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Kommentar FinanztransaktionssteuerDie Steuer ist es nicht, Merkozy!

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Indem sich Merkel und Sarkozy auf die Finanztransaktionssteuer kaprizierten, haben sie die Eurokrise komplett verfehlt. Denn die hat mit Spekulation hast nichts zu tun.

U nd ewig grüßt das Murmeltier: Wieder einmal soll eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden. Es fällt schwer zu glauben, dass die angepeilten Milliarden jemals fließen werden. Denn es ist ja nicht das erste Mal, dass sich Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy für diese Steuer begeistern. Bisher folgenlos, wie man weiß.

Vor allem aber: Was hat die Finanztransaktionssteuer mit der Eurokrise zu tun? Die war nämlich das offizielle Thema, mit dem sich Merkel und Sarkozy befassen wollten. Indem sich die beiden auf die Finanztransaktionssteuer kaprizierten, haben sie die Eurokrise jedoch komplett verfehlt.

Die Tobinsteuer ist zwar eine wunderbare Idee, um einen Teil der Börsenspekulation zu unterbinden. Vor allem minimale Arbitragegewinne würden sich nicht mehr rentieren, so dass der computergesteuerte Schnellhandel auf den Devisen-, Rohstoff- und Aktienmärkten nachließe. Aber die Eurokrise ließe sich mit dieser Steuer weder verhindern noch beeinflussen noch refinanzieren.

Bild: taz
ULRIKE HERRMANN

ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Denn die Eurokrise hat mit Spekulation fast nichts zu tun - sondern mit Angst. Grundsolide Anleger wie Versicherungen fürchten, dass Italien pleitegehen könnte. Also meiden sie italienische Staatsanleihen, also schießen die Zinsen für Italien in die Höhe, also treibt das Land in den Konkurs, also kaufen die Versicherungen erst recht keine italienischen Staatsanleihen mehr. Dieser Teufelskreis wird nicht durchbrochen, indem man eine Finanztransaktionssteuer einführt.

Macht auch nichts, könnte man denken. Eine gute Idee wie die Finanztransaktionssteuer wird ja nicht dadurch schlechter, dass sie aus den falschen Motiven durchgedrückt wird. Wenn sie denn durchgedrückt wird. Bisher grüßt nur das Murmeltier.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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6 Kommentare

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  • C
    chrisfre

    Warum denn gehört diese Steuer zu den Grund- und Gründungsforderungen von Attac? Warum lanciert campact gerade eine Unterschriftenaktion zu ihrer Durchsetzung gegen die FDP-Blockade? Sind die alle nicht so schlau wie Frau Herrmann?

     

    Dass die EU als Geburtsfehler quasi nie eine Fiskal-

    union war und London mit Vetorechten weiterhin Börsenplatz ist, scheint mir EIN Problem zu sein. Dass jetzt DESHALB nur noch INNERHALB der system-immanenten Logik gehandelt werden kann, nachdem die Deregulation des Finanzmarkts unter Schröder vom schweigenden Wahlvolk nicht verhindert wurde, auch.

    Wie aber bitte, sieht - nach den Fehlern all der Bankenrettungen - die Lösung der FINANZMARKTverur-

    sachten Krise denn aus? Algorhithmen im Börsenhandel

    (wie?) verbieten, dito Leerverkäufe, dito Spekula-tionen auf im Untergang befindliche EU-National-wirtschaften, etwa eine eigene EU-Ratingagentur etablieren? Und wie denn soll dem global agierenden

    Finanzmarkt,der etwa mit Nahrungsmitteln spekuliert,

    weiterhin Hedgefonds agieren lässt, Einhalt geboten

    werden? Dies bei anhaltender Wachstumsideologie und gelehrigen asiatischen Märkten ???

  • CB
    Christel Buchinger

    Die Finanztransaktionssteuer würde aber Geld in die öffentlichen Kassen schaffen. Und die öffentliche Verschuldung ist die Kehrseite des privaten Reichtums - Ergebnis der Liberalisierung der finanzmärkte unter anderem. Es hängt schon zusammen, liebe Frau Wirtschaftsexpertin. Und die TobinTax ist nicht DIE Lösung, aber Teil der Lösung kann sie schon sein.

  • CB
    Christel Buchinger

    Die Finanztransaktionssteuer würde aber Geld in die öffentlichen Kassen schaffen. Und die öffentliche Verschuldung ist die Kehrseite des privaten Reichtums - Ergebnis der Liberalisierung der finanzmärkte unter anderem. Es hängt schon zusammen, liebe Frau Wirtschaftsexpertin. Und die TobinTax ist nicht DIE Lösung, aber Teil der Lösung kann sie schon sein.

  • H
    Hans

    Sarkozy muss eben ein wenig auf Links machen ... seine Tage sind aber gezählt, leider wird Merkel noch eine Weile andauern und da sie keine Ahnung von Wirtschaft hat und da sie sich bei ihren Wählern anbiedern will, erscheint es wahrscheinlich, dass noch mehr Süd-EU-Staaten in einer Abwärtsspirale verschwinden.

     

    Langsam erinnert mich alles an 1929 - auch damals kannte sich niemand mit Wirtschaft, Währung, Börsen und Märkten aus, man nahm an, dass Volkswirtschaften genauso funktionieren, wie kleine Familienhaushalte und dass man mit entsprechend simplen Methoden zu Erfolgen kommt, tatsächlich kommt man zu immer neuen Abwährtsspiralen und die schlagen sich in Armut, Arbeitslosigkeit und sich auflösenden, schwachen Branchen nieder. Und genau dieses Schicksal droht Italien.

     

    Aber Italien hat kerngesunde Branchen, spezielles Know-how und bestimmte Faktoren, die es eben von Griechenland positiv unterscheiden, dennoch dürfte Merkel auch dort genug Zerstörung und Abwärtstrend erzeugen. Bleibt die Frage, was sich eigentlich ändern könnte, sollte Francois Hollande bald Sarkozy ersetzen.

  • M
    Momo

    Bei der "Finanztransaktionssteuer" a la Merkel wird es sich höchstwahrscheinlich ähnlich verhalten wie beim CDU-"Mindestlohn". Inhaltlich wird es sich um eine Lachnummer handeln, die den einzigen Zweck verfolgt, der poltischen Konkurrenz ein Wahlkampfthema zu entreissen. Auf die wohlwollende Unterstützung des ganz überwiegenden Teils der deutschen Medien wird sie sich wieder einmal verlassen können. Diese werden wieder einmal ganz im Sinne Merkels von der angeblichen "Sozialdemokratisierung der Union" schwafeln und erfolgreich davon ablenken, daß Merkel den Staaten den Eurozone neoliberale "Strukturreformen" (z.B. europaweite "Aganda 2010" sowie "Rente mit 67", Reallohnsenkungen) auzwingen wird. Nachdem Merkel 2011 der Euro-Zone ihr Spardiktat aufdrückte, soll es 2012 um Wachstum gehen. Damit wird sich der EU-Gipfel Ende Januar befassen. Für Merkel besteht der Kampf gegen die Rezession jedoch aus den von mir angesprochenen "Arbeitsmarktreformen" und anderen "Strukturreformen".

  • M
    Marina

    "Grundsolide Anleger wie Versicherungen" - hihi, herrlich, das ist ja echt zum Schießen! Karneval fängt doch erst in ein paar Wochen an, aber Ulrike Herrmann legt gut vor! Herrlich, wahrhaft göttlich! Weiter so, die Artikel von Ulrike Herrmann sind echt immer so witzig. Unklar ist nur, warum die Artikel immer im Wirtschaftteil erscheinen und nicht auf der Satire-Seite.