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Das SchlaglochTracht und Niedertracht

Kommentar von Georg Seesslen

Sündteure Jodel-Klamotten sagen zweierlei aus: Man ist "deutsch" und bekennt sich zu "Tradition". Der Trend ist Ausdruck eines neuen deutschen Kleinbürgertums.

Trachten-Outlet am Münchner Hauptbahnhof. Bild: Julia Seeliger

D er Zerfall des Mittelstandes in Deutschland produziert die tollsten semiotischen Blüten. In den Städtchen boomen Geschäfte, in denen Trachten, Dirndl und Lederhosen feilgeboten werden. Der Trend geht zu "Trachten-Outlet-Stores" in Industriegebieten oder in umgebauten Bauernhöfen und Ställen, die am Wochenende gern ein Unterhaltungsprogramm für die ganze Familie anbieten. Und sagenhafte "Schnäppchen".

Das Tragen sündteurer Jodel-Klamotten wird zum mehrfachen Ausweis der Zugehörigkeit: Man ist "deutsch", und zwar "richtig" (Menschen mit "Migrationshintergrund" verirren sich eher selten in einen Trachten-Outlet-Store). Man bekennt sich zudem vage zu einer Tradition. Jede Haube, jede Tasche, jeder Knopf entsprach einst einer ständischen Gesellschaft, und bei diesem textilen Reenactement einer "guten alten Zeit" schwingt eben immer auch die Sehnsucht nach einer vormodernen, vordemokratischen und voraufgeklärten Gesellschaft mit.

In der alten Form der Heimattümelei trug man die Tracht zu besonderen Anlässen. Es ging, wie bei anderen Formen des "Brauchtums", um eine Bewahrung, bei der man Teil eines lebenden Museums wurde. Doch Brauchtum, Tradition und Tracht waren nicht nur bei den organisierten "Heimatvertriebenen" zugleich Köder und Maske für reaktionäre bis revanchistische Politik und Kultur. Man kann daher, beim besten Willen, diesen textilen Code nicht "unschuldig" benutzen.

GEORG SEESSLEN

ist Publizist und Filmkritiker. Er lebt in Kaufbeuren und hat über 20 Bücher über das Kino geschrieben. Demnächst erscheint von ihm und Markus Metz: "Blöd-Maschinen: Die Fabrikation der Stupidität" (bei Suhrkamp).

Bekenntnis zur Provinzialität

Auch die Volkstümlichkeit als Segment der nationalen Unterhaltungsindustrie erlebte ihre neuerliche Blüte durch einen Generationen- und Perspektivwechsel. Volkstümlichkeit war nicht mehr allein das Verständigungsinstrument eines alten, rückwärtsgewandten Kleinbürgertums, sondern in einer so oder so verschärften Form gerade der karrieristisch-überaffirmativen Jugend, die sich zum Motor des Neoliberalismus machte und die Spannung zwischen Aufstiegslust und Abstiegsangst kaum aushalten konnte. Das Volkstümliche wie die Outlet-Tracht wirken als Bekenntnis nicht zu einer bestimmten Provinz, sondern zu einer allgemeinen Provinzialität (vielleicht noch vage an bestimmte Traumlandschaften deutscher Heimatlichkeit gebunden: die Alpen, die Heide, die Küste).

Was die sexuelle Ökonomie anbelangt, wird dieser Code dankenswert offen verwendet: Das Dirndl, in mehr oder weniger frei wählbarer Abstufung, ist eine akzeptierte Art, das Obszöne mit dem Ordentlichen zu verbunden. Dirndl und Lederhose konstruieren und rekonstruieren Männlichkeit und Weiblichkeit auf sehr spezifische Weise (aus der übrigens, wenn ich mich nicht irre, die Dimension der Ironie zunehmend verbannt wird).

Alles wird vertrachtet

Der textile Code ist unabdingbar mit bestimmten Ritualen und Gesten verbunden. In aller Regel ist man zu irgendeinem Volksfest oder einem anderen "Event" der Provinzialität unterwegs, und sei's zur Einweihung einer Mehrzweckhalle. Der verjodelte und reprovinzialisierte deutsche Mittelstand jenseits der zwanzig und diesseits der vierzig verwandelt sich auf dem Land, das er mit solcher Liebe und Lust erobert hat, gemeinsam mit dem entwurzelten und verkleinbürgerten, aber nicht-mal-so-schlecht-verdienenden Teil der affirmierten Landbevölkerung in eine neue Klasse, die sich kulturell als Partyvolk zeigt, die von einer Selbstfeier zur anderen zieht.

Die Mitglieder dieser neuen Klasse des deutschen Volkstümlichkeitskleinbürgers sind insofern ein klitzekleines soziales Problem, weil die Sphäre zwischen "Gut drauf sein" und Amoklaufen ausgesprochen knapp bemessen ist. Denn die Spannung zwischen Aufstiegslust und Abstiegsangst ist offensichtlich nur durch besonders rasche Wechsel von Regression und Aggression abzubauen.

Damit sich der Jodler-Dress in mehrfacher Hinsicht auch rentiert, muss man ihn sehen lassen. Dazu müssen die Anlässe dafür erweitert werden. Es reichen also nicht mehr die Hochzeiten und Volksfeste aus - Sport, Disco, Wellness im Mega-Stadlhotel, das alles wird vertrachtet. Die teuren Jodlerklamotten sind unterwegs, um sich zu verwerten: sexuell, ökonomisch und politisch. Und, genau besehen, von einem Besäufnis zum anderen. Das Tragen einer Tracht beinhaltet nicht nur die Erlaubnis, politisch und sexuell mehr als unkorrekte Witze zu lallen, sondern auch genau das Verhalten an den Tag zu legen, das ansonsten im Diskurs der Klasse als "nicht schicklich" galt. Übrigens einschließlich dessen, was dann in der Zeitung als "sinnlose Gewalt" vorkommt.

Oktoberfest als Brutstätte

Das alles ist insofern kein Wunder, als der neue "Dirndl-Boom", den die Hersteller im Süden entzückt registrieren, seinen Ursprung auf dem Münchner Oktoberfest hat, das seit Jahr und Tag als Durchlauferhitzer für einen neuen Sozialbazillus aus schlechtem Geschmack und mittlerem Reichtum (ebenfalls mit einem "Geschmack") bewährt ist. Hier etablierte sich das Tragen von Trachten insbesondere bei jungen Leuten in den sogenannten nuller Jahren als Bekenntnis zur hedonistisch gemäßigten Rechten (die ganz echten Nazis tragen dann wieder so etwas nicht, weil es dann doch nicht gesamt- und großdeutsch genug und auch zu unmilitärisch ist).

Der Verlust der Heimat durch die gnadenlose Ökonomie wird von der neuen schlafstädtisch/ländlichen Mittelklasse durch eine gnadenlose Ökonomisierung der Heimat beantwortet. Wenn man einer Gruppe deutscher Kleinbürger im Jodlerdress begegnet, kann man, neben der Mehrheit, die ohnehin schon so besoffen ist, dass sie nichts mehr mitkriegt, zwei User-Gruppen ausmachen: die einen, die ihre teure Tracht sehr bewusst und vollständig adaptiert als Medium sozialer Identifikation und der Karriere einsetzen. Und die anderen, die vor Scham und Unsicherheit am liebsten im Boden versinken würden.

Der zerfallende deutsche Mittelstand hat sich bei seinem kannibalistischen Beutezug in die Provinz vor lauter Landliebe und Volkstümlichkeit an Tracht und Niedertracht überfressen. Und jetzt kriegt man das Kotzen.

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27 Kommentare

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  • MN
    mein name

    hey! ist echt super, wenn die kommentare den artikel voll bestätigen! q.e.d. ;)

  • A
    Agnes

    Völliger Schwachsinn der Artikel. Mein Bruder und ich sind dunkelhäutig und lieben Trachtenmode. Außerdem: Es gibt kaum eine freundlichere, tolerantere Stadt als München. Sich wohlzufühlen in seiner Heimat (und es ist auch meine) ist keine Schande. Egal ob Kopftuch, Kippa oder Dirndl - jede Kultur sei erlaubt und toleriert...

  • B
    Benji

    ...ich mach mir jetz nochmal a Bier auf! Und dann schau ma weida!

  • MW
    maximilian währinger

    früher war mehr lametta, herr seeßlen.

  • Y
    Yam

    München hat prozentual die höchste Auslânderquote und ist trotzdem eine sichere Stadt. Ein Grund dafür, dass der Bayer seine geschichtliche Identität auslebt und mit den Symbolen splielt, und andere dazu einlädt es auch zu tun.

    Es ist kurzsichtig zu glauben das Regionalismus die Gegenbewegung zu Glibalisierung. Regionalismus stärkt die Identität, und wer wo er her kommt, braucht weniger Angst vorm Fremden zu haben.

     

    Wenn der Artikel nicht so bissig geschrieben wäre und mit einem Augenzwinkern versehen wâre, so könnten sich viele anschliessen über die Tracht zu lachen. Ausser das er in schöne Worte gehüllt ist, fehlt dem Artikel die Substanz. Er spiegelt lediglich Vorurteile wieder.

  • W
    Wertkonservativliberaler

    @ Christian Füller (Kommentar 12.06.; 13:07 h):

     

    Sie fordern in Ihrem Kommentar einen "Schutz" des Autor des Artikels und fordern die taz-Redaktion auf, Ihrer Meinung nach beleidigende Kommentare zu streichen.

     

    Sie kennen sicherlich das Sprichwort: "Wie es in den Wald ruft, so schallt es heraus". Oder auch: "Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil" etc. pp.

     

    Der Verfasser des Artikels "Tracht und Niedertracht", Herr Seesslen - Kaufbeuren -, teilt ja nun kräftig aus:

     

    Dies beginnt mit der Überschrift "Tracht und Niedertracht".

     

    Im Fortgang seines Artikels spricht er - provokant-wisserisch in Gänsefüßchen - von "Heimatvertriebenen", wobei ich nicht weiß, warum: es sind tatsächlich Heimatvertriebene ohne Anführungszeichen, das kenntnisreiche Buch von Andreas Kossert (Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945, Siedler-Verlag, München, 3. Aufl., 2008) gibt es vielleicht auch in der Stadtbücherei von Kaufbeuren zum Schmökern.

     

    Die Tracht wird sogleich als nicht "unschuldig" bezeichnet; der Trachtenträger sei volkstümelnd, Vertreter eines "alten, rückwärtsgewandten Kleinbürgertums" etc. pp., provinziell, irgendwo zwischen "´Gut drauf sein´ und Amoklaufen", zwischen "Regression und Aggression" beheimatet. Er ist schlicht "an Tracht und Niedertracht überfressen". Man könne, so Seesslen, nur "das Kotzen" kriegen.

     

    Der Autor Seesslen kann also ziemlich kräftig austeilen, heldenmutig in einem Medium wie der taz, in dem er mit Widerspruch ob des gewählten Themas nicht rechnen muss. Am besten austeilen gegen solche, die unter der Woche brav arbeiten gehen, Steuern zahlen, damit alle Integrationsbeauftragten der Republik auch was zum Knabbern haben, und am Wochenende mal die Tracht, das Jankerl anziehen, zumal noch, um sich zu vergnügen! Das ist ja unerhört!

     

    Gegen die sonstigen in Deutschland auch unter der Woche auftretenden Trachtenträger, nennnen wir sie mal vorsichtig die Trachtenträger/ Trachtenträgerinnen der Strenggläubigen der Religion des Friedens, weiß Herr Seesslen freilich nichts anzumerken; womöglich kennt er die nicht, von seinem Kaff in Kaufbeuren. Die sind bestimmt nicht provinziell, die sind weder regressiv noch aggressiv, die laufen nicht Amok (na ja, ab und an sprengt sich irgendwo einer in die Luft, möglichst, um Ungläubige mit in den Tod zu ziehen); die sind vor allem ganz geschlossen in ihrer Abgrenzung zu allen Ungläubigen.

     

    So einfach ist für Herrn Seesslen die Welt. Der deutsche Trachtenmichel ist niederträchtig. Strenggläubige mit Migrationshintergrund weltgewandt und gut. Ein Drittes gibt es nicht.

     

    So einfach ist es auch für Herrn Füller. Nur zu dumm, dass es da noch andere Meinungen gibt. Die gehören bestimmt verboten!

  • A
    Anita

    Was kann ich dafuer, dass ich in Dirndl so verdammt gut ausseh? :))

  • R
    Rollgardina

    Vielen Dank für den köstlichen Ausflug in die Niederungen der Textilindustrie und des Textildesigns.

    Schon lange stoßen mir die Pseudo-Trachtler und vor allem Trachtlerinnen auf . Nein , nicht wegen den tiefen Ausschnitten und Einsichten . Sondern wegen der Infantilisierung - denn zum Dirndele ( das den Namen nicht verdient ) kommen noch 2 Zöpfchen a là Pipi Langstrumpf. Ein Aufzug , mit dem ich zulettz als Neunjährige herumgelaufen bin .

    Provinzialität wird von Leuten ausgelebt, die nichts mit dem Landleben zu tun haben , die kein Wort Dialekt sprechen , ihn womöglich sogar verachten.

    Und das nicht nur in der Stadt. Je mehr die Sprache des Landes verdrängt wird , desto mehr umgibt man sich mit den verkitschten Äüßerlichkeiten der Barbietrachten .

     

    Die flächendeckende Einheits"tracht" hat nichts mit der regionalen Identität zu tun. Es gibt in Deutschland viel echte regionale Trachten, aber das was da als " Landliebe- äh Mode " verkauft wir ,ist einfach nur Verkleidung.

    Übrigens gab es so arme Regionen , wo es sich die Leute nicht leisten konnten , eine Tracht mit all den schönen Details wie Seidentücher, tonnenweise Glasperlen usw auszubilden.

     

    Eine richtige Tracht ist ein Teil der Regional- und Sozialgeschichte , vielleicht der eigenen Identität.

    Die Pseudotrachten sind ungefähr so authentisch wie die Phantasieuniformen mancher nahöstlicher Potentaten und Diktatoren.....

     

    Als Verkleidung okay - aber mehr nicht .

     

     

    Übrigens - nicht allen Frauen steht das Dirndl- ähäm - Claudia Roth ?

  • CF
    christian füller

    an die administratoren:

    wieso lasst ihr beleidigende und hirnfreie kommentare wie den von @enno aber auch viele andere eigentlich durch. georg ist ein exzellenter autor und muss sich hier beschimpfen und beleidigen lassen. der text zeigt luzide die hirnblöde mittelstand=doofstandgesellschaft auf - samt ihrer verkehrsforen und -formen (party, lustig, bierbierbier) - das hat @enno nun offenbar nicht verstanden, ja er wollte ja auch nicht. wieso muss man da reine hass-kommentare freischalten? verstehe ich nicht. schützt unseren autor.

    christian füller

  • SA
    Sepp aus Minga

    War ja klar, dass meine lieben bajuwarischen Mitmenschen sich mal wieder furchbar aufregen können gegen solch Ketzerei gegen unser schönes volkstümelndes Trachtler-Proletariat.

     

    Dass wir Bayern gerne stur und humorlos sind, beweist ihr uns hier wieder mal wunderbar. Und ganz im Sinne von "mia san mia" lässt man sich keine Sekunde zum Nachdenken herab, was der Autor damit gemeint haben könnte, oder versucht es gar ausnahmsweise mal mit Selbstkritik oder einfach mit Humor zu nehmen, sondern hetzt natürlich sofort gegen die dreckate Kommunisten-Sau aus dem Ausland (alles oberhalb dem Weißwurscht-Äquator ist für den Bayern bekanntlich das fremde Ausland).

     

    Ich habe mich über den Artikel köstlich amüsiert! Obwohl ich selber schon mal in Lederhosen zur Wiesn gegangen bin und besoffen nach Hause getorkelt.

     

    Weiter so taz! Solche bissigen Kommentare brauchen wird in Bayern öfter mal, vielleicht entwickelt sich in unserem spießigen Bayernland endlich mal so etwas wie eine "Streitkultur" bei der nicht nur wohlfeile schleimige Lobeshymnen aus dem Bayernkurier auf die zünftigen Saufgelage in Lederhosen gesungen werden.

  • FL
    Frau Lehrerin

    Sehr geehrter Herr Autor,

    Ihre linguistischen Auswüchse, ein paar Zeilen fast schon verstopft mit allerlei klug klingenden und doch nichtssagenden Fremdwörtern, wie sie nur ein Politiker oder allenfalls noch Wirtschaftswissenschaftler zusammenstellen kann, verraten sehr klar, an welche Schicht der Artikel gerichtet ist. Wie schön, wenn man es dennoch versteht.

     

    Ad argumentum:

    Sie vermögen es nicht, zwischen populistischer Neo-Tracht und traditioneller Tracht zu unterscheiden. Schade.

    Außerdem scheinen Sie einen Verlust der Identität mit gleichzeitigem Ersetzen durch Anonymität zu favorisieren. Ich halte die Politisierung des generellen Einsetzens für Brauchtum für die Zeilen eines gelangweilten Schreiberlings, der durch massiven Missbrauch des Wortes "Jodel-Klamotten" (allein hier schon eine Generalisierung und Simplifizierung auf einen winzigen Teilaspekt, der jeder Beschreibung spottet) seine Unfähigkeit zu distanzierter Kritik unter Beweis stellt.

     

    Summa summarum wäre ein sinnreicher Ansatz möglich gewesen (Modedirndl als Verballhornung der Kultur, Pseudotracht als Maskerade für unangemessenes Verhalten), jedoch wurde dies nicht umgesetzt. Das lässt immerhin Raum für Zukünftiges.

     

    Mit freundlichen Grüßen aus dem Münchner Süden.

  • H
    HerrMann

    Was will uns der Autor sagen? Dass er ein Rechter ist? Dass er gerne ein Demagoge wäre? Dass er ganz viele Fremdwörter kennt? Ich schlage vor, der Autor geht in Niederbayern einen zünftigen Obstler trinken und nervt nicht weiter mit seinem öden als Weltläufigkeit getarnten Provinzialismus.

  • W
    Wertkonservativliberaler

    Kleidung hat etwas mit Sehnsucht nach Identität zu tun.

     

    Wenn der "Ur-Deutsche" sich nach Identität sehnt, und sich zur Gaudi und Spaß an der Freude ins Dirndl/in die Lederhose zwängt, ist das provinziell, niederträchtig und höchstwahrscheinlich "rechtspopulistisch" (neuestes Pfui-Wort der politisch-korrekten Links-Kamarilla).

     

    Wenn Hardcore-Anhänger der Religion des Friedens ihre streng-orthodoxe Kleiderordnung - fußknöchellanger Mantel, Gesichtsschleier, Handschuhe für die Frauen, ebenso langes Gewand und Strick-Käppi für die Männer - zur Schau tragen, bereichert das natürlich unsere spießig-deutsche Kultur.

     

    So meint es wohl der taz-Redakteur von der Kleider- und Gedankenpolizei aus der Rudi-Dutschke-Str.

  • AH
    Aus Haching

    Der Blick aus München: Hier trägt im Alltag niemand Tracht. Das gibt es in Fremdenverkehrsorten in Richtung der Alpen und ganz vereinzelt noch authentisch.

     

    Die Tracht wird zu Wiesn (für Nordlichter: das Oktoberfest) ausgepackt. Auch ich selbst (mit familiären Wurzeln in Niedersachsen) habe eine Lederhose.

     

    Man verkleidet sich, um trinken zu gehen. Das hat viel mit Karneval und gar nicht mit einem Bekenntnis zur "gemäßigten Rechten" zu tun. Auch bayerische Linke tragen Tracht, im Zweifel sind sie eben eher Bayern. So hat man z.B. Klaus Ernst schon häufig im Janker gesehen.

     

    Eine These wird nicht dadurch überzeugeder, dass sie mit einem Schwall an Adjektiven daherkommt. "Gnadenlose Ökonomisierung" der Landbevölkerung - ich wette, in weiten Teilen des Landes wäre man froh, wenn das Leben mehr ökonomisch und weniger bukolisch geprägt wäre.

  • GE
    ganz entspannt im hier und jetzt

    Warum bloß so unentspannt? Moden wechseln halt und ab und zu taucht auch etwas älteres aus der Versenkung auf. Momentan sind also mal wieder die 50iger/60iger Jahre "in" - übrigens auch in der übrigen Mode. Heimatfilm-unterstützt waren Dirndl etc. damals sehr angesagt. Mit Vormoderne haben diese "Trachten" nichts, aber wirklich gar nichts am Sträußchen.

  • E
    Enno

    Gibt es eigentlich auch ein Furz-Diplom? Falls ja, hat der "Autor" dieses Artikel in der Diplom-Prüfung sicher super abgeschnitten: Furzen - sehr gut. Witz - mangelhaft. Journalismus - mangelhaft. Spießigkeit - sehr gut.

    Man dachte ja bisher, die Berichterstattung der taz zu Libyen sei spießig, dumm und oberflächlich, aber im Vergleich zu diesem Machwerk ist das ja richtig seriöser Journalismus. Das ist ja echt "Stupidität" - super Wort, Herr Seelssen!!! - pur!

     

    Ich kenne ganz viele ganz dolle schwierige Fremdwörter, deshalb soll mich jeder ganz dolle klug finden! Menno!

  • I
    idrian

    aua, schon wieder so ein verzweifelter antideutscher: dabei bekomen mich immer gefühle des mitleids.

    wenn die taz bei themen, bei denen es um etwas ginge, so bissig schreiben lassen würde, wäre sie als linkes medium irgendwann vielleicht auch wieder ernst zu nehmen. so jedoch macht sich bei mir lediglich der eindruck breit, es würde hier versucht auf platt-populistische weise das pseudolinke selbstbild zu pollieren.. während ansonsten auch weiterhin neogrünliberalem meinungsmainstream zu munde geschrieben wird.

  • E
    Elena

    Krass, der Autor verbindet eine eklige Arroganz mit einer ebenso ekligen Spießigkeit. Was für eine Null, das Niveau der taz sinkt ja immer weiter in den Keller, dabei immer mehr begeitet von dieser ganz ekelhaften linken Gutmenschen-Arroganz.

     

    Von dem Artikel bekommt man ja echt Herpes, so dumm und eklig ist der.

  • ED
    Erwin der Coole

    Boah, der Autor wohnt in Kaufbeuren, der weiß sicher, was angesagt ist. Shanghai ist out, New York war nie in, Modetrends werden jetzt in Kaufbeuren gesetzt! Von einem "Publizisten und Filmkritiker" - aber was macht der Mann beruflich? Also wenn man solchen Artikeln leben kann, dann muss ich zugeben: Wir brauchen dringend ein neues Wirtschaftssystem!

  • M
    Martin

    Ein erschreckend dummer, sehr deutscher und sehr spießiger Artikel. Ein paar Fremdwörter ("semiotisch" ist ja echt ein geiles Wort), ein Haufen Klischees, eine erschreckende Lebensunerfahrenheit und die - leider oft typisch linke - Spaßfeindlichkeit vermengen sich zu einem fiesen Gemisch. Der Artikel ist auch eh sehr wirklichkeitsfern, da Trachten immer mehr in Mode kommen, in allen Gesellschaftsschichten außer der untersten, die tragen Jogginghosen. Kann sein, dass der Autor hier eine Art "Armut ist die Schule des Herzens"-Ideologie predigen will.

     

    Die Aussage des Artikels bleibt unklar - ich würde sagen, ein typisch deutscher, richtig miefiger Artikel mit einem faden Beigeschmack.

  • W
    Wertkonservativliberaler

    Graue oder schwarze fußknöcheltiefe Mäntel mutmaßlicher Importbräute, Kopftücher oder solche Tücher, die nur noch die Augenpartie erahnen lassen, und zusätzlich - so die strenggläubige Hardcore-Variante - mit schwarzen Handschuhen ausstaffiert, auf das man mit nichts in Berührung komme, was unrein ist; salafistisch angehauchte Männer mit Prophetenbärten, Strickkäppis und ebenfalls wallenden, fußknöcheltiefen Gewändern - all dies begegnet mir Tag für Tag in Frankfurt am Main und Berlin.

     

    All dies ist diesem taz-Redakteur keine Zeile wert. Mehr noch: "Das Tuch" wird in der Debatten-Rubrik der taz noch mit einer regelmäßigen sinnfreien Kolumne geadelt.

     

    Wenn der gewöhnliche "Ur-Deutsche" aber wieder für seine Freizeit - unzüchtigen Oktoberfesten z.B. - Gefallen findet am Retro-Look vergangener Trachten, dann schreitet die taz-Gesinnungs- und Modepolizei ein. Denn jedem Jankerl, jeder Lederhose haftet der Ruch der nationalen Erhebung an. Wehret den Anfängen, so die Tugendwächter aus der Rudi-Dutschke-Straße.

     

    Wie kann man als Frau auch nur so unzüchtig und lustvoll sein, ein Dirndl zu tragen? Wie kann man als Mann auch Gefallen daran finden, mal in zünftiger Lederhose die strammen Waderln zu zeigen?

     

    Der taz-Artikel von Georg Seesslen zeigt bereits mit seiner Überschrift "Tracht und Niedertracht" das völlig verkorkste Verhältnis des Autors zu dem, was eben auch deutsche Kultur ausmachen kann.

     

    Spießig, gleichförmig und muffig erscheint mir in meinem Stadteil nur eingangs beschriebene Bevölkerungsgruppe der Strenggläubigen. Die ist aber geschützt vor Kritik. Denn man würde diese Religion des Friedens beleidigen, wenn man sich deren Kleiderordnung mit nur halb so viel Schaum vorm Mund annehmen würde, wie es Seesslen mit den niederträchtigen Trachtenmichels hier tut.

     

    Wie wäre es, wenn sich Seesslen mal über deren strenggläubige, uns sicherlich nur "bereichernde" Kleiderordnung Gedanken machte?

     

    Verkehrte Welt.

  • J
    Justin

    Alles klar. Hier wurde wieder ein Arsenal an Fremdwörtern verballert auf ein Thema das eigentlich mit dem letzten Satz auf den Punkt gebracht wurde. Warum auch immer.

  • H
    heinzl

    Lieber Herr Seesslen, für diesen Artikel haben Sie zumindest ein Jodeldiplom verdient. Schreiben Sie doch in Zukunft weiter Artikel für die Links-Vogue, in denen Sie Mode und Manierismen der Provinz aus dem Blickwinkel des Berliner Dorfes beschreiben.

  • C
    Caligula

    Einen Aspekt vernachlässigt Seesslen: Auch der größte Trachtenkritiker muss zugeben, dass ein waschechtes Dirndl den Kurven der Frauen schmeichelt - und zwar mehr als so manch eine Modelinie, auf der sich viele Frauen in unvorteilhafter Weise verirren.

     

    Warum Tracht mit Niedertracht gleichsetzen, warum Klamotten politisieren? Bin auch keine Freundin des Slogans "Mia san mia", aber ich gucke mir genau die Qualität der Stoffe und Modelle an und stelle fest: solide Handwerksarbeit, insoweit es das hoffentlich ist. Das, was man auf dem Oktoberfest zu sehen bekommt, hat nix mit Tracht und Dirndl zu tun - das deutet der Autor auch mit "geschmacklos" an. Das Einzige, was mich stört, ist, dass die Trachtler mich dumm anglotzen und belächeln, wenn ich als Frau mit einer -natürlich waschechten-Krachledernen rumlaufe.

  • F
    Frank77

    Tja, der Deutsche neigt eben zum miefigen Kleinbürgertum, wie sonst kann man das Freiburger Ökoviertel Vauban erklären, oder die Enstehungsgeschichte der kleinbürgerlichsten Partei von allen, den Grünen. Hier wird gegen die Trachten vom Leder gezogen, eine Betrachtung des ökologisch korrekten Dresscodes der Ökos am Prenzlauer Berg in Berlin wäre aber ebenfalls ein Blick wert, hinsichtlich kleibürgerlicher Spießigkeit. Man ist doch immer wieder fasziniert über so viel selbstgerechte Verblendung.

  • A
    alabasta

    ein amüsanter, bissiger Artikel zu der - besonders in Süddeutschland - um sich greifenden Volkstümelei deren äußeres Merkmal oft die trachtenähnliche Kostümierung ist; hin und wieder werden auch die (sündhaft teuren) Karossen der Trachtler dann noch mit den Namen der Reproduktionsprodukte geschmückt und fertig ist die perfekte, pseudoländliche Vorzeigefamilie. Allerdings scheint mir der Zenit dieser Bewegung überschritten - aber vielleicht ist das nur Wunschdenken...

  • S
    Seppl

    Eine Linke Socke sollte sich die TAZ ja mit Bekleidungsnormen auskennen:

     

    Wärend der Ganzkörperschleier als kulturelle Ausdrucksform gilt, den zu kritisieren ganz ganz pöse ist, gilt eine Tracht als Ausdruck der lächerlichsten Form des Spiesbürgertums.

     

    Ich finde das immer noch besser als die ganze Jogginghosenkultur die ja auch in vielen Stadtteilen Berlins weit verbreitet sein dürfte.

     

    Holladrio!