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Nachrichtenagenturen und KarikaturenKöpfe ja, Hintern nein

Deutsche Nachrichtenagenturen wollen die Mohammed-Karikaturen aus Frankreich nicht verbreiten. Man möchte keine religiösen Gefühle verletzen.

Das Cover zeigen die Agenturen. Mehr gibt der Fotopool nicht her. Bild: dapd

Mehrere Nachrichtenagenturen haben sich dazu entschieden, die am Mittwoch in Frankreich erschienenen Mohammed-Karikaturen nicht weiterzuverbreiten. So finden sich im Bildportal der dpa lediglich Fotos von einem unvollständigen Cover des Satiremagazins Charlie Hebdo.

„Ein weltumspannendes Netz von Redakteuren und Reportern garantiert die eigene Nachrichtenbeschaffung nach im dpa-Statut festgelegten Grundsätzen: unparteiisch und unabhängig von Weltanschauungsfragen, Wirtschafts- und Finanzgruppen oder Regierungen“, so wirbt die Nachrichtenagentur dpa im Netz. Warum stellt sie den Medienredaktionen, die sie in Deutschland beliefert, dann nicht die Bilder aus Frankreich zur Verfügung?

Entblößter Hintern

„Die dpa berichtet über die Kontroverse zu den neuen Mohammed-Karikaturen. Wir beschreiben dabei auch, was die Karikaturen zeigen“, sagt Bernd von Jutrczenka, Leiter der dpa-Bilderdienste, auf die Frage, warum die Karikaturen oder Fotografien der entsprechen Magazinseiten nicht angeboten werden.

Und weiter: „Wir haben uns gegen die Veröffentlichung entschieden, weil wir uns die Frage gestellt haben, ob die Zeitschrift das alles nicht auch deshalb in die Wege geleitet hat, um internationale Beachtung zu finden.“ Ziemliche Aufmerksamkeit haben die Macher von Charlie Hebdo auf jeden Fall erreicht.

Das Satiremagazin zeigt eine Reihe von Zeichnungen, die sich auf „The Innocence of Muslims“ beziehen, jenen islamfeindlichen Film, gegen den Muslime weltweit protestiert haben, manche gewalttätig. Einige Karikaturen in dem Blatt zeigen den Propheten Mohammed mit entblößten Hintern. Die taz veröffentlichte einen Teil der Bilder in ihrer gestrigen Ausgabe.

Die 75.000 gedruckten Exemplare von Charlie Hebdo waren unmittelbar nach Veröffentlichung ausverkauft, deswegen werden am Freitag noch einmal 95.000 Hefte am Kiosk liegen.

Auch die Agenturen AFP, AP und dapd haben die Karikaturen nicht in ihr Bildportal aufgenommen. „Wir müssen sehr sensibel sein, wenn es um religiöse Gefühle geht“, sagt Tobias Lobe, Sprecher von dapd. „Doch handelt es sich immer um eine Einzefallabwägung“, betont er.

Abgeschlagener Kopf

Rückendeckung bekommen die Agenturen von dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV). „Redakteure sollen selbst entscheiden, ob es ihrer Redaktionsethik entspricht, die Mohammed-Karikaturen zu zeigen oder nicht“, sagt Eva Werner vom DJV. „Dies gilt auch für Redakteure, die bei Nachrichtenagenturen arbeiten. Vorauseilender Gehorsam vor möglichen Islamisten darf allerdings bei der Entscheidung keine Rolle spielen.“

Einen ähnlich gelagerten Fall gab es schon 2006. Bilder aus der umstrittenen Berliner Mozart-Oper „Idomeneo“, welche die Abschlussszene mit den blutigen Köpfen von Jesus, Buddha, Poseidon und Mohammed zeigte, wurden von AP zurückgezogen. Bilder, die Gefühle von Gläubigen verletzen, sollten nicht über das AP-Bildportal vertrieben werden, hieß es da aus der Zentrale in New York.

Eine Maßnahme, welche die dpa damals nicht nachvollziehen konnte. Man werde die Fotos weiter vertreiben, hieß es da bei der dpa. Das sei das „ganz normale nachrichtliche Geschäft“.

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6 Kommentare

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  • RA
    ralf ansorge

    die feigheit der deutschen presse ist furchtbar.wenn man über etwas berichtet sollte man es auch dokumentieren.qualität ist abei unwichtig bzw.subjektiv.der leser muß sich sein urteil bilden können.

    den film kenne ich aus dem netz und weiß daher wie blöd er inhaltlich und v.a.handwerklich ist.er wäre ohne die aufgehetzten fanatiker kaum wahrgenommen worden,er war ja wohl schon länger im netz.

    von den karikaturen kenne ich nur die auf dem titel,die geht so ist aber auch keinen aufreger wert,eben nur wenn man sich aufregen WILL.

    deutsche presse,zeigtendlich,daß ihr einen arsch in der hose habt!!!

  • G
    Gunter

    Wie steht es denn mit dem Titel: Mein Kampf ? Der ist wohl in so manchem islamischen Staat auf der Top Ten Liste der meist verkauften Bücher z.B. in der Türkei als illegaler Nachdruck natürlich und in Deutschland auf dem Index. Das interessiert natürlich niemanden es wird nicht darüber berichtet. Fahren Sie doch mal nach Türkei oder Ägypten und geben sich als Deutscher zu erkennen, Daumen hoch und Hitler gut bekommen Sie da zu hören. Das weis jeder der mal da war. Aufgeregt wird sich nur über Karikaturen über diesen "Phrofeten" ob der jemals wirklich gelebt hat so wie dieser "Jesus" gibt es keinen einzigen sicheren Beweis. Hitler hat gelebt und die meinsten Muselemen finden ihn gut weil er die Juden getötet hat. Noch Fragen ? Man kann mit Fanatikern nicht reden oder sie friedlich machen, das ist so egal woran sie glauben, Gewalt wollen sie und nichts anders keine Chance auf Ausgleich!

  • D
    deviant

    @enky: Nach diesem Kommentar frage ich mich, ob Sie meinen Kommentar überhaupt gelesen, geschweige denn verstanden haben.

  • E
    enky

    @ deviant

    da ich in frankreich lebe, darf ich ihnen sagen, dass hier mehrere satirische journale ein großes publikum haben. gibt es so nicht in D. die carikaturen sind teilweise an der grenze des erträglichen für mich, muss ich zugeben. gar nicht mal politisch, sondern für deutsche ungewöhnlich brutal und schmutzig. aber das gehört dazu. zur liberté.

    ich bewundere den mut von charlie hebdo, von Charb, dem redakteur und seinen kollegen. sowas ist kein PR-gag. bitte verstehen sie das. die fanatiker haben im schon einmal das büro angezündet. ich hoffe, ihm geschieht nichts.

    wie andere bereits gesagt haben, die musulmanen müssen sich daran gewöhnen, dass in europa die freiheit der kunst, des wortes und der presse gilt.

    sie, in ihren ländern müssen sich das erst noch erkämpfen.

  • H
    Humanist

    Es ist eine ziemliche Frechheit und ein Armutszeugnis für das Freiheitsverständnis der DPA-Redaktion, wenn auf die Gefahr hin, dass "religiöse Gefühle" verletzt werden könnten, Material nicht zur Verfügung gestellt wird.

    Was soll das eigentlich sein; "religiöse Gefühle"? Und warum sind die schutzwürdiger als beispielsweise "nationale Gefühle", oder sagen wir "lokalpatriotische Gefühle" (Es gibt da beispielsweise diverse Bayern-Witze und Karrikaturen)?

    Und wenn mir irgendwer diese beiden Fragen beantworten kann, dann hätte ich noch eine weitere: Wenn religiöse Menschen Gewalt anwenden (was im übrigen keine exklusiv muslimische Praxis ist), warum führt es dazu, dass der Statt diese Menschen schützt (§166 StGb), statt sie offensiv zu verfolgen?

    So weit ich das sehe sind "religiöse Gefühle" eine willkommene Ausrede von antidemokratisch gesinnten Menschen Zensur zu üben, oder besser noch, durch den Staat üben zu lassen. Wenn das dann Redaktionen auch noch präventiv umsetzen, dann kommen diese Menschen nicht einmal mehr in die Verlegenheit diese unsägliche Praxis rechtfertigen zu müssen.

    Ach ja, der Film(trailer) ist Müll. Bei den Karrikaturen kann ich das dank dpa nicht einschätzen.

  • D
    deviant

    Es ist durchaus positiv, dass die Agenturen und Zeitungen offenbar offen diskutieren, ob sie die Karikaturen verbreiten oder nicht und da nicht mit irgendwelchen Tabus arbeiten. Es ist klar, dass sie vor allem ein PR-Gag sind, die die aufgeheizte Stimmung ausnutzen, um Öffentlichkeit herzustellen. Das ist ne ziemlich billige Nummer, und wenn Frankreich daher darüber nachdenkt, Botschaften zu schließen, dann ist es angebracht, darüber nachzudenken, ob man sich zur Werbeplattform für ein Satiremagazin macht.

     

    Andererseits ist es der Zweck von Satire, den Finger in die Wunde zu legen, so dass es nunmal gerade jetzt angebracht ist, solche Karikaturen zu veröffentlichen

     

    Und für Satire gilt eben, was für dümmliche Beleidigungen nicht gilt: Sie darf alles.

    "Innocence of Muslims" gehört in dieselbe Kategorie wie die Filme des NSU oder "Der ewige Jude" und sollte nicht einmal in die Nähe der Karikaturen von Charlie Hebbdo oder denen, die man in der Titanic wird finden können, gerückt werden.