Banker Bosomworth über die Eurozone: „Eurobonds kaufen wir sofort“
Zahlen muss Deutschland sowieso, sagt Investmentbanker Andrew Bosomworth. Es gibt nur die Wahl zwischen „guten“ und „schlechten“ Risiken.
taz: Herr Bosomworth, Sie arbeiten für eine der weltweit größten Investmentgesellschaften. Was ist Ihre Prognose für die Eurozone?
Andrew Bosomworth: In unserem Basisszenario gehen wir immer noch davon aus, dass die Eurozone mit ihrem Kern Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland zusammenbleibt. Wenn auch nur eines der großen Länder austritt, würde der Euro auseinanderbrechen. Diese Wahrscheinlichkeit ist nicht null, aber wir erwarten es nicht.
Warum sind Sie so optimistisch?
Weil die Alternative so furchtbar wäre. Wenn der Euro auseinanderbricht, würde Europa in einer schweren Depression versinken. Jahrzehnte der Integration würden vernichtet.
Spanien und Italien müssen aber so hohe Zinsen zahlen, dass die Pleite droht. Was schlagen Sie vor?
Der europäische Rettungsschirm ESM ist zu klein für Italien. Aber die Europäische Zentralbank kann so viele Euro drucken, wie sie will. Es kann daher sinnvoll sein, dass sie italienische und spanische Staatsanleihen aufkauft, um die Zinsen nach unten zu drücken.
leitet das Portofoliomanagement von Pimco in München. Pimco ist der weltweit größte Anleiheninvestor und eine Tochter der Allianz.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat schon 210 Milliarden Euro aufgewendet, um Staatsanleihen zu kaufen. Bisher hat dies nichts gebracht.
Die EZB ist vorgegangen, als ob sie eine Währungsintervention tätigt. Sie agiert nicht transparent und gibt kein klares Zinsziel vor. Sie muss es machen wie die Schweizer Notenbank, die den Investoren deutlich gesagt hat, dass sie alles tun wird, um den Franken bei 1,20 zum Euro zu stabilisieren. Die EZB kann aber nur kurzfristig eine Brücke bauen. Diese Brücke führt ins Nichts, wenn die Politik nicht das Fahrtziel bestimmt und die Voraussetzungen für mehr Wachstum schafft.
Kanzlerin Merkel will aber nicht, dass die EZB eingreift. Deswegen favorisiert die EU-Kommission jetzt eine andere Lösung: einen „Altschuldentilgungsfonds“, der mit Eurobonds finanziert wird. Als Investor erwerben Sie täglich Staatsanleihen. Würden Sie diese Eurobonds kaufen?
Mit fast absoluter Sicherheit. Diese Eurobonds würden wie heiße Semmeln weggehen. Der Markt würde ja rund 2,7 Billionen Euro betragen. Das können wir nicht ignorieren.
Wie hoch wären die Zinsen für diese Eurobonds?
Niedrig. Wahrscheinlich 2 bis 3 Prozent für zehn Jahre.
Damit wären Spanien und Italien also gerettet?
Nicht unbedingt. Denn das Modell hat Tücken. In den „Altschuldentilgungsfonds“ sollen die Eurostaaten ja nur jene Schulden auslagern, die 60 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung übersteigen. Dafür gibt es dann eine gemeinschaftliche Haftung aller Euroländer – was die Investoren begeistern wird.
Und wo sind jetzt die Tücken?
Die Kehrseite ist, dass die Staaten weiterhin national für alle Schulden haften, die unter der 60-Prozent-Grenze sind. Das sind insgesamt 5,6 Billionen Euro. Die Investoren würden diese nationalen Schulden als nachrangig betrachten. Folge: Dort würden die Zinsen in die Höhe schießen. Am Ende würden sich Italien und Spanien nicht unbedingt besser stehen.
Also treiben Italien und Spanien doch auf die Pleite zu?
Jedenfalls ist nicht klar, ob dieser „Altschuldentilgungsfonds“ funktioniert.
Was halten Sie von der neuesten Idee aus Brüssel: den „Euro-Bills“?
Was gut ist: Diese Papiere sind einfach. Kurze Laufzeit, geringer Umfang, gemeinsame Haftung der Eurostaaten.
Als Investor würden Sie also kaufen?
Ja. Aber die Bills sollen höchstens 10 Prozent der Wirtschaftsleistung abdecken. Das reicht nicht, um Länder wie Italien zu retten.
Und jetzt?
Wichtiger als alle diese komplizierten finanziellen Konstruktionen ist eine grundsätzliche Frage: Wie kann eine gemeinsame Währung funktionieren? Historisch gesehen sind alle Währungsunionen gescheitert, die nicht gleichzeitig eine politische und fiskalische Union waren.
Übersetzt: Sie fordern eine Transferunion? Deutschland soll zahlen?
Darauf wird es hinauslaufen, ja.
Was hätte Deutschland davon?
Deutschland muss in jedem Fall zahlen. Durch die Exportüberschüsse hat Deutschland sehr große Finanzvermögen in den anderen Eurostaaten aufgehäuft. Wenn der Euro auseinanderbricht, wird die deutsche Währung aufwerten, und es gehen hunderte von Milliarden verloren. Deutschland hat nur noch die Wahl zwischen „guten“ und „schlechten“ Risiken.
Was ist ein „gutes“ Risiko?
Das Kreditrisiko steigt aus deutscher Sicht sowieso – egal, ob man sich durchwurschtelt wie bisher oder ob man eine echte Fiskalunion akzeptiert. Aber bei einer Fiskalunion könnte Deutschland die eigenen Standards durchsetzen. Wenn Deutschland zahlt, muss es die Mittel haben, um eine Bekämpfung der Defizite, der Korruption und der Schattenwirtschaft in einigen Eurostaaten durchzusetzen.
Glauben Sie, dass die Italiener deutsche Kontrolleure akzeptieren?
Diese Fiskalunion müsste natürlich in allen Staaten demokratisch gewollt sein. Dazu gibt es aber langfristig keine Alternative. Kurzfristig ist es richtig, dass die EZB Staatsanleihen aufkauft, um die Zinsen für Italien und Spanien zu drücken. Aber wenn dies zum Dauerprogramm wird, heißt das: Völlig undemokratisch wird ein großer Teil des Kreditrisikos bei Deutschland abgeladen. Denn die Deutschen haften ja mit 27 Prozent für die EZB-Verluste.
Was folgt daraus für Sie als Investor: Kaufen Sie noch Bundesanleihen?
Wir kaufen noch, aber zurückhaltend.
Weil das Risiko steigt?
Nicht nur wegen der zusätzlichen Belastungen. Das Zinsniveau ist zu niedrig. Es ist nicht normal, dass sich ein Staat für zwei Jahre zu einem Zins von null verschulden kann. Wenn Sie die Inflation einrechnen, dann sind die realen Zinsen sogar negativ.
Was kaufen Sie dann?
Zum Beispiel Papiere aus Australien, Südafrika, Mexiko, Brasilien.
Machen das jetzt alle Investoren?
Nicht unbedingt. Viele Pensionskassen in Deutschland lassen keine Schwellenländer zu, weil sie als zu unsicher gelten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind