    BündnisgegenBündnis

    Frau Kühnast könnte ihre Sozialgerechte Kompetenz

    sofort unter Beweis stellen ,wenn sie ihren Wahlkampf-

    auftakt in dem Bezirk beginnt,wohin mann neuerdings

    Hunderte von Harz4lern,aus Kreuzberg;Mitte ect.

    Zwangsumgesiedelt hat!

  • R
    reblek

    "Und stolz Fotos auf ihrem Handy zeigen, auf dem Wowereit grinsend in der Mitte steht." Echt? "Fotos, auf dem...?"

  • JR
    Jan Reyberg

    Linke Einheitspartei? Quatsch. Vielleicht dauert es da noch etwas länger als anderswo, aber die Neue Enge, das dunkelgrüne Projekt, wird sich auch in Berlin langfristig durchsetzen.

    www.die-neue-enge.over-blog.de

  • EA
    Enzo Aduro

    Künast sollte sich Fragen wieviele Berliner eine Rot-Grüne Koalition wollen in der Wowereit regierender Bürgermeister ist.

     

    Und wer da als fünftes Rad am Wagen das Problem ist das es am ende vielleicht doch anders kommt.

  • EA
    Enzo Aduro

    Das Künast kandidierte war von Anfang an ein Akt der Überheblichkeit. Der Führungsanspruch der Grünen bringt den Wähler in die Zwickmüle letztendlcih zwischen Rot-Rot und Grün-Schwarz zu wählen. Denn ob die Künast wirklich Ihrer Karriere den dämpfer versetzt und als Wahlverliererin in den Bundestag zurückdackelt obwohl es für Grün-Schwarz reichen würde sei dahingestellt. Ich glaub das nicht wirklich.

  • V
    vic

    Wenn Renate Künastrot sein soll, bin ich schwarz.

  • F
    fnordlikesnob

    Das war ja mal die grosse Hoffnung, zumindest bei mir, für die Grünen: Eine Partei, die sich individuelle Bürgerrechte und soziale Gerechtigkeit und Ökologie gleichermassen auf die Fahnen schreibt ...

     

    ... zumindest mit der Gerchtigkeit haben sie ja nun nachhaltig Schluss gemacht (Hartz 4), und scheinen ja auch darauf zu beharren ...

     

    Nur auf die Kreuzberger Schickeria-Linke et cetera zu setzen, wird in diese Stadt (hoffentlich) nicht reichen.

  • E
    Ernst

    Hartz-IV-Empfänger sollen als Hundehaufen-Kontrolleure eingesetzt werden, damit die Stadt wieder Grün wird.Das fordert die Berliner Grünen-Abgeordnete Claudia Hämmerling. So sieht die Sozialpolitik der Grünen aus! J. Fischer, Künast,etc. sind doch u.a. die Politiker von Lohndumping und Ausgrenzung der Unterprivilegierten. Fischer wohnt jetzt im Grunewald und reibt sich seine Wampe.

  • H
    Hasso

    Die Grünen. Unter Schröder für Rente ab 67 und Spitzensteuersatz-Senkung. Das kam von den Grünen! Wer war damals der Boss? Ein Schwätzer und Großkotz namens

    Fischer aus dem genau das Gegenteil von dem wurde, was er anfangs, als er noch nicht oben dazugehörte, verurteilte. Die meisten Pappnasen sind heute immer noch bei den Grünen.Als ob dieser verlogene Haufen jetzt plötzlich wieder ein Faible für das Soziale hätte.Die wollen an die Macht, obwohl sie eigentlich genau so blöd wie die anderen "Etablierten" sind. Die machen alle dasgleiche(sonst könnten sie nicht Koalieren) nämlich Scheiße fürs Volk und dicke Taschen pro domo.Das Hartz IV kommt von Volksfeinden nicht von Volksvertretern.

  • R
    rheinelbe

    Sozial und gerecht sind die Grünen nie gewesen!

    Das sind soziale Sprüche, die nichts kosten und für den Stimmenfang eingesetzt werden. Die Grünen sind auch keine linke Partei, sondern mehrheitlich wertkonservativ und in weiten Teilen reichlich kleinbürgerlich (Öko-FDP). Beim Sozialabbau sind die Grünen immer munter vorne mit dabei. Ansonsten betreiben sie nur eine machtorientierte Wendehals-Politik, um sich selbst Posten und Steuerzahlergeld zu sichern. Hinzu kommt der Hang zur "moralischen" Bevormundung der Bürger, zur Gängelung von oben (Vorschriftenmacherei).

    - Weiter ist da wirklich nichts!

    ...

  • S
    Stefan

    Besonders glaubwürdig kommen die Grünen zwar nicht damit rüber, wenn sie plötzlich die soziale Gerechtigkeit als ihre Kernforderung hinstellen, aber im besten Fall führt es dazu, dass sie mal richtig ausdiskutieren, klären und in scharf formulierten Worten öffentlich machen, wie sie zu Fragen der sozialen Gerechtigkeit und zu linkem Gedankengut stehen.

     

    Dass man das von den Grünen überhaupt mal genau wüsste, wäre ja bereits ein Riesenfortschritt, völlig egal, wie das Ergebnis genau aussähe.

     

    Und wenn sich dann noch jemand was ausdenkt, wie man den Linken dieselbe konsequente Debatte zu der Frage, wie sie zur Rettung des Planeten stehen, aufzwingen kann, dann bin ich für ein paar Jahrzehnte glücklich.

  • B
    BerlinaWoman

    "Die Leute von Wowereits SPD sitzen nach jahrzehntelanger Regierungszeit in allen wichtigen Institutionen der Stadt, in Wohnungsgesellschaften, Liegenschaften oder den Verkehrsbetrieben, was im Wahlkampf ungemein hilft". Wie würde das in einem anderen Staat wohl genannt? Armes Berlin. Eine Stadt verkommt, aber - weiter so?

  • H
    hupe

    In einem Satz zusammengefaßt:

    Diese Grünen braucht kein Mensch in Berlin. Schulte hat recht.

  • AE
    Antidemokratische Einheitspartei

    Berlin wird entweder rot-blutrot, rot-grün, grün-rot, rot-blutrot-grün, grün-blutrot-rot etc. Wenistens wird man nicht mehr gezwungen jubelnd mit dem Fähnchen an ihnen vorbeizuziehen wenn sie zusammen über 90% der Stimmen bekommen haben. Von der CDU, also den geistig etwas schwächeren und untereinander aufs Blut zerstittenen Politteilnehmern, sollte man auch eine Unterabteilung der neuen Einheitspartei machen, damit sie nicht so einsam sind. Alternativen werden medial erfolgreich ausgeblendet, bekommen den Nazirassistenstempel und werden notfalls auf der Straße weggeprügelt. Deshalb bekommt Berlin das Gleiche was es seit Jahren hat: Niedergang und Einheitspartei. Wer sich da Oberbürgermeister nennen darf könnte man auswürfeln. Das wäre billiger.

  • M
    Mindizow

    Ich lach´mich Tod. Social, gerecht, kompetent.

  • K
    Kati

    Im Medienehype zwar unübertroffen, aber "sozial und gerecht"? Seit der Verabschiedung des Gesetzes zur Modernisierung des Arbeitsmarktes unter der SPD/Grünen-Regierung, mit den Folgen Niedrigstlöhne, Hartz 4 usw, sind die Grünen weder das eine noch das andere.