Kommentar Stipendienprogramm: Harmonisch für die Ungerechtigkeit
Schwarz-Gelb hält Wort: das Wort der sozialen Ausgrenzung und der Klientelpolitik. Auch ihr bildungspolitisches Prestigeprojekt fördert nur Eliten, die schon Eliten sind.
W er meint, die neoliberale Koalition in Berlin produziere nur Chaos, muss sich korrigieren lassen: Mit ihrem bildungspolitischen Prestigeprojekt, dem nationalen Stipendienprogramm, macht die Regierung effektive Politik.
Schwarz-Gelb hält abseits aller Streitereien hier Wort: Es ist das Wort der sozialen Ausgrenzung und der klaren Klientelpolitik. Und so offenbart das Nationale Stipendienprogramm, was von der Regierung zu erwarten ist, wenn sie handlungsfähig wird: Elitenförderung. Wobei sie darunter vor allem versteht, die weiter zu fördern, die bereits zur Elite gehören. Die Koalition spricht hier lieber von "Leistungsträgern".
So zeigt nahezu jede Studie zum Thema eindeutig auf, dass "Leistung" in erster Linie ein kulturelles Erbgut ist. Die Frage, ob der Vater Jurist, Beamter oder Arbeiter ist, entscheidet hauptsächlich über gute oder schlechte "Leistung". Im deutschen Unisystem drückt sich das bereits auf drastische Weise aus. Der größte Anteil der Studierenden stammt aus akademischen Elternhäusern. Genau diese Studierenden sollen künftig noch stärker staatlich subventioniert werden - und ganz bewusst will man dabei nicht prüfen, ob sie es überhaupt nötig haben. Wer das zahlt? Die öffentliche Hand.
Martin Kaul ist Redakteur für "Politik von unten" bei der taz.
Während es der Kanzlerin problemlos möglich war, sich von den Ländern die Zustimmung zum unsozialen Eliteprojekt zu erkaufen, indem sie anbot, es einfach aus eigener Tasche zu zahlen, sieht es bei der Bafög-Reform mal wieder mau aus. Die, die wirklich auf Unterstützung angewiesen sind, sollen sich gedulden. Und so lehnte die Länderkammer die dringend nötige Anhebung des Bafög-Satzes erst einmal ab.
Das ist schwarz-gelbe Effektivpolitik mit Perspektive: Geht es um klientelistische Elitenförderung, sind die Streithähne von Union und FDP zu nachhaltigen Schnellschüssen bereit. Geht es um Gerechtigkeit und Chancengleichheit, wird umgehend auf die leeren Kassen verwiesen, wird jeder Cent dreimal umgedreht und letztlich die Entscheidung vertagt. Sollen sich doch die anderen darum kümmern.
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