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Debatte 150 Jahre ItalienBruderkrieg in Berlusconien

Michael Braun
Kommentar von Michael Braun

Italien wird 150 - und ist gespalten. Doch nicht die Kultur, sondern die Ökonomie ist der Grund. Mit Wohlstandschauvinismus grenzt sich der Norden vom Süden ab.

Schöne, aber trügerische Fassade: Die Piazza Venezia in Rom wurde anlässlich des 150. Geburtstags Italiens aufgehübscht. Bild: dpa

Abbiamo fatto l'Italia, ora dobbiamo fare gli italiani" - wir haben Italien gemacht, nun müssen wir die Italiener machen: dieses Diktum von Massimo D'Azeglio, einem der liberalen Vorkämpfer der staatlichen Einheit im 19. Jahrhundert, erfreut sich noch heute großer Beliebtheit. Gerne wird es derzeit zitiert anlässlich des 150. Jahrestags der politischen Einigung der Nation, die am 17. März gefeiert wird.

An jenem Tag im Jahr 1861 ließ sich Viktor Emanuel II. von Savoyen zum König Italiens krönen, nachdem Giuseppe Garibaldis Truppen der Herrschaft der Bourbonen im Süden des Stiefels ein Ende gemacht hatten. Italien existierte nun, war nicht mehr bloß "ein geografischer Begriff", wie noch Metternich gemeint hatte, sondern ein veritabler, wenn auch ziemlich spät gekommener Nationalstaat.

Der Jubiläumsdiscount

MICHAEL BRAUN

MICHAEL BRAUN ist seit dem Jahr 2000 Italienkorrespondent der taz und glaubt, dass die Küche Italiens dem Land den Weg weisen könnte: Dort gelang es, unglaubliche Vielfalt zum Quell weltweit bewunderter Einheit werden zu lassen.

Ein Nationalstaat allerdings, der heute seine Schwierigkeiten hat, den eigenen runden Geburtstag fröhlich zu feiern. Gewiss, der Hard Discount an der Ausfallstraße Roms wirbt mit "15 Prozent Preisnachlass für 150 Jahre Einheit". Gewiss, der Staatssender RAI macht dieses Jahr Reklame für die Zahlung der Rundfunkgebühren mit der gar nicht so unrichtigen Feststellung, das Fernsehen erst habe Italien wirklich geeint. Gewiss, auch die Autobahnraststätten bieten ein "supergünstiges" Einheitsmenü an. Und an vielen Geschäften in den Einkaufsstraßen der Hauptstadt weht in diesen Tagen die grün-weiß-rote Trikolore.

Dennoch will im Land keine rechte Feierlaune aufkommen, und eigentlich ist für den Donnerstag auch weiter nichts Großes geplant - außer dass er zum ersten und womöglich letzten Mal zum staatlichen Feiertag erklärt wurde. Über das lange Wochenende freut man sich von Palermo bis Triest - das wars dann aber auch: Weiterer patriotischer Überschwang wird ausbleiben. Den entwickeln Italiener, so will es das weltweite Vorurteil, sowieso nur bei Fußballweltmeisterschaften. Eigentlich ein schöner Zug an diesem Volk, dessen Angehörige sich im Angesicht des Kriegstodes in der großen Mehrheit immer zuerst fragten, ob das Opfer denn lohnt.

Doch das Problem der Italiener heute ist gar nicht, wie laut sie feiern sollen. Ebenso wenig geht es um die Frage, wie sie feiern sollen. 1911 wollten die Katholiken nicht mittun, weil das "Königreich Italien" nicht zuletzt mit der Eroberung des vom Papst regierten Kirchenstaates im Jahr 1870 vollendet worden war. 1961 wiederum standen die laizistischen Parteien und die Kommunisten abseits, weil die regierenden Christdemokraten die Festivität katholisch umfunktioniert hatten.

Im Jahr 2011 dagegen stellt die Regierungspartei Lega Nord die Frage, ob überhaupt gefeiert werden soll. Nein, lautet die Antwort der rassistischen Separatisten unter Umberto Bossi, die zwar als Berlusconis Partner Italiens Geschicke leiten, die gar Italiens Innenminister stellen - die aber, unter Zustimmung von immer mehr Wählern der Lombardei, des Piemont, des Veneto, von Italien nichts wissen wollen.

Hartnäckig wehrten sich die Lega-Minister im Kabinett gegen die Erklärung des 17. März zum staatlichen Feiertag, hartnäckig weigern sie sich, sich die grün-weiß-rote Kokarden ans Revers zu heften - und lassen stattdessen ihre Lega-grünen Einstecktüchlein aus der Reverstasche heraushängen, als Zeichen der Zugehörigkeit zur imaginären Nation "Padanien".

Nichts läge näher als die Folgerung, es sei halt schiefgegangen mit dem "Italiener-Schaffen" - ein krasser Fehlschluss allerdings. Vor 150 Jahren hatten sich Piemontesen und Kalabrier tatsächlich nichts zu sagen, weil sie einander schlicht nicht verstanden. Heute aber sprechen alle im Land Italienisch, sie teilen dieselbe Volkskultur (des Berlusconi-Fernsehens), sie lesen - wenn sie es denn tun - die gleichen Bücher, sie lernen nach den gleichen Lehrplänen.

Und Mailänder mögen zwar behaupten, "eigentlich" seien sie Nordeuropäer, ihre Stiefbrüder aus Sizilien dagegen eher "Afrikaner" - doch egal ob im Verhältnis zur Familie oder in den Beziehungen zu Politik und öffentlichem Raum: In Italien überwiegen die Gemeinsamkeiten bei Weitem die Unterschiede. Lange her sind die Zeiten, als die von Mussolini in den tiefen Süden verbannten politischen Gegner wie Carlo Levi ("Christus kam nur bis Eboli") dort bass erstaunt ein völlig fremdes Land entdeckten.

Ein Volk, zwei Länder

Nein, Italiens Problem heute ist nicht, dass es keine Italiener hätte. So war es vor 150 Jahren: ein Staat, in dem viele "Völker" lebten, ohne rechten Kitt außer der äußeren Klammer des "Königreichs". Heute dagegen ist da ein kulturell so stark wie nie zuvor geeintes Volk, doch es lebt, recht besehen, in zwei Ländern. Die Mailänder, die Turiner, die Bürger Bolognas oder Trients: wenig trennt sie sozial und ökonomisch vom Norden Europas, von Frankreich, Deutschland, Österreich.

Hier kann man Kerneuropa besichtigen, ökonomisch stark, von insgesamt recht hoher Kohäsion. Neapel, Palermo, Reggio Calabria dagegen: das ist nicht Deutsch-, sondern Griechenland, Peripherie der EU, abgehängt im ökonomischen Wettbewerb, angewiesen auf Transferzahlungen aus Rom und Brüssel. Dies übrigens war ein alles andere als selbstverständliches Resultat der vor 150 Jahren geschaffenen staatlichen Einheit: Damals war das Reichtumsgefälle zwischen Nord und Süd weit geringer als heute.

Heute findet die Lega in diesem Gefälle ihren idealen Humus. Ihr sind seit nun 25 Jahren und mit zunehmendem Erfolg die Süditaliener das, was seit letztem Jahr dem Bild-Zeitungs-Deutschen "der Grieche" ist: Schmarotzer, die es sich "auf unsere Kosten" gut sein lassen. Ganz offen propagiert Lega-Chef Umberto Bossi eine Lösung nach belgischem Muster, obwohl sich in Italien gar nicht zwei Sprachgruppen, zwei "Ethnien" gegenüberstehen, obwohl der Norden spätestens seit dem Wirtschaftswunder der sechziger Jahre den Zuzug von Millionen Süditalienern erlebte (die heute oft genug Lega wählen).

Wer dieser Entwicklung gegensteuern will, der allerdings muss sich heute nicht mehr darum sorgen, die Italiener zu schaffen. Stattdessen wäre es nun wieder an der Zeit, Italien zu schaffen: als ein Land, das nicht durch die tiefen sozialen und ökonomischen Gräben auf immer in zwei Hälften auseinanderdividiert bleibt.

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Michael Braun
Auslandskorrespondent Italien
Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

10 Kommentare

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  • E
    Epikur

    ...an MvD: Die "Lega Nord" ist tatsächlich rassistisch und bedient die gleichen Ressentiments, die bei uns hier inzwischen die ganz gewöhnlichen Volksparteien bedienen, zwar nicht verbal so offensichtlich aber im Wirken ganz ähnlich. Ganz Nord-Italien ist selbstverständlich nicht rassistisch. Was den mäßigen Wohlstand betrifft: Das Industrie-Dreieck zählt zu den reichsten Regionen Europas, weil schlichtweg dort ein Großteil des BSPs erwirtschaftet wird - was im übrigen aber nicht heißt, dass man dort fleissiger ist oder mehr Stunden arbeitet. Die meisten Unternehmensgründungen, neue Selbständigkeiten, Jung-Unternehmer findet man im Süden des Landes, ebenso so schlicht aus der Tatsache heraus, weil das Arbeitsangebot dort zu gering ist - da wird man halt selbst initiativ.

    Was die Anbindung an die "Habsburger" angeht, wir können uns gerne mal treffen, dann zeige ich Dir gerne, was ich davon halte!

  • M
    MvD

    whoa, hier fühlen sich aber leute auf den schlips getreten

    ich hab den zusatz "ironie" weggelassen, dachte das peilt schon jemand. *g*

    vllt nehmen taz leser aber alles etwas zu wörtlich...

    viele grüße aus der erleuchteten latrine :P

  • VS
    Volker Stegmann

    praezisiere meinen vorigen Kommentar: Die Rede ist von den Kopenhagener Kriterien fuer die Aufnahme neuer EU-Mitgliedslaender...

  • VS
    Volker Stegmann

    Nicht nur in der Taz vermisse ich Berichte ueber die "Justizreform" in Italien. Wenn sie in der geplanten Form durchkommt, darf man von einem Putsch sprechen, gegen demokratische Grundprinzipien auch der EU, wie sie im Kopenhagener Abkommen formuliert sind. Es waere dann wohl wirklich zu pruefen, ob Italien ueberhaupt noch Mitglied der Europaeischen Union sein kann. Aber ob das jemanden interessiert ?

  • BA
    über alles

    AN MVD GERICHTET

     

    WAS DU AUCH IMMER BIST, was du schreibst ist nur ein Beweis, dass du einfach am Abtreiben bist. Sicher sind Menschen wie du auch Kreaturen Gottes. Aber auch Gott kann nicht in jedes dunkle Loch schauen. Verdirb weiter in deiner seelischen Latrine? Oder sollte man Dir Erleuchtung wünschen?

  • K
    KarinG.

    MvD:

    Sie haben doch keine Ahnung von Italien!!! gesprickt

    mit Vorurteilen, sonst nichts.

     

    Und seien Sie vorsichtig, die Mafia ist schon

    lange in Deutschland und schläft nicht.

  • ID
    Italo disco

    Das Problem Italiens ist egentlich zu erkennen, dass der Einheitprozess purer Kolonialismus war. Deswegen Carlo D´Azeglio "mußte" die Italiener schaffen. Das "Brigantaggio" war die einzige selbstorganizierte Volkswiederstand, die die Piemontesi als "Terroristen" und Diebsbande gekämpft und brutal unterdrückt haben. Die Dokumentation über die "Briganti" wurde auch dabei zerstört. Seitdem blieb Süditalien Kolonie, und günstige Gastarbeiter-Quelle für die Fortentwicklung Norditaliens. Viel anders ist heute nicht.

  • N
    neuhaus

    italien war geeinter als es glauben gemacht werden soll. große teile der politik wurden von süditalienern bestimmt, der kolonialismus und die erfolgreiche auswanderung und riesigen sumen aus z.b

    den usa waren süditalienische projekte. so geshen ist süditalien nie im abseits gewesen, neapel und palermo haben wissenschaftlich und kulturell ihren beitrag geleistet.´große teile des reichstums sind im verborgenen wie einst auf umwegen aus den usa gekommen. süditaliener besitzen genauso häuser wie norditaliener, high tech industrie ist dort zu finden ob mselectronic in catania, autozuliefer auch für deutsche autos in neapel, flugzeugbau etc. 80 prozent finden die feier gut am heutigen tag zum 150sten. die politiker leben doch in einem anderen land, einem fiktiven. im abseits ist eher der nordeuropäische deutsche osten, große teile norddeutschlands. gucken sie lieber mal auf die menschen und nicht auf die parteipolitik dann sieht italien strahlender aus, dolles land.

     

     

    bg

  • M
    MvD

    Italien ... pfff

    diese bananenrepublik, in welcher das volk es einfach nicht auf die reihe bekommt den schmierigen diktator abzuschaffen

    dieser musso... - nee - berlusconi, hat es sowieso nicht verdiehnt eine nation zu sein

    ein unfähiges und höchst manipulierbares volk in einem staat der im norden durch faschismus, mäßigem wohlstand und fremdenfeindlichkeit und im süden durch mafiöse organisationen glänzt, welche eingentlich gegeneinander arbeiten sollten, aber es trotzdem immer wieder schaffen diesen musso... berlusconi an die macht zu heben

     

    mein vorschlag, blauhelmsoldaten nach italien, der norden wird in östereich eingegliedert oder unter direkter kontrolle brüssels gestellt, während wir im süden die de facto herrschaft der mafiafamilien auch de iure anerkennen und akzeptieren dass hier eher eine kleine stammes-republik entsteht welche EU normen selbst vollzieht

    berlusconi wird einfach kopfüber aufgehangen

  • JO
    Jürgen Orlok

    Interessant !!!

    Das ist doch mal was !